Bundesrat mit zahlreichen Änderungsempfehlungen am Tierhaltungskennzeichnungsgesetz

Der Bundesrat hat die vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) vorgelegte verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung befürwortet, ihre Zustimmung aber mit zahlreichen Änderungsempfehlungen verbunden. Für die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) ist die Zustimmung „ein völlig falsches Signal“.

In der Sitzung des Bundesrates hatte Bundesminister Cem Özdemir noch einmal mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass es sich mit dem jetzt vorliegenden Entwurf für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz um „einen ersten Schritt“ hin zum Umbau der Tierhaltung handele. An weiteren Schritten werde in seinem Haus bereits gearbeitet. In seiner Rede erwähnte er auch eine Reihe der Kritikpunkte an dem Entwurf, ließ jedoch nicht erkennen, dass diese und damit verbundene Veränderungswünsche noch berücksichtigt werden könnten. Das legt auch die nach der Bundesratssitzung vom BMEL veröffentlichte Pressemitteilung nahe. „Bundesrat befürwortet verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung“ lautet die dortige Botschaft, auf die Änderungsempfehlungen wird nicht eingegangen.

"Mit der Tierhaltungskennzeichnung ist es wie mit einem Marathon, heute hat der Gesetzentwurf im Bundesrat eine weitere wichtige Etappe genommen. Wir sind also voll im Zeitplan, nachdem 16 Jahre nichts passiert ist. Wir beginnen mit unverarbeitetem Schweinefleisch – weitere Produktionsstufen, Vermarktungswege und Tierarten werden folgen. Wenn man den ersten Schritt nicht geht, kommen wir am Ende gar nicht voran. Ziel ist, dass in Zukunft jedes Fleisch an jeder Verkaufsstelle verbindlich gekennzeichnet wird", erklärt der Minister nach der Bundesratssitzung. 
Der Umbau zu einer zukunftsfesten Tierhaltung sei dringend notwendig. Seit Jahren sei viel geredet geworden, passiert sei aber nichts. Landwirtinnen und Landwirte wurden lange allein gelassen. Betriebe mussten entweder wachsen oder weichen. Das habe dazu geführt, dass viele aufgegeben haben oder kurz davorstehen. „Deshalb ist auch klar: Die Veränderungsbereitschaft der Landwirtinnen und Landwirte muss uns dann als Gesellschaft auch an der Ladentheke etwas Wert sein. In dieser Woche haben wir dazu einen wichtigen Pflock eingeschlagen. Wir haben im Bundeshaushalt die Grundlagen für ein Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung geschaffen", so Özdemir. Aufgrund der akuten Probleme in der Schweinehaltung soll in diesem Bereich begonnen und auch die tiergerechte Sauenhaltung unterstützt werden. Das Bundesprogramm soll Investitionen in Stallbaumaßnahmen zur Einhaltung höherer Tierschutzstandards fördern. Darüber hinaus – und das sei entscheidend – sollen auch die laufenden Mehrkosten, die durch die Einhaltung höherer Tierwohlstandards entstehen, gefördert werden. Neben der Erfüllung von haltungsbezogenen Kriterien sollen hier insbesondere auch Tierwohlindikatoren wie beispielsweise ein intakter Ringelschwanz berücksichtigt werden. "Wir streben bei den laufenden Mehrkosten Verträge mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren an. So können wir den Landwirtinnen und Landwirten eine verlässliche Planungssicherheit bieten", erklärt der Minister.

Änderungsempfehlungen des Bundesrates

In seinen Beschlüssen fordert der Bundesrat die Bundesregierung unter anderem auf, eine verbindliche Kennzeichnungspflicht für inländische und ausländische Waren anzustreben, um einen effektiven Tierschutz durchzusetzen, neben der Tierart Schwein auch andere Tierarten einzubeziehen sowie weitere Vermarktungswege besonders der Bereich der Außer-Haus-Verpflegung sowie der Gastronomie als auch verarbeitete Ware in das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz aufzunehmen. Bei der Tierart Schwein sei auch die der Mast vorgelagerte Ferkelerzeugung und Sauenhaltung in die Regelung einzubeziehen. Und er fordert, den Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland auf der Grundlage der breit abgestimmten Vorschläge der Borchert-Kommission voranzutreiben, den aktuellen Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der Anmerkungen der Länder zu überarbeiten und die Finanzierung des Umbaus der Nutztierhaltung dauerhaft und verbindlich sicherzustellen.

ISN: Korrigierendes Eingreifen noch möglich

„Noch können die Abgeordneten des Bundestages korrigierend eingreifen und die Benachteiligung deutscher Schweinehalter verhindern“, heißt es von der ISN mit Blick auf die womöglich noch in erster Lesung vor Weihnachten im Bundestag stattfindenden parlamentarische Behandlung.

Auch wenn eine Ablehnung des Bundesrates gemäß der Empfehlung des dortigen Agrarausschusses, der eine Ablehnung empfohlen hatte, ohnehin nur die Wirkung eines Einspruchs gehabt hätte, den der Bundestag mit entsprechender Mehrheit hätte ablehnen können, so ist die jetzt erfolgte Bundesrats-Zustimmung „ein völlig falsches Signal“. Die Parteipolitik habe am Ende gewonnen. „Dabei ist es besonders bemerkenswert, dass gleichzeitig verschiedene Empfehlungen mehrheitlich beschieden wurden, in denen glasklar auf wesentliche Kritikpunkte zum Gesetz eingegangen wird und durch die der ganze Murks in dem Gesetzesentwurf noch einmal deutlich wird“, heißt es von der ISN.

Selten habe es eine derart breite Kritik an einem Gesetzentwurf gegeben. Mit unvorstellbarer Ignoranz will die Bundesregierung und allen voran der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir aber trotz aller Kritik den mit zahlreichen Mängeln behafteten Gesetzentwurf durchboxen – zum Nachteil der deutschen Schweinehalter, aber auch zum Nachteil der Transparenz für den Verbraucher, stellt ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack fest und führt weiter aus: „Die Mängel des Gesetzes haben wir – wie viele andere auch – hinlänglich beschrieben. Wir fordern die Bundestagsabgeordneten auf, sich intensiv mit den Kritikpunkten auseinander zu setzen, sich auch die mit beschiedenen Empfehlungen genau anzuschauen und nicht nur nach Parteibuch zu entscheiden. Denn sollte der Entwurf auch im Bundestag durchlaufen, müssen ganz schnell weitere Schritte folgen, die schon gleichzeitig hätten erfolgen müssen. Neben dem Frischfleisch im Lebenseinzelhandel muss sehr schnell auch die verarbeite Ware, die weiteren Absatzkanäle für Fleisch sowie auch weitere Tierarten in den Geltungsbereich einbezogen werden. Besonders wichtig ist es, die Betriebe in die Lage zu versetzen, ihre Ställe überhaupt anpassen zu können. Dafür sind dringend entsprechende Anpassungen im Genehmigungs- und Umweltrecht notwendig. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Benachteiligung deutscher Schweinehalter fordern wir erneut mit allem Nachdruck auch das Vorantreiben einer verbindlichen Herkunftskennzeichnung.“

29.11.2022
Von: FebL/PM

Der Bundesrat hat über zahlreiche Änderungswünsche am Entwurf zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz abgestimmt. Bildquelle: Bundesrat