Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) hat den in den letzten Monaten von unterschiedlichster Seite viel kritisierten Entwurf für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz überarbeitet und in der vergangenen Woche ohne eine weitere Einbindung landwirtschaftlicher oder anderer Organisationen zur erneuten Notifizierung bei der EU-Kommission eingereicht. Während sich die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) und der Tierschutzbund angesichts des „Alleingangs“ des Ministeriums in ihrer Kritik an dem Entwurf noch einig sind, zeigen sich bei der deutlich formulierten kritischen Bewertung des neuen Entwurfs doch signifikante Unterschiede.
Als „einige wichtigste Änderungen“ im Gesetzentwurf zur Tierhaltungskennzeichnung des BMEL nennt die ISN:
Dass angesichts der massiven Kritik aus den Bundesländern und sowohl von landwirtschaftlichen als auch nichtlandwirtschaftlichen Organisationen eine Überarbeitung des Gesetzentwurfes zur Tierhaltungskennzeichnung kommen musste, war zu erwarten und vom Minister in unterschiedlichsten Zusammenhängen mit Hinweis auf die Berücksichtigung der zahlreichen Änderungswünsche auch angekündigt.
Die jetzt vorgenommenen Änderungen gehen nach Ansicht der ISN aber längst nicht weit genug. Zwar sei auf einige Forderungen eingegangen worden, insgesamt sei aber wenig Zählbares für die Praxis dabei herausgekommen. Entscheidende Kritikpunkte bleiben nach wie vor unberücksichtigt – so beispielsweise die Nicht-Kennzeichnungspflicht für ausländische Ware, die Nicht-Berücksichtigung der Ferkelerzeugung und entscheidender Absatzwege für das Fleisch wie z.B. der Gastronomie und der Fleischverarbeitung, zieht ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack sein Fazit zu den Anpassungen. Besonders bedenklich sei, so Staack, dabei der Umgang von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir mit den Einwänden aus den Organisationen und den Bundesländern. Das Vorgehen sei ein weiteres Beispiel für die Ignoranz des Bundeslandwirtschaftsministers, der offensichtlich nicht mit den direkten Betroffenen aus der Landwirtschaft über den Gesetzentwurf reden wolle.
Scharfe Kritik an dem Entwurf und daran, „diese Anpassungen ohne öffentliche Beteiligung durchzuziehen“, übt auch der Präsident des Tierschutzbundes, Thomas Schröder: „Das BMEL plant nur noch 12,5 Prozent statt der vorgesehenen, ohnehin nicht ausreichenden 20 Prozent mehr Platz in der Haltungsstufe ,Stall+Platz‘. Wir halten das für einen Skandal und sehen uns in unserer Grundsatzkritik bestätigt. Schon die nur 20 Prozent waren wissenschaftlich nicht begründbar, die 12,5 Prozent sind es noch weniger. Die geplanten Stufen ,Stall‘ und ,Stall+Platz‘ müssen verboten und nicht durch den Staat ausgelobt werden.“
Die Vermutung liege nahe, dass der Bundeslandwirtschaftsminister angesichts des Drucks durch die FDP eingeknickt ist. „Das zeigt die mangelhafte Durchsetzungsfähigkeit von Cem Özdemir innerhalb der Koalition und lässt für die weiteren Aufgaben, etwa das Schnabelkürzungsverbot bei Puten oder den Lückenschluss im Tierschutzrecht, Schlimmes befürchten. Der Tierschutz ist offenbar zu einem taktischen Spielfeld der Koalitionäre geworden, ohne jede Fachlichkeit und ohne jeden Willen, Dynamik in die landwirtschaftliche Tierhaltung zu bringen“, so Schröder. Das geplante staatliche Tierhaltungskennzeichen bringe keinerlei Verbesserungen für die Tiere und stoße schon gar keine Entwicklung hin zu mehr Tierschutz an. Die Beliebigkeit der Begrifflichkeiten und die fehlenden Kriterien für Transport, Schlachtung und vorgelagerten Bereich seien weitere Belege für die fatale Fehlkonstruktion des Özdemir-Zeichens.
„Wir fordern die SPD und die Grünen im Bundestag auf, im Sinne der Tiere massiv dagegenzuhalten. Ansonsten bleiben wir bei unserer Forderung: Lieber gar kein Tierhaltungskennzeichen als das, was bislang aus dem BMEL kommt“, erklärt der Tierschutzbund-Präsident abschließend.
Auch bei anderen Organisationen ist der Unmut über das Vorgehen und die „selbstherrliche Ignoranz“ des Berliner Ministeriums ungebrochen. Noch in der letzten Woche hatte das BMEL die Diskussion über das Gesetz von der Tagesordnung der Agrarministerkonferenz genommen und nach Ostern vertagt – aber parallel die Notifizierungsanfrage an Brüssel gestellt. Sollte die EU der Änderung zustimmen, bleibt im Bundestag nur noch die Alternative „zustimmen oder ablehnen“. Aber klar ist jetzt schon, die Hoffnung auf mehr Tierwohl als heute scheitert gerade und das eigentliche Ziel des gesamten Prozesses, der Umbau der Tierhaltung, ist auf die ganz, ganz lange Bank geschoben. Wie kommentierte ein betroffener Schweinehalter: Statt Wumms mal wieder heiße Luft von der Ampel.