Die Borchert-Kommission lässt bis auf weiteres ihre Arbeit ruhen. Zwar nimmt das Gremium das neue Mandat von Minister Özdemir an, den Umbau der Tierhaltung zu begleiten. Eine Fortsetzung sei jedoch nur sinnvoll, „wenn die Bundesregierung den Einstieg in eine langfristig vertraglich zugesicherte und staatlich finanzierte Tierwohlprämie beschließt,“ wie es in einem Beschluss v. 8. September heißt, den die Kommission nach einem Gespräch mit dem Minister veröffentlichte. Erst dann sei man wieder zur Mitarbeit bereit.
Wörtlich heißt es zur Finanzierung: „Zweck dieser Prämie ist es, den Landwirtinnen und Landwirten einen verlässlichen Ausgleich für die Mehrkosten des hohen Tierwohlniveaus und ein Mindestmaß an Planungssicherheit zu bieten. Die Tierwohlprämie ist zentraler Bestandteil der Empfehlung des Kompetenznetzwerks, das Tierwohlniveau in der gesamten deutschen Nutztierhaltung deutlich anzuheben. Vor diesem Hintergrund appelliert das Kompetenznetzwerk mit Nachdruck an die Ampelkoalition, zügig eine entsprechende Einigung herbeizuführen und lässt seine Arbeit bis dahin ruhen.“
Borchert begründete zuvor mehrfach die Entscheidung mit der Unzufriedenheit über den Stand der politischen Diskussion: „Wir lehnen es ab, als Feigenblatt für eine Politik zu dienen, die nicht imstande ist, die notwendigen Weichenstellungen vorzunehmen.“ Zugleich kritisiert die Kommission die Regierung, die vorgelegten Finanzierungsempfehlungen nicht zu klären.
„Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die Ampelkoalition hat sich bisher nicht zur Einführung der empfohlenen Tierwohlprämien entschließen können. Solange sich das nicht ändert, bleibt das Kernziel der Transformation des Nutztiersektors unerreichbar, und der Landwirtschaft fehlen weiterhin jegliche Perspektive und Planungssicherheit. In dieser Situation würde eine Weiterarbeit des Kompetenznetzwerks den gegenwärtig fehlenden Gestaltungswillen der Ampelkoalition nur kaschieren und wäre gegenüber den Nutztierhalterinnen und Nutztierhaltern unverantwortlich.
Das Kompetenznetzwerk appelliert mit Nachdruck an die Ampelkoalition, zügig eine Einigung bezüglich der Einführung langfristiger und verlässlicher staatlicher Tierwohlprämien herbeizuführen. Sollte dies gelingen, steht das Kompetenznetzwerk sehr gerne und unverzüglich für eine Fortsetzung seiner Beratung des BMEL zur Verfügung.“
Harsche Kritik an der FDP
In seinem Beschluss übt das Kompetenznetzwerk harsche Kritik an der FDP, die bislang keinem der vorgeschlagenen und machbaren Finanzierungsoptionen zustimme. Die FDP bringe immer wieder eine meist nicht weiter spezifizierte „Tierwohlabgabe“ ins Gespräch. Das Kompetenznetzwerk warnt davor, mit solchen Vorschlägen weiter Zeit zu verspielen, „denn die Sachlage hierzu ist seit langem klar.“ Eine privatwirtschaftliche Abgabe sei ungeeignet, weil sie „mit ganz erheblichem bürokratischen Aufwand“ verbunden sei und „eine Rechtssicherheit für langfristige Tierwohlprämien wäre nicht herzustellen.“ Solange die FDP nicht kläre, was sie unter Tierwohlabgabe verstehe, so Borchert, bleibe er bei seiner Einschätzung, „dass die bisherigen Verlautbarungen in erster Linie mit Blick auf die Landtagswahl am 9. Oktober in Niedersachsen getroffen wurden.“
Liefert die Ampel endlich?
Minister Özdemir hatte in der Agrardebatte im Bundestag verlauten lassen, die Betriebe infolge höherer Tierwohlstandards zu unterstützen. Der Wandel der Tierhaltung sei „überfällig“. Ohne einen Umbau werde es nicht gelingen, die Fleischerzeugung in Deutschland zu halten. Voraussetzung dafür sei, dass der Staat sowohl den Umbau der Ställe fördere als auch Unterstützung für die
laufenden Betriebskosten für bessere Tierhaltung gewähre. Die Kommission erwartet nun einen entsprechenden Vorschlag zur Umsetzung, sonst befürchtet sie erneut „warme Worte“ wie in den letzten Monaten, aber keine Klarheit und Perspektiven. Die Ampel muss sich entscheiden, ein Ruhen-lassen dürfe nicht mit Zeit-lassen verwechselt werden, wenn man das Abwandern der Schweinehaltung und einen Strukturbruch noch bremsen will.
Änderung am Kennzeichnungsgesetz dringend notwendig
Aus dem Haus Özdemir hört man, dass das Ministerium vorerst keine Änderungen am Tierkennzeichnungsgesetz vornehmen, sondern den Entwurf unverändert auf den parlamentarischen Weg bringen will, obwohl er von allen relevanten NGO’s vom Bauernverband und ISN oder AbL bis zu Tierschutz-, Umweltschutz- und Verbrauchergruppen heftig kritisiert und eine massive Überarbeitung gefordert wird. Viele Verbände äußern tiefe Frustration über die Arbeit des grünen Ministeriums zum Umbau der Tierhaltung. Das gute Gesamtkonzept, das über Jahre intensiv und von unterschiedlichen Interessen ausgearbeitet sei, werde von der Politik „vollkommen filetiert und damit komplett ausgehebelt“, kritisierte ISN-Geschäftsführer Torsten Staack mit Blick auch auf den Vorschlag zur Änderung der Nutztierhaltungsverordnung. Wie die ISN und andere lehnt auch die AbL die Änderungen ab und fordert, den Entwurf zurückzuziehen.
Der Neulandverein wiederholt seinen Hauptkritikpunkt an dem Referentenentwurf, dass die Haltungskriterien auf die reinen Platzmaße, bzw. Auslaufvorgaben reduziert werden. „Zur Beschreibung von Tierhaltungsformen gehören noch weitere Kriterien wie Aussagen zu Stroheinstreu, Bodenbeschaffenheit, Stallstrukturierung und dem Verzicht auf das Schwänzekupieren bei Schweinen. Auch eine Koppelung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes mit der Änderung der Tierschutz-Nutztierverordnung ist nicht notwendig,“ so der Vorstandsprecher von NEULAND e.V. Jochen Dettmer.
AbL-Vorsitzender und Neulandbauer Martin Schulz fordert ein Bundesprogramm und ein langfristiges Finanzierungskonzept und die notwendige Änderung im Baurecht, um Planungssicherheit und Zukunftsperspektive für die umstellungswilligen landwirtschaftlichen Betriebe zu finden.