Tierwohl durch die Förderungshintertür - Geh-Ampel bei der Tierhaltung?

Die Ampel hat sich beim Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung (THKG) geeinigt. Das Regierungs-Schauspiel von monatelangen Streitereien, dauernden Konsultationen und überschwänglichem Eigenlob lässt sich auch in der Tierhaltungspolitik beschreiben. Drei Jahre nach Vorlage der Empfehlungen der Borchert-Kommission hat sich die Koalition nun auf ein Gesetz zur Tierhaltungskennzeichnung und in Teilen (Baurecht und ansatzweise Immissionsrecht) auf einen Umbau der Mastschweinehaltung verständigt. Obwohl der entscheidende Punkt - die Finanzierung – noch vieles offen lässt, überschlagen sich schon jetzt die Koalitionäre mit großen Worten von – ganz im Stile des Kanzlers - sehr, sehr, sehr guten Ergebnissen. SPD-Verhandler Matthias Miersch spricht von einem Durchbruch bei Transparenz, fairem Wettbewerb und mehr Tierwohl. FDP-Sprecherin Carina Konrad lobt den „Grundstein für eine marktwirtschaftliche Weiterentwicklung der Tierhaltung“ und Jutta Verlinden von der Grünen-Fraktion nannte die verpflichtende Kennzeichnung einen „großen Erfolg und starken Anfang für die Ampel“, die perspektivisch Teil einer Gesamtstrategie zum Umbau einer tier- und klimagerechten, zukunftsfähigen Tierhaltung sei.

Tatsächlich hat man ein von nahezu allen Agrar-, Umwelt- und Tierschutzorganisationen seit Monaten heftig kritisiertes Gesetz – leicht modifiziert – beschlossen und zur Notifizierung bei der EU angemeldet mit dem Ziel der Beschlussfassung durch den Bundestag vor der Sommerpause. Beim Tierwohl hat sich nichts verbessert, im Gegenteil wurde der Platzbedarf für die Stufe 2 (der mengenmäßig größten Stufe) fast halbiert. Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder bleibt bei seiner Bewertung:“ Lieber kein Tierhaltungskennzeichen als das, was bislang aus dem BMEL kommt.“ (s. Bauernstimme Nachrichten v. 29.3.2023) Bei der alleinigen Begrenzung auf frisches Schweinefleisch in Fleischtheken ist es geblieben. Keine Sauen oder Ferkel, keine anderen Tierarten, keine Fleisch- und Wurstwaren, keine Gastronomie usw. Es geht um 20% des Schweinefleisches und um 60% des Lebenszyklus eines Schweines.

Förderung nur für höhere Tierwohlstufen

Für alle Beteiligten ist seit langem klar, dass sich an der Finanzierung die Zukunft der Schweinehaltung entscheidet. Die Unzulänglichkeit des THKG beim Tierwohl muss durch eine Förderung ausgeglichen werden. Hier muss und wird es zum Schwur kommen, ob ein Umbau der Schweinehaltung überhaupt eine Chance hat und von den Bäuerinnen und Bauern angenommen und umgesetzt wird.

Ein aktueller Entwurf zur Förderung liegt den Verbänden bis Ostern zur Stellungnahme vor. Bei der Förderung könnte man im Unterschied zum THKG Überlegungen der Borchert-Kommission entdecken, wird in NGO-Verbänden gemutmaßt.

Im Einzelnen:
Gefördert werden sollen nur Betriebe bzw. Ställe der Stufen 3 (Frischluft), 4 (Auslauf/Weide) und 5 (Bio). Betriebe, die die Premiumanforderungen erfüllen, können für die bauliche Investition bzw. zum Ausgleich der laufenden Mehraufwendungen jährliche Zuwendungen erhalten, heißt es im Entwurf. Besonders interessant und auch entscheidend für eine Teilnahme an den höherwertigen Stufen ist die Subventionierung dieser laufenden Kosten, die lange Zeit umstritten war.
Diese Förderung kann ab dem 1. Oktober 2023 bis zum Ablauf des 31.12.2033 erfolgen. „Der Förderzeitraum gliedert sich in die Förderjahre, die den Kalenderjahren entsprechen.“ Damit ist z.T. die Forderung vieler landwirtschaftlicher Organisationen aufgenommen, die eine langfristige Planbarkeit verlangten. Dabei ist nach Auskunft der AbL der 10-Jahreszeitraum die unterste Grenze. Viele hätten sich 15-20 Jahre gewünscht.
Problematischer ist die jährliche Festsetzung für die Förderhöhe. Damit ist man der politischen Entscheidung ausgesetzt, die je nach Haushaltsmitteln bzw. Teilnehmerzahl den Betrag erhöhen oder senken kann. Eine Planungssicherheit ist damit nicht oder nur begrenzt gegeben. Eine ausreichende Perspektive ist etwas Anderes.

