NEULAND fordert Verbesserung des Kabinettsentwurfs zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz

Der NEULAND-Verein hat in einer Stellungnahme an das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) notwendige Änderungen zu dem am 12.10.22 vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz vorgeschlagen. Deutliche Kritik an dem Entwurf war zuvor bereits unter anderem vom Tierschutzbund, dem Bauernverband und dem Raiffeisenverband gekommen. Demgegenüber begrüßen Bioverbände wie der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und Bioland den Entwurf.

„Dem selbst von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gesetzten Anspruch, mehr Transparenz beim Einkauf zu schaffen und die Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte für eine artgerechte Tierhaltung sichtbar zu machen, kommt der Gesetzestext nicht nach. Im Wesentlichen werden Haltungsformen über unterschiedliche Platzmaße definiert. Wichtige Tierwohlelemente, die Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten und auch die Bäuerinnen und Bauern schon heute anwenden, werden nicht berücksichtigt“, erklärt der Vorstandssprecher des NEULAND-Vereins, Jochen Dettmer.

Darum hat NEULAND exemplarisch für die Haltungsform Auslauf/Freiland vorgeschlagen, noch zusätzliche Elemente, die in der Stufe StallPlus zur Auswahl stehen, verbindlich für die Stufe Auslauf/Freiland aufzunehmen. Das betrifft unter anderem die eingestreute Boden- und Liegefläche, den Verzicht auf Vollspaltenböden und den Verzicht auf das Kupieren der Ferkelschwänze. „Das sind Tierwohlkernelemente, die im NEULAND-Auslauf-Stallsystem seit über 30 Jahren praktiziert werden. Da das BMEL diese Elemente in der Stufe StallPlus schon wahlweise zur Auswahl stellt, gehen wir davon aus, dass EU-rechtliche Fragen dem nicht entgegenstehen.“, so der Vorstandssprecher des NEULAND-Vereins, Jochen Dettmer.

Auch die Einführung einer eigenen Biostufe sieht der NEULAND-Verein als nicht gerechtfertigt an. „Nur die Verfütterung von Biofutter rechtfertigt keine eigene Tierhaltungsstufe. Vielmehr sollten sich tierhaltende Biobetriebe, wie auch von der Borchert-Kommission vorgeschlagen, an die höheren Tierschutzstandards der Premiumstufe orientieren,“ stellt Martin Schulz als stellv. Vorsitzender des NEULAND-Vereins fest.
„Wir erwarten nun vom weiterem politischen Prozess im Deutschen Bundestag, dass unsere Vorschläge aufgenommen werden. Erst wenn die Finanzierungsfragen und Baurechtsfragen geklärt sind, dann kann von einem Startschuss gesprochen werden“, so Dettmer abschließend.

Tierschutzbund: Tierhaltungskennzeichen ist Etikettenschwindel

Als „Etikettenschwindel“ bezeichnet Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, den Gesetzentwurf: „Der Gesetzentwurf ist eine Enttäuschung. Das Tierhaltungskennzeichen bildet lediglich den Status quo ab. Die Debatte um das Kennzeichen wird zwar suggestiv so geführt, als ginge es dabei um Tierschutz, doch der vorgelegte Gesetzentwurf bringt keinerlei substanziellen Fortschritt. In der Realität wird alles auf die Verbraucher abgeschoben, die mit ihrem Einkauf das zu schwache Ordnungsrecht korrigieren sollen. Eine von der Bundesregierung gewollte Dynamik hin zu mehr Tierschutz ist nicht erkennbar, die Gesamtstrategie für eine gesellschaftlich akzeptierte Tierhaltung in der Landwirtschaft fehlt immer noch. Die Kriterien sind zu schwach, entscheidende Bereiche wie Transport und Schlachtung bleiben unangetastet und bisher bezieht sich alles auch nur auf die Haltung von Schweinen. Ob und wenn ja in welchem Zeitraum andere Tierarten berücksichtigt werden sollen, ist unklar. Zudem verweigert man mit beschönigenden Bezeichnungen den Verbrauchern die notwendige Transparenz: Die Haltungsform „Stall“ etwa suggeriert Bauernhofidylle, bedeutet für Schweine jedoch ein Leben auf Spaltenböden in engen, unstrukturierten Produktionsstätten – mit künstlichem Licht und Luftzufuhr. Ein solches Kennzeichen ignoriert den gesellschaftlichen Mehrheitswunsch, erschwert die Diskussion um ernsthaften und nachhaltigen Tierschutz und kann daher nur als Etikettenschwindel bezeichnet werden.“ Notwendig ist nach Ansicht des Tierschutzbundes ein Kennzeichen, das Dynamik in das tierschutzwidrige System bringt, mit einem klaren Ziel: weniger Konsum, weniger Produktion und mehr Tierschutz. Die Haltungsform „Stall“ müsse mit einem Ablaufdatum versehen werden, damit die Transformation der deutschen Landwirtschaft hin zu einem Mehr an Tierschutz gelingen kann. „Dafür benötigen wir das Schließen der Lücken und die Anhebung des Ordnungsrechts ebenso wie eine zielführende Förderpolitik und Belohnungen für alle, die beim Tierschutz vorangehen“, so Schröder.

