Versagen beim Tierschutz hat der wiedergewählte Präsident des Deutschen Tierschutzbundes der Bundesregierung vorgeworfen. In einem Interview mit der Lebensmittelzeitung kritisiert er Minister Özdemir, dass er schon zwei Jahre für den Tierschutz verspielt habe. Zwar sieht er die FDP besonders in der Blockadehaltung, aber „bei der Dreier-Ampel sind es dann zwei, die sich blockieren lassen.“ Er fände es geradezu tragisch, wenn ausgerechnet unter einem grünen Bundesminister beim praktischen Tierschutz in der Fläche „das Licht ausgeht“.
Tierhaltungskennzeichen „Verrat an den Tieren“
Für besonders unzureichend hält Schröder das staatliche Haltungskennzeichen. „Das ist kein Tierschutzzeichen. Das ist eine reine Sortierung der Marktlage. Kein einziges Tier kommt mit diesem Zeichen in eine bessere Haltung. Dabei geht es mir nicht nur darum, um Quadratzentimeter an mehr Platz zu feilschen. Ich kritisiere, dass es allein um die Haltung geht, während Transport und Schlachtung keine Rolle spielen: Im Grundsatz ist das Tierhaltungskennzeichen in dieser Form ein strategischer Fehler. Die Stufen ‚Stall‘ und ‚Stall+ Platz‘ werden durch das staatliche Siegel nun legitimiert und vermutlich auf Dauer zementiert. Es ist eine Katastrophe. Die Stufen gehören verboten und nicht gesiegelt durch den Staat. Ich sage, die Entscheidung der Regierung und dann der Bundestagsmehrheit ist ein Verrat an den Tieren.“
Es fehle ein Stufenmodell, das für Landwirte über mehrere Jahre einen Anreiz schaffe, „in die höhere Stufe zu rutschen oder eben aufzuhören. Mit einer entsprechenden Fördersumme wäre das gegangen. Die Mehrheit der Gesellschaft hätte das goutiert. Der Markt allein wird das nicht schaffen.“
Kritik auch an Aldi und Co.
Aber auch die Einzelhandelskonzerne, die Initiative Tierwohl und das Haltungsform-Konzept (HF) bekommen „ihr Fett weg“. Zwar sei die Umstellung auf HF 3 für Puten bei Aldi Süd sowie für Milch und Rindfleisch bei Aldi und Lidl ein Fortschritt, bei Puten bleibe aber weiterhin das schmerzhafte Schnabelkürzen erlaubt. „Dafür findet die HF keine Lösung und es fehlt der Mut zu sagen, dann gibt es eben kein Putenfleisch. Haltungsform und besonders Aldi Süd sollten daher Demut zeigen und keine Feierlaune.“
Für Rinder fordert Schröder ein Ende der Anbindehaltung in spätestens zehn Jahren mithilfe des Ordnungsrechts. Aktuell sehe es aber so aus, dass die Anbindehaltung bis 50 Tiere erlaubt bleibe. „Das ist Tierqual. Das gilt auch für die saisonale Anbindehaltung, die ja auch bei Bio, also in der HF 4, möglich ist“, so Schröder.
Andererseits sorge die Haltungsform auch für Rückschritte im Tierschutz. Der Handel suche für die Stufe 3 Programme nur Grundkriterien zusammen. Es gehe ihm dabei um Menge, nicht um Qualität. Haltungsform sei so zum Kriteriengeber geworden. Auch andere Marktbeobachter sehen im LEH quasi einen Gesetzgeber-Ersatz, ohne einen Preis- oder Finanzierungsangebot zu machen. Schröder: „Es spielt keine Rolle mehr, ob ein Bauer mehr tut, als er muss. Er bekommt es nicht bezahlt. Das wird dazu führen, dass Pioniere im Tierschutz ihr Engagement wieder zurückfahren werden.“
Label „Für mehr Tierschutz“ in Gefahr
In der Folge sieht der Tierschutzbund sein eigenes Label „Für Mehr Tierschutz“, das nahezu ausschließlich im Einzelhandel vermarktet wird, in einer schwierigen Lage. Trotz der Teilnahme von 538 Betrieben mit rund 3,5 Mio. Tieren ist Schröder selbstkritisch. „Aber wir sind nicht wie geplant in der Breite präsent“. Die Vision bleibe: Kein Tier solle mehr für den menschlichen Nutzen leiden oder getötet werden. Was wirtschaftlich schwierig sei, sei politisch ein Erfolg. „Ohne uns hätte es die Debatte um Transparenz am Regal nicht gegeben. Ohne uns gibt es kein Tierschutzkennzeichen im Markt“, ist er überzeugt und wiederholt sein Credo, dass das Label für die sei, die „noch Fleisch essen“.
70% weniger Fleischkonsum bis 2030
Der Erfolgsweg stockt und aus den eigenen Reihen verstärkt sich die Kritik, ob man damit nicht den Fleischkonsum ankurbele. Deshalb beeilt sich der Präsident des Tierschutzbundes, die Grundsatzposition zu bestätigen, „die Produktion und den Konsum tierischer Lebensmittel drastisch zu reduzieren und die Ernährungspolitik, stärker auf pflanzliche Ernährung auszurichten. Das Ziel muss sein: 70 Prozent Reduktion des Konsums tierischer Proteine bis 2030. Ich wiederhole es gerne immer wieder: Es gibt kein Menschenrecht auf Fleisch; erst recht kein Menschenrecht auf Billigfleisch. Es gibt ein Menschenrecht auf Ernährung.“