Nächste Runde und nächster Zoff um Tierhaltung, Finanzierung und Baurecht

Politikbeobachtungen von Hugo Gödde

Immerhin: es kommt Bewegung in die Diskussion um den Umbau der Schweinehaltung. Nachdem sich der Zoff um das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (THKG) nach dem Kabinettsentscheid auf die parlamentarische Ebene verlagert hat, kommen nun Fragen bzw. Regierungsentwürfe zur Finanzierung/Förderung und zum Baurecht auf die Tagesordnung.
32 Verbände und Vereine – vom Tierschutz, Umweltschutz bis zur Landwirtschaft - haben zum Gesetz eine Stellungnahme abgegeben. Nahezu alle bewerten das Vorhaben kritisch, sehr kritisch oder lehnen es ab. Die Vorbehalte richten sich weitgehend ähnlich auf zu geringe Tierwohlanforderungen, Defizite bei Transparenz und Glaubwürdigkeit für die Verbraucher sowie die fehlende Finanzierung und Planungssicherheit für die Landwirte.

Finanzierung durch Bundesprogramm

Zur Finanzierung des Umbaus hat sich das Ministerium nun mit den Regierungsfraktionen auf ein Bundesprogramm verständigt, mit dem sowohl investive als auch laufende Mehraufwendungen („konsumtive Kosten“) gefördert werden sollen. Damit ersetzt dieses Programm die bisherigen Stallbauförderung, zunächst für Schweineställe, aus der Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern, mit der bisher auch Mittel der EU abgerufen werden können. In der Finanzplanung sind insgesamt 1 Mrd. € von 2023 bis 2026 beschlossen. Nach derzeitiger Planung verteilen sich die Gelder wie folgt: 2023: 150 Mio., 2024: 250 Mio., 2025: 350 Mio., 2026: 250 Mio.€. Damit soll eine Anschubfinanzierung ermöglicht werden. Von den 150 Mio. € im kommenden Jahr sind 100 Mio. für Investitionen und 50 Mio. für laufende Kosten vorgesehen, aber die Abgrenzung gilt als beweglich.
Die Ausgaben der Mittel sind allerdings gesperrt bis zur Vorlage eines Konzeptes zum Umbau der Tierhaltung und ihre Freigabe bedarf der Einwilligung durch den Haushaltsausschuss.

Kritik aus den Bundesländern

Die Pläne der Regierung werden von einer großen Zahl der Länderminister zurückgewiesen. CDU- geführte Landwirtschaftsminister kritisieren, dass der Bund die originären Aufgaben der Länder für die Agrarstruktur missachte und die Besonderheiten der Länder nicht berücksichtige. Ein Bundesprogramm, das für kleinere süddeutsche Strukturen ebenso gelte wie für ost- oder norddeutsche Großbetriebe, könne die Agrarstruktur nicht korrekt abbilden, erklärt Bayerns Landwirtschaftsministerin Kaniber. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Backhaus (obwohl SPD) stellt sich auf die Seite der Ablehner, weil „Planungssicherheit, vereinfachte Genehmigungsverfahren und finanzielle Unterstützung“ nicht gewährleistet seien. Das BMEL argumentiert dagegen, dass das Bundesprogramm nicht zustimmungspflichtig von den Ländern sei und außerdem sonst der Umbauprozess unnötig verzögert werde.

Förderung auch für Sauen, aber wie?

Die Höhe der Förderung soll sich bei den Investitionen nach den jeweiligen Gesamtbaukosten richten. Für die konsumtiven Kosten sollen die KTBL und das Thünen-Institut die Mehrkosten ermitteln, die einem typischen Betrieb der Schweinemast, aber auch der Sauenhaltung durch die Einhaltung der Kriterien auf den einzelnen Stufen entstehen.

Damit wird zum ersten Mal und im Unterschied zum Kennzeichnungsgesetz die Sauenhaltung in den Umbau einbezogen. Aber es bleibt offen, ob die Mehrkosten der Erzeugung nach der jeweiligen Stufe des Kennzeichnungsgesetzes gefördert werden sollen oder einzelne Maßnahmen, die über dem nach Inkrafttreten des Gesetzes festgestellten Tierwohlniveau liegen. Damit würde entweder die Erzeugung in einer Stufe mit einem festgesetzten Betrag oder einzelne Tierwohlmaßnahmen wie Einstreu, Ringelschwanznachweis oder freies Abferkeln gefördert werden – oder eine Kombination aus beiden.