Der Deutsche Tierschutzbund appelliert an die Fraktionen, im weiteren Gesetzgebungsverfahren aus dem aktuellen Entwurf ein Kennzeichen zu machen, das tatsächlich mehr Tierschutz bringt. „Wenn dies nicht gelingt wäre es aus unserer Sicht besser, den Prozess zu stoppen: Lieber gar kein Kennzeichen, als eines, das den Weg zu mehr Tierschutz extrem belastet“, erklärt der Tierschutzbund-Präsident abschließend.

Schwachstellen, Lücken und keine Transformationsimpulse

Der Bauernverband (DBV) begrüßt den Gesetzentwurf zwar „im Grundsatz“, übt jedoch deutliche Kritik an der Ausgestaltung: „Diese Haltungskennzeichnung hat deutliche Schwachstellen und Lücken, mit denen die angestrebte Wirkung nicht nur verfehlt, sondern in Teilen sogar konterkariert wird. Beispielsweise ist die Sauenhaltung nicht berücksichtigt. So können betäubungslos kastrierte Ferkel weiter aus dem Ausland in den heimischen Markt importiert werden und würden dennoch das Tierwohllabel erhalten. Zudem droht durch dieses Gesetz noch mehr unnütze Bürokratie für unsere Betriebe, weil weder ein Anschluss an vorhandene amtliche Meldesysteme noch an private Qualitätssicherungssysteme hergestellt werden soll. Wir bedauern sehr, dass unsere konstruktiven Vorschläge nicht aufgegriffen worden sind“, erklärt DBV-Präsident Joachim Rukwied. Der DBV hatte bereits in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf betont, dass der Anwendungsbereich nicht weitreichend genug gestaltet sei. Dringend müsse auch der Bereich der Verarbeitungsware und neben dem Lebensmitteleinzelhandel auch Verarbeiter, Großverbraucher und Gastronomie mit einbezogen werden. Zwingend notwendig sei neben der Haltungskennzeichnung auch eine Herkunftskennzeichnung.

Kritik kommt auch vom Präsidenten des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV), Franz-Josef Holzenkamp: „Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz verfehlt in der vorliegenden Form das Ziel: Es führt weder zu mehr Tierwohl, noch bringt es die Transformation der deutschen Nutztierhaltung voran.“ Das Gesetz gehöre in die Kategorie: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. „Es ist enttäuschend. Dabei liegen mit den Empfehlungen der Borchert-Kommission und der Zukunftskommission Landwirtschaft sehr gute Vorschläge auf dem Tisch, die aufgegriffen und weiterentwickelt werden können. So gelingt die Transformation nicht, und wir kommen keinen Schritt weiter“, so Holzenkamp.

Der DRV kritisiert unter anderem, dass die Gruppierung bestehender Haltungsverfahren in zu kennzeichnende Haltungsstufen lediglich den Status quo zementiere und keine Transformationsimpulse setze, Fragen zur Finanzierung sowie zum Bau- und Emissionsschutzrecht bleiben unbeantwortet und das Gesetz deckt nicht die gesamte Wertschöpfungskette ab und berücksichtigt nur die Schweinehaltung auf den Stufen Mast und Frischfleisch und die Verbraucher in vielen Fällen nicht erkennen können, aus welcher Haltungsstufe ihr Fleisch stammt.

