Der von der Ampel-Koalition verfolgte Umbau der Tierhaltung bleibt ein Prozess der kleinen und anhaltend kritisierten Schritte. Jetzt hat das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (THKG) den Agrarausschuss des Bundestages passiert, es wurde ein Gesetzentwurf zur baulichen Anpassung von Tierhaltungsanlagen vorgelegt und in einem Entschließungsantrag von SPD, Grünen und FDP wurden die weiteren Schritte im Umbau-Prozess genannt.
Zunächst hat der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft den Weg für „den ersten Schritt“ einer staatlichen Tierhaltungskennzeichnung frei gemacht. Am Mittwochmorgen in der vergangenen Woche verabschiedeten die Abgeordneten den entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion, der AfD-Fraktion sowie der Fraktion Die Linke, begleitet von den bereits zuvor wiederholt vorgebrachten Kritikpunkten wie der Begrenzung auf die Schweinehaltung, der Nichtberücksichtigung der Sauenhaltung oder der Nichtkennzeichnung ausländischer Erzeugnisse (die Bauernstimme-Nachrichten berichteten mehrfach).
Da die Umstellung auf die nach dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz vorgesehenen Haltungsformen einen Umbau der baulichen Anlagen zur Tierhaltung erfordern kann, soll dieser Umbau planungsrechtlich erleichtert werden. So steht es in einem von der Ampel-Koalition jetzt vorgelegten Gesetzentwurf zur baulichen Anpassung von Tierhaltungsanlagen.
ISN: Einer von mehreren notwendigen Bausteinen
Nach dem Entwurf der Regierungsparteien soll das Bauplanungsrecht entsprechend angepasst werden, um den damit gegebenenfalls einhergehenden tierwohlorientierten Umbau von bestimmten nicht dem Landwirtschaftsbegriff des § 201 BauGB unterfallenden baulichen Anlagen zur Tierhaltung, die vielfach im planungsrechtlichen Außenbereich liegen, zu unterstützen. Es geht im Klartext, so die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), also um die gewerblichen Tierhaltungsanlagen im Außenbereich. Landwirtschaftliche Tierhaltungsbetriebe im Sinne des Bauplanungsrechts unterliegen dagegen nach wie vor grundsätzlich der Privilegierung des § 35 Absatz 1 Nummer 1 BauGB und bedürfen daher keiner planungsrechtlichen Erleichterung für einen tierwohlgerechten Umbau, heißt es in dem Entwurf.
Anders als im vorherigen Referentenentwurf soll es nun möglich sein, den Mehrplatz für höhere Haltungsformen für maximal die gleiche Tierzahl nicht nur durch Ausläufe, sondern auch durch eine Gebäudeerweiterung zu erreichen. Möglich soll nach dem neuen Entwurf nun zudem sein, dass ein Ersatzneubau an anderer Stelle erreichtet werden kann und nicht zwingend auf den Grundrissen des Altgebäudes. Damit soll es den Betrieben ermöglicht werden, während der Baumaßnahmen die bisherige Tierhaltung beizubehalten. Vorgesehen ist laut dem Entwurf, dass nach Fertigstellung die alten Stallanlagen beseitigt und mögliche Bodenversiegelungen zurückgebaut werden müssten.
Die ISN meint: „Mit dem Gesetzesentwurf wird ein wichtiger aber nach wie vor nur kleiner Baustein angegangen, um den Umbau der Ställe überhaupt zu ermöglichen. Für die landwirtschaftlich betriebenen Ställe ergibt sich dadurch beispielsweise keine Änderung. Die entscheidenden Genehmigungshürden im Emissions- und Umweltrecht sind für alle Betriebe noch in keiner Weise aus dem Weg geräumt. Positiv ist, dass wichtige Kritikpunkte, die wir in unserer Stellungnahme zum ersten Referentenentwurf zur Änderung des Baugesetzbuchs (BauGB) formuliert haben, nachgebessert worden sind. Dazu gehört, dass die Möglichkeit zum Halten des Tierbestandes geschaffen werden soll und der neue Stall nicht zwingend innerhalb der Grundmauern des alten Stalles erfolgen muss. Gut ist auch, dass Ersatzbauten demnach nun nicht mehr an gleicher Stelle erfolgen müssen. Weitere Kritikpunkte bleiben jedoch nach wie vor bestehen. So ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, warum das Altgebäude zwingend abgerissen werden muss und auch nicht anderweitig als für die Tierhaltung – z.B. als Lagerraum – genutzt werden kann.“
Die beabsichtigte Änderung des BauGB ist nach Ansicht der ISN einer von mehreren notwendigen Bausteinen. „Damit darf nun nicht der Eindruck erweckt werden, dass nun die Genehmigungshürden beim Umbau der Tierhaltung in größerem Maße gelöst sind. Jetzt müssen zügig weitere Rechtsanpassungen folgen. Das gilt ganz besonders für die Bereiche Emissions- und Umweltrecht. Das Gesamtpaket ist die Grundvoraussetzungen für eine Weiterentwicklung der Schweinehaltung in Deutschland und um die bestehende ‚Tierwohl-Stallumbaubremse‘ endlich zu lösen. Erst dann bekommen die Betriebe die notwendige Planungssicherheit und Perspektive, ordnet ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack ein.
