Kritik am Gesetzentwurf zur Anpassung der Tierhaltungsanlagen an die Tierhaltungskennzeichnung

Im Rahmen einer Anhörung im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen des Bundestages ist das Vorhaben der Bundesregierung, mehr Tierwohl durch Stallumbau zu gewährleisten, von den geladenen Sachverständigen im Grundsatz zwar begrüßt worden, der vorliegende Gesetzentwurf mit dem Titel „Erleichterung der baulichen Anpassung von Tierhaltungsanlagen an die Anforderungen des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes“ (220/642) wurde quasi übereinstimmend, wenngleich auch aus unterschiedlichster Interessenslage heraus und dementsprechend formulierten Änderungswünschen, jedoch deutlich kritisiert.

Jochen Dettmer, Landwirt, Vorstandssprecher des NEULAND e.V., dem Verein für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung, und als Experte bei der öffentlichen Anhörung begrüßt die Änderung des Baugesetzbuches zur Privilegierung    gewerblicher Tierhaltung und hält Bestandeserweiterungen auch für kleine Betriebe für notwendig. „Grundsätzlich ist der Gesetzentwurf der Ampelkoalition zu begrüßen, da er damit einen  Beitrag leistet, die Nutztierhaltung in Deutschland im Sinne einer Steigerung von besonders tiergerechten Haltungsverfahren, umzubauen. Die Aufnahme bestimmter gewerblicher Tierhaltungsanlagen in die Privilegierung nach § 35 Absatz 1 Nummer 4 des Baugesetzbuchs (BauGB) schließt damit eine Lücke und ist zu begrüßen. Dieses Anliegen wurde auch schon in der Borchert-Kommission geäußert. Das Ziel zur Erreichung des Umbaus der Nutztierhaltung, im Sinne einer hohen gesellschaftlichen Akzeptanz und mehr Tierwohl, lässt sich aber nur in einem Gesamtkonzept, wie es die Borchert-Kommission schon im Jahr 2021 vorgeschlagen hat, erreichen.“

Der Ampelkoalition ist nach Ansicht von Dettmer positiv anzurechnen, dass sie nach Stillstand der Vorgängerregierungen, nun endlich konkrete Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht hat, um dieses Ziel zu erreichen. Das am 5.4.23 im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft behandelte Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (Drucksache 20/4822) weist seiner Ansicht nach allerdings noch erheblich Lücken auf und sollte bezüglich der tierwohlbezogenen Kriterien der einzelnen Haltungsstufen (Fehlen von Sauen und Ferkeln) und beim Thema  Downgrading und Behandlung ausländischer Ware, noch nachgebessert werden. „Da der hier vorliegende Gesetzentwurf inhaltlich mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz korrespondiert, ist eine Nachbesserung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetz unerlässlich“, so Dettmer.

Bei den gewerblichen Betrieben, deren Anzahl durchaus wegen der hohen Flächenkonkurrenz noch steigen könnte, sollte jedoch eine Bestandserweiterung und Grundflächenerweiterung bis zur Höhe von Bestandsobergrenzen wie z.B. im Entwurf des Bundesprogrammes Stallumbau vorgeschlagen, möglich sein.

„Davon würden gerade kleinere Betriebe, Hofübernehmende und Existenzgründer profitieren, die auf dem Pachtmarkt keine Flächen mehr bekommen könnten“, so der NEULAND-Vorstandssprecher abschließend.

Noch „Sand im Getriebe“ sieht Petra Nüssle, Leiterin des Referats Agrar- und Lebensmittelrecht und Verbraucherschutz beim Deutschen Bauernverband. Der Gesetzentwurf biete weder eine „tragfähige Perspektive für Tierhalter“, noch seien die „Zielkonflikte zwischen Tierwohl und Immissionsschutz und Umweltrecht ausgeräumt“. Die Landwirte würden eher verunsichert, als dazu ermuntert, Stallumbauten in Angriff zu nehmen. Nüssle verwies auf die steigenden Importzahlen von Schweinefleisch, das vor allem aus Spanien komme. Ferner seien in etlichen EU-Ländern die Standards zur Fleischproduktion sehr viel geringer als in Deutschland, weshalb die Haltungsstufe „Stall und Platz“ in den Entwurf aufgenommen werden solle.

Deutlich Kritik an dem Gesetzentwurf kommt auch von Anne Hamester von Provieh. „Mit dem aktuellen Gesetzentwurf werden Haltungsbedingungen gefördert, die das Leiden von Schweinen statt ihr Wohlergehen fördern“, erklärt Hamester. Die Ausgestaltung durch die Grundlage des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes und die Förderung der Haltungsform „Frischluftstall“ seien daher ausdrücklich abzulehnen. Die Haltungsstufe „Frischluftstall“ beinhalte Ställe ohne Zugang nach draußen für alle Tiere, somit ohne frische Luft und Außenklimareize wie Regen, Sonne, Wind, ohne getrennte Funktionsbereiche zum Fressen, Koten, Spielen und Liegen, dafür aber mit gesundheitsschädlichen Vollspaltenböden. Diese Haltungsbedingungen führen nach Ansicht von Hamester zu haltungsbedingten Schäden und Leiden sowie zu der Verhaltensstörung des Schwanzbeißens. Solche Haltungsbedingungen würden mit dem aktuellen Gesetzentwurf für mindestens 20 Jahre zementiert werden. Dabei sei im Nachbarland Österreich ein solches Haltungssystem mit Vollspaltenböden „als tierquälerisch“ verboten.

 

 

10.05.2023
Von: FebL/PM

Anhoerung im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen des Bundestages. Bildquelle: Bundestag