BÖLW und Bioland begrüßen Gesetzentwurf

Einen anderen Blick auf den Gesetzentwurf haben der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und Bioland. „Heute ist ein guter Tag für Verbraucherinnen und Verbraucher. Künftig sollen sie beim Einkauf tierischer Erzeugnisse auf einen Blick erkennen können, wie ein Tier gehalten wurde“, erklärt BÖLW-Geschäftsführer Peter Röhrig. Eine verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung sei für tierhaltende Bäuerinnen und Bauern wichtig. Denn zahlreiche Höfe strebten eine Verbesserung ihrer Tierhaltung an und warteten bereits seit Jahren auf eine verbindliche Regelung, um ihr geplantes Investment in den Umbau endlich vorantreiben zu können.

„Dass bei der geplanten Kennzeichnung Bio eigenständig erkennbar sein soll, ist richtig. Denn Bio ist der höchste europäisch geregelte gesetzliche Standard für artgerechte Tierhaltung und wird von 10.000en Bäuerinnen und Bauern mit innovativen Ställen, viel Auslauf und Bio-Futter praktiziert. Die bei Bio vorgeschriebene flächengebundene Tierhaltung sorgt dafür, dass nur so viele Tiere auf der Fläche gehalten werden, wie für den Boden gut ist. Dies hat zudem positive Effekte für Klimaschutz und saubere Gewässer“, so Röhrig.

Da die jetzt vorgeschlagene Kennzeichnung zunächst Frischfleisch vom Schwein betreffe, sei es wichtig ist, dass Bundesagrarminister Cem Özdemir im nächsten Schritt auch verarbeitete Produkte, weitere Tierarten und die gesamte Lebenszeit der Tiere berücksichtige. Bei Bio umfasse die Kennzeichnung bereits heute all diese Bereiche.

„Damit der Umbau der Tierhaltung in der Breite gelingen kann, ist es wichtig, dass die Bundesregierung einen finanziellen Ausgleich für den erhöhten Aufwand einer besseren Haltung honoriert. Die Borchert-Kommission hat dafür Vorschläge vorgelegt. Ebenso für die Finanzierung eines solchen Programms. Das Ordnungsrecht und seine Umsetzung müssen verbessert werden, um die Vorgaben für Schlachtung und Transport der Tiere zu verbessern“, erklärt der BÖLW-Geschäftsführer abschließend.

Einen „Meilenstein für den Umbau“ sieht Bioland in der Tierhaltungskennzeichnung mit eigener Bio-Stufe. "Gut ist, dass die geplante Kennzeichnung im Gegensatz zu früheren Initiativen der Vorgänger-Regierung verpflichtend sein wird. Dass das Gesetz auch eine eigene Bio-Stufe beinhaltet, ist folgerichtig, denn Bio-Betriebe erbringen besondere Leistungen für Tier und Umwelt – und das sollen Verbraucher*innen auch klar erkennen können", sagt Bioland-Präsident Jan Plagge.

Die Haltungskennzeichnung, die schrittweise eingeführt werde und zunächst für frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch gelte, solle laut Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir begleitet werden von einem Umbau der Tierhaltung in Deutschland. “Der Umbau der Tierhaltung zu besserer und verantwortungsvollerer Tierhaltung mit mehr Tierwohl und weniger Umweltschäden ist dringend nötig - auch um das Bio-Ziel von 30 Prozent bis 2030 zu erreichen”, so Plagge. “Die Tierhaltungskennzeichnung ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg dahin. Und sie gibt den Betrieben Orientierung für den Umbau ihrer Ställe.”

Die zukünftig für den Umbau der Nutztierhaltung aufgebrachten Gelder sollen nach Ansicht von Bioland prioritär für die Haltungsformen eingesetzt werden, die am meisten leisten für das Tierwohl und die Umwelt, und das seien die Haltungsformen Bio und Auslauf/Freiland.

25.10.2022
Von: FebL/PM

Welcher Stufenplan für den Ringelschwanz? Foto: FebL