Art und Umfang, Höhe der Zuwendungen

Über die Einzelheiten der Förderung wird sicherlich in den nächsten Monaten noch heftig diskutiert. Wie immer bei Fördersummen und -grenzen kann man über die Sinnhaftigkeit streiten. Immerhin hat das BMEL seine Kriterien offengelegt, und das Feuer ist damit je nach Interessenlage eröffnet.

Nach Vorlage des Ministeriums kann „eine Zuwendung (...) als nicht rückzahlbarer Zuschuss für förderfähige Ausgaben gewährt werden. Der Fördersatz beträgt

  • Bis zu 80% der förderfähigen Ausgaben pro Tier für Tierzahlen bis zur Obergrenze der Stufe 1 und
  • bis zu 70% der förderfähigen Ausgaben pro Tier der Obergrenze der Stufe 2, für die Anzahl der Tiere, die über der Obergrenze der Stufe 1 hinausgehen.“

Mit Stufe 1 ist hier nicht die Tierhaltungsstufe gekennzeichnet, sondern die Bestandsobergrenze. Für Sauen gilt es bis 50 Sauen, für Ferkelaufzucht 1.500 Ferkel und für Mastschweine 1.500 pro Jahr geschlachtete Masttiere. Die Stufe 2 gilt bis 200 Sauen, 6.000 Ferkel bzw. 6.000 Mastschweine. Die Zuwendung je Tier darf in einem Förderjahr den Betrag von 750 € multipliziert mit einem festgelegten Faktor nicht übersteigen. Der Faktor für Sauen ist 0,5, für aufgezogene Ferkel 0,03 und für Mastschweine 0,05. Das bedeutet, dass eine Sau maximal mit 375 €, Ferkel mit 22,50 € und Mastschweine mit 37,50 € gefördert werden – und davon eben 80% bzw. 70% je nach Förderstufe.

Selbst für Kritiker ist die Förderhöhe erstaunlich, aber der Pferdefuß folgt: “Die Gewährung der Förderung steht unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit der jeweils erforderlichen Haushaltsmittel. Soweit die Mittel nicht ausreichen, so werden die Zuwendungen entsprechend dem Anteil der maximal zulässigen Zuwendung an der Gesamtsumme aller maximal zulässigen Zuwendungen des Förderjahres berücksichtigt (pro-rata). Zuwendungen für Tierzahlen jenseits der Obergrenze Stufe 1 dürfen nur gewährt werden, soweit die dafür eingesetzten Haushaltsmittel nicht für Tierzahlen unterhalb derselben benötigt werden.“

Damit ist eine deutliche Priorisierung der kleineren Tiereinheiten vorgegeben, was einer alten Forderung gerade der klein- und mittleren Betriebsinhaber entspricht.

Ehrgeizige Tierwohlkriterien

Auch bei den Tierwohlkriterien hat sich das BMEL im Unterschied zum THKG einiges vorgenommen. Es können hier nur eine wenige wichtige Kriterien genannt werden.
Die Sauen sind in die Förderung einbezogen und mit Tierwohlanforderungen belegt. Sauen und Ferkel haben einen Mindestplatzbedarf einzuhalten - Absatzferkel in Stufe 3 (Frischluft) von 0,49 qm und in Stufe 4 (Auslauf) 0,71 qm. Bei freier Abferkelung benötigt die Sau mind. 7,5qm uneingeschränkt zugängliche Fläche. Außerdem ist eine „Komfortliegefläche (z.B. Gummimatte im Schulterbereich)“ plus Nestbaumaterial auszuweisen.
Für Absatzferkel, Zuchtläufer und Mastschweine müssen mind. 70% der Tiere je Haltungseinheit einen intakten unkupierten Ringelschwanz aufweisen, bis die Tiere den Betrieb verlassen.

Es folgen noch Anforderungen zu Liegebereich, Beschäftigungsmaterial, Einstreu, Tränkenarten, Tageslicht, zu Ebern, Fortbildung usw. Zudem „darf der Viehbesatz des zu fördernden landwirtschaftlichen Unternehmens grundsätzlich 2,0 GVE je Hektar selbstbewirtschafteter Nutzfläche nicht überschreiten.“

Das Paket ist umfangreich und wird heftige Diskussionen auslösen. Aber selbst Kritiker müssen zugestehen, dass es die Mühe lohnt. Vielleicht nimmt die Tierwohldiskussion doch noch Fahrt auf.

Über die Förderung und Anforderungen der investiven Maßnahmen sowie Änderungen im Baurecht und im Immissionsrecht berichten die Bauernstimme Nachrichten in der nächsten Ausgabe.

hg

05.04.2023
Von: hg

Das Ministerium kommt mit Einzelheiten zur Förderung des Umbaus in der Tierhaltung um die Ecke. Foto: FebL