Trotz einer positiven Bewertung auch aus der Mehrzahl von Verbänden aus Landwirtschaft, Umwelt- und Tierschutz, dass damit auch laufende Kosten integriert sind, überwiegt doch die Skepsis. Durch die Zahlung aus dem Bundeshaushalt gehen erhebliche Mittel der Länder und der Kofinanzierung durch die EU verloren, argumentiert auch die AbL. Besonders kontraproduktiv sei die Begrenzung auf den Zeitraum der Legislaturperiode, worauf die FDP bestehe. AbL-Vorsitzender Martin Schulz fordert eine Finanzierungszusage für den einzelnen Betrieb von 10 Jahren. „Mit vier Jahren gibt es keine Planungssicherheit und auch keine Perspektive, wenn ein Stall über 20 Jahre abgeschrieben wird.“ Das BMEL ist wohl weiterhin bemüht, Verpflichtungsermächtigungen von 10 Jahren mit dem Haushaltsausschuss zu vereinbaren. Auch Jochen Borchert, der Leiter des Kompetenznetzwerkes, hatte zuletzt mindestens einen solchen Zahlungshorizont angemahnt und als Bedingung für die Weiterarbeit der Kommission gestellt.

Außerdem stehen mit 50 Mio. € für laufende Maßnahmen viel zu wenig Mittel für einen Umbau zur Verfügung. Wenn nach Aussagen des BMEL 2 Mio. Schweine (einschl. Sauen?) in den Stufen 3 bis 5 jährlich gehalten werden, bliebe schon auf dem heutigen Stand nur etwa gut 20 € pro Schwein (und Sau) übrig, was die Mehrkosten nur zu einem Bruchteil ausgleichen würde. Darüber ist sich aber auch Minister Özdemir im klaren. Er versteht die bisherige Finanzierung auch eher als notwendigen Einstieg in den Umbau, der erweitert werden muss.

Baurechtsanpassungen an Tierhaltungskennzeichnung

Parallel hat nun das Bauministerium den Entwurf eines Gesetzes „zur Erleichterung der baulichen Anpassung von Tierhaltungsanlagen an die Anforderungen des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes“ auf den Weg gebracht, das mit dem THKG korrespondiert und (möglichst) zusammen im Bundestag und Bundesrat behandelt werden soll. In diesem Entwurf wird die Privilegierung größerer gewerblicher bzw. flächenarmer Tierhaltungsanlagen im Außenbereich (z.B. 1500 Mastplätze), die im Jahr 2013 für diese Anlagen gestrichen wurde, unter bestimmten Voraussetzungen wieder ermöglicht.

Und zwar wenn der Stall (nach Umbau oder Neubau) den Anforderungen an die Haltungsform Frischluftstall („Stufe 3“) oder Auslauf/ Freiland („Stufe 4“) oder Bio („Stufe 5“) genügt und die Anzahl der Tierplätze nicht erhöht wird. Gravierender ist die weitere Bedingung, dass dabei die Grundfläche und die Höhe der baulichen Anlage nicht vergrößert werden darf. Der Auslauf wird hierbei nicht zur Grundfläche gezählt.

Diese Anforderung führt schon zu heftigen Diskussionen, weil damit für gewerbliche Betriebe ein Umbau oder Neubau mit einem erheblichen Abbau der Tierzahl verbunden ist, je nachdem in welche Stufe der Stall überführt werden soll. Dieser Rückbau der Tierzahlen erhöht die Produktionskosten pro Platz und pro Tier erheblich. Ohne einen nachhaltigen Ausgleich über eine staatliche Förderung und/oder über den Markt wird diese Vorschrift die Umstellungsbereitschaft dieser Betriebe stark bremsen.

 

23.11.2022
Von: Hugo Gödde

Noch viele Fragen offen beim Umbau der Tierhaltung. Foto: FebL