Ampel-Koalition: Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung erst der Anfang
Weitere Schritte auf dem Weg zu einem Gesamtkonzept haben SPD, Grüne und FDP in einem gemeinsamen Entschließungsantrag genannt. Darin heißt es: „Das nun vorliegende Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung ist der Anfang. Es wird nun zum einen konsequent auf weitere Tierarten und Verkaufswege ausgeweitet. Zum anderen wird es weitere Politikinstrumente geben, damit der Umbau der Tierhaltung ein Erfolg wird. So werden zum Beispiel Anpassungen im Baurecht sowie bei den Verwaltungsvorschriften zum Bundes-Immissionsschutzgesetz vollzogen und vorhandene Lücken im Tierschutzgesetz geschlossen. Zudem wird es ein Bundesprogramm zum Umbau der Tierhaltung geben, das den Betrieben eine langfristige Perspektive und Verlässlichkeit bieten wird. Das Bundesprogramm fördert Investitionen in zukunftsfeste Stallbaumaßnahmen und finanziert laufende Mehrkosten, die durch eine besonders tiergerechte Tierhaltung entstehen.“
Laut dem Antrag soll unter anderem nach der Sommerpause noch im Jahr 2023 eine erste Änderung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes erfolgen, mit der dieses ausgeweitet wird auf verarbeitetes Fleisch und die Außer-Haus-Verpflegung/Gastronomie vorzulegen und danach auch für andere Tierarten, damit in dieser Wahlperiode eine umfassende Regulierung in Kraft tritt. In diesem ersten Änderungsgesetz des THKG soll die Haltungskennzeichnung auch für Zuchteber, Jungsauen, Muttersauen und Ferkel definiert werden. Dies werde auch zusammen mit der Branche diskutiert. Die Einführung des THKG soll mit einer umfassenden Informationskampagne begleitet werden. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen zudem leicht zugängliche Informationen im Handel und in der Gastronomie erhalten, wie die Tiere gehalten wurden. Ferner sollen die Vorhaben zum Tierschutzgesetz, zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, zum Tiergesundheitsmonitoring, zum Schutz vor Bränden und technischen Störungen in Ställen, zum Prüf- und Zulassungsverfahren für Stallsysteme, zu Transport und Schlachtung sowie zur Überführung von Teilen des Tierschutzrechts in das Strafrecht und der Erhöhung des maximalen Strafmaßes für Tierquälerei auf den Weg gebracht werden. Und auf europäischer Ebene will sich die Ampel-Koalition für eine Änderung des Tierschutz-Schlachtrechts und Tierschutz-Transportrechts einsetzen.
Mit Blick auf das THKG und den Entschließungsantrag erklärt der AbL-Vorsitzende Martin Schulz: „Wir Bäuerinnen und Bauern wollen die Tierhaltung umbauen. Aber in dem bisherigen Prozess fehlt für uns noch Planungssicherheit. Das vorliegende Tierhaltungskennzeichnungsgesetz gilt erst ab 30 Kilogramm und berücksichtig nur das halbe Schweineleben. Auch wenn der Entschließungsantrag den Willen bekundet, diese Lücke schließen zu wollen, ist es aus Sicht der AbL notwendig, die Sauenhaltung umgehend ins Tierhaltungskennzeichnungsgesetz mit aufzunehmen. Für sauenhaltende Betriebe ist und bleibt unklar, wann welche Kriterien auf sie zukommen. Und es wird der Verbraucherschaft kaum zu vermitteln sein, dass die Tierhaltungskennzeichnung nur für das halbe Schweineleben gilt. Außerdem fordert die AbL Bundesminister Özdemir und die Ampelkoalition auf, die Ausgestaltung des Bundesprogrammes zur Finanzierung möglichst nah an den Plänen der Borchert-Kommission auszurichten. Dafür braucht es langfristige und verlässliche Verträge, mit Laufzeiten von zwanzig Jahren und verbindlichen Prämienhöhen, die auch Anreize für tierhaltende Betriebe bieten. Erst mit Klarheit und Planungssicherheit können und werden sich die Betriebe auf den Weg machen.“