„Wir sind beim Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (THKG) einen ersten großen Schritt weiter. Wir haben das Gesetz zur abschließenden Beratung am 19.4. im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft auf die Tagesordnung gesetzt. Im Juni soll es dann zusammen mit dem dazugehörenden Baurecht im Plenum des Bundestages verabschiedet werden. Anfang Juli soll es dann im Bundesrat beschlossen werden.“ So verkündet es die Fraktion der Grünen diese Woche. Bereits Ende März haben sich die Ampelfraktionen auf einen neuen, leicht geänderten Gesetzentwurf geeinigt und ihn zur Notifizierung nach Brüssel gemeldet. Da der alte Entwurf bereits von der EU genehmigt wurde, gehen alle Beobachter davon aus, dass auch dieser Entwurf zur THKG die EU-Hürden nehmen wird.
Instrumentenkasten statt Gesamtentwurf
Was die Regierung als großen Erfolg feiert, wird in der landwirtschaftlichen und NGO- Szene sehr kritisch gesehen und weiterhin abgelehnt. Es fehle ein Gesamtkonzept (nur Mastschweine, keine Sauen; keine Kennzeichnung ausländischer Waren; statt Tierwohl-Leitzielen nur enge Platzanforderungen usw.), klagen einhellig die landwirtschaftlichen Organisationen von AbL, Neuland bis ISN und DBV über die „Ignoranz“ (ISN-Geschäftsführer Staack) des Ministeriums.
Frust macht sich breit, dabei geht es doch jetzt erst richtig los. Denn, so auch die Borchert-Kommission, entscheidend ist nicht die Kennzeichnung, sondern die Finanzierung.
„Wir stellen einen kompletten Instrumentenkasten zusammen,“ tönt es aus dem BMEL von der Kennzeichnung über die Förderung bis zum Baurecht und Immissionsrecht. Und tatsächlich hat das BMEL neben dem THKG einen ersten Richtlinienentwurf zur Förderung in einem Bundesprogramm an die Länder und Verbände zur Stellungnahme geschickt. Auch Details zu einem neuen Baurecht wurden bekannt. (Über das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz und die Förderung laufender Maßnahmen wurde bereits in der Nummer der „Bauernstimme Nachrichten“ vom 5.4.2023 berichtet.)
Förderung investiver Maßnahmen
Nach bisherigem Erkenntnisstand soll der größere Teil der Förderung im Bundesprogramm für investive Maßnahmen bereitgestellt werden (etwa 100 Mio. der insgesamt 150 Mio. € in 2023). Förderfähig sind nur Betriebe der Haltungsformen 3 (Frischluft), 4 (Auslauf/ Weide) und 5 (Bio). Finanziell unterstützt sollen Investitionen werden, die dem Stallbau, dem Stallumbau, dem Stallersatzbau oder der Umsetzung von Betriebskonzepten dienen, wenn sie nicht zur Erweiterung der Tierhaltungskapazitäten führen und deren Viehbesatz 2GVE/ ha nicht übersteigt.
Für förderfähige Ausgaben bis zu 500.000 € kann eine Zuwendung von 60% gegeben werden, für Investitionen bis 2 Mio. € stehen 50% zur Verfügung. Der maximale Zuwendungsbetrag darf 1,05 Mio. pro Jahr und Betrieb nicht überschreiten. Beobachter interpretieren es so, dass ein Betrieb „schrittweise im Verlaufe mehrerer Jahre“ den Umbau bewerkstelligen kann, was gerade für den Sauen/Ferkelbereich sinnvoll und notwendig ist. Demnach kann man z.B. das Deckzentrum, die Ferkelaufzucht und den Abferkelbereich getrennt umbauen und fördern lassen. Kritisch merken manche Stallbauberater allerdings an, dass es angesichts der begrenzten Haushaltsmittel passieren kann, dass eine Förderung für einen Bereich gegeben wird, für andere später dann nicht. Eine investive Förderung kann durchaus in Schritten erfolgen, darf aber das Gesamtkonzept nicht ausbremsen. Der DBV fordert zudem eine Verknüpfungsregelung für investive und laufende Kosten, da sonst die Mehraufwendungen für die umbauenden Betriebe nicht planbar sind. (Ein mit Investitionsförderung (um)gebauter Stall ohne Förderung laufender Mehrkosten würde zu einem unplanbaren Risiko werden.) Andererseits würde das bei begrenzten Mitteln eine Eingrenzung auf weniger Betriebe zur Folge haben. Diese Eingrenzung könnte aber – so der DBV – zu einem Mitnahmeeffekt für bestehende Betriebe in Premiumprogrammen führen. Seine Befürchtung steht im Raum, dass zu wenig Wachstumsbetriebe in den Genuss der Förderung kommen könnten.
Während die AbL und Neuland die Förderobergrenzen und die Staffelung besonders bei laufenden Kosten ausdrücklich begrüßen, stoßen sie beim DBV auf wenig Gegenliebe.
Baurechtsänderungen
Beim Baurecht haben sich die Ampelfraktionen auf ein Kompromisspapier verständigt. Es wird eine baurechtliche Privilegierung für den Umbau von Ställen geben, wenn die vorhandene Tierhaltung auf eine höhere Stufe wechselt. Allerdings darf sich die Zahl der Tierplätze nicht erhöhen. Leichte Unterschiede gibt es für Bauten vor September 2013 gegenüber Bauten danach, die keine landwirtschaftlich Privilegierung haben. Ställe mit Haltungsformen 3 bis 5 erhalten eine baurechtliche Privilegierung. Ersatzbauten können auch an anderer Stelle als dem Standort des Altgebäudes errichtet werden, wenn das Altgebäude anschließend abgerissen wird. Ein räumlicher Zusammenhang muss aber gegeben sein.
Selbst der Bauernverband, der lange Zeit besonders heftig neue Bauregelungen eingefordert hat, kann mit den Vorstellungen zum Baurecht leben. „Die Mehrheit der Betriebe kann mit den vorgeschlagenen Regelungen Tierwohlumbauten bauplanungsrechtlich vollziehen“, heißt es in einem Vermerk.
Auf eine gemeinsame Linie zum Immissionsrecht konnten sich das Landwirtschafts- und das Umweltministerium bisher noch nicht einigen.
Aufbruch – aber wohin?
Für den Beobachter bleibt es die Quadratur des Kreises. Viele Betriebe umstellen zu wollen, Abbau der Tierzahlen und wenig Mittel zur Förderung zu vergeben, wird nach Meinung aller Branchenkenner nicht funktionieren und einen Flickenteppich von Anforderungen, bürokratischen Ungerechtigkeiten und „Härtefällen“ nach sich ziehen. Entscheidend ist letztlich – wie beim Fußball - auf dem Platz/Betrieb, also ob der/die Landwirt/in umbaut und Vertrauen in die staatlichen Maßnahmen und ihre praktische Umsetzbarkeit gewinnt. Davon sind das THKG und die Richtlinienentwürfe noch weit entfernt. Mit ihrem Abrücken von der Einigkeit der Empfehlungen der Borchert-Kommission und ihren sprunghaften Beschlüssen hat das Ministerium viel Vertrauen verspielt. Jetzt, wenn es konkret wird, zeigen sich die Auswirkungen der Pläne. Wer bekommt was und wieviel, und wer bekommt nichts und warum nicht? Hoffentlich bekommen die Kassandra-Rufer nicht recht, die schon tiefe Streitigkeiten in den Dörfern befürchten – wie bei den Milchquoten. Aber vielleicht gibt es schon zu wenig Schweinebauern, als dass sich ein Dorfstreit lohnt.