Die Freude beim Tierschutzbund währte nur kurz: Nachdem im vorläufigen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zum neuen Tierschutzgesetz unter §1 festgehalten wurde, dass bei „Abwägung schutzwürdiger menschlicher Interessen mit dem Tierschutz wirtschaftliches Interesse keinen vernünftigen Grund für eine Beeinträchtigung von Leben und Wohlbefinden eines Tieres“ darstelle, wurde dieser Satz im Rahmen der Ressortabstimmung laut einer Mitteilung des Tierschutzbundes wieder gestrichen. Ein Skandal, kommentiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.
„Welches Bundesministerium auch immer diese Streichung verantwortet, steht offenbar in einer Schuld beim Deutschen Bauernverband. Dessen Generalsekretär hatte beim Erstentwurf von einem ‘Verbot jeglicher Form der landwirtschaftlichen Tierhaltung‘ schwadroniert. Es verwundert schon, wie ein Wunsch eines Tiernutzerverbandes so unverzüglich umgesetzt wird. Wir erwarten, dass Bundesminister Cem Özdemir das nicht hinnimmt und für seinen Erstaufschlag kämpft“, so Schröder.
Mit dem jetzt gestrichenen Satz sei lediglich formuliert worden, was spätestens seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Praxis des Tötens männlicher Küken aus dem Jahr 2019 geltendes Recht ist. „Wer sich jetzt dafür einsetzt, diese Ergänzung des Tierschutzgesetzes zu streichen, der missachtet vorsätzlich die höchstrichterliche Rechtsprechung und tritt das Staatsziel Tierschutz mit Füßen. Das kann nicht im Sinne der Ampelkoalitionäre sein. Die Parlamentarier der Regierungskoalition werden das Gesetz am Ende beschließen, dabei muss das Staatsziel Tierschutz an Bedeutung gestärkt anstatt zurückgestuft werden“, fordert der Tierschutzbund-Präsident.
Der Bauernverband hatte nach Bekanntwerden des Referentenentwurfs schwerwiegende rechtliche Bedenken geltend gemacht. DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken bezeichnete gegenüber Agra Europe die vorgesehene Ergänzung von §1 des Tierschutzgesetzes als "äußerst bedenklich". Krüsken zufolge sei die Formulierung unter §1 unscharf und bis zum Verbot jeglicher Nutztierhaltung auslegbar. Sie könne in letzter Konsequenz das Ende der landwirtschaftlichen Tierhaltung bedeuten und dürfe so nicht stehenbleiben.