Die von so vielen geforderte Tierzahlreduktion findet längst statt. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), aber vor allem die marktwirtschaftlichen Entwicklungen sorgen seit Jahren dafür, dass sich der Strukturwandel immer noch beschleunigt. Besonders in diesem Strudel beschleunigt wird die Aufgabe tierhaltender Betriebe. Was also jenen, die zu Recht eine drastische Reduktion der Tiere aufgrund des voranschreitenden Klimawandels fordern, in die Hände spielt und vielleicht zum Teil zumindest im Verborgenen auch Genugtuung in ihren Reihen auslöst, ist nichts anderes als die Transformation der Landwirtschaft nach roher Marktlogik. Wer diese rahmenlos laufen lassen will, muss sich vorwerfen lassen, dass es ihm offenkundig egal ist, wie die verbleibenden Tiere gehalten werden. Es ist allerdings ein Stück weit geheuchelt, wenn der Bauernverband in Bayern gegen kirchliche Organisationen zu Felde zieht, weil diese sich auch nur vermeintlich so rahmenlos reduzierend äußern, hat er doch selbst lange genug das Wachsen oder Weichen toleriert oder sogar gutgeheißen. Übrig bleiben die Betriebe, die den Rationalisierungsprozess am besten beherrschen, die die Kostenführerschaft übernehmen. Martin Hofstetter von Greenpeace berichtet auf einer Top-agrar-Podiumsdiskussion davon, dass Deutschlands größter Sauenhalter auf eine Schweineaufgabeprämie dringe, nicht weil er sie in Anspruch nehmen, sondern weil er befreit von Konkurrenz weitermachen wolle. Auf der Insel Fehmarn läuft gerade der Genehmigungsprozess für die Erweiterung eines Sauen- und Mastbetriebs auf 1.800 bzw. 13.000 Tiere, die nach wie vor nach dem gesetzlichen Standard gehalten werden sollen. Von Auslauf oder Einstreu redet dort keiner, noch nicht einmal von Ringelschwänzen. Dabei müssen wir darüber dringender denn je reden und vor allem etwas für sie tun!
Bewegung möglich
Der Umbau der Tierhaltung, wie die Borchert-Kommission ihn aufgezeigt hat, wäre ein Programm zur Tierzahlreduktion, aber mit politischen Leitplanken, die einen Ausweg aus dem Wachsen oder Weichen bieten. Das, was Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) jetzt mit dem Kabinett ins Parlament eingebracht hat, kann erst der Anfang sein im Hinblick auf solche auch wirklich effektive Leitplanken. Nachbesserungen müssen im parlamentarischen Prozess eingearbeitet werden. Zwar gab es noch im letzten Moment positive Entwicklungen – bei der Tierhaltungskennzeichnung sind die Vollspaltenböden aus den höheren Tierhaltungsstufen geflogen, bei der Finanzierung soll nun neben der investiven Förderung auch die der laufenden Kosten für artgerechte Haltungssysteme möglich sein, auch langfristige Verträge zu deren Absicherung sind kein No-Go für die FDP mehr – es bleibt aber noch viel zu tun. Vor allem die Tatsache, dass bislang die Sauenhaltung im „Gesamtkunstwerk“ – so sagt es Özdemir – aus Haltungskennzeichnung, Finanzierung, Baurecht … noch keine Berücksichtigung findet, wird nicht nur von der AbL kritisiert. Gerade die Sauenhalter und -halterinnen müssen in nächster Zukunft Anpassungen aufgrund des geänderten Ordnungsrechtes vornehmen und sie müssen endlich in die Lage versetzt werden, Ferkel mit langen Schwänzen zu liefern, die eine Schweinehaltung in der Zukunft gesellschaftsfähig machen. Inzwischen ist auch bei Cem Özdemir angekommen, dass er nicht nur die Hälfte der Schweinehaltung umbauen und fördern darf, wenn ihm die Verbraucher die Kennzeichnung abnehmen sollen. Und nur mit der Herkunftskennzeichnung kann er zumindest zum Teil die Frage der Auslandsware beantworten. Zwar sagt er nach wie vor, dass er keine Qualifizierungen im Tierwohl, sondern nur eine Haltungskennzeichnung machen dürfe, gleichzeitig qualifizieren Kriterien in der Stufe Stall plus Platz ebenso wie die Biokriterien in der Biostufe. Warum also nicht auch den Ringelschwanz in der Auslaufstufe verpflichtend machen, damit es in dieser Frage eine Sogwirkung nach vorne und ein deutliches Signal auch für eine konventionelle Premiumstufe gibt? Es gibt also noch viel zu tun, nicht nur für die Parlamentarier, sondern auch für die Ministerien, die dafür sorgen müssen, dass ein funktionierendes, konsistentes und wirkliches Gesamtkunstwerk am Ende dabei herauskommt, das die Kritiker in der Borchert-Kommission, in den Verbänden und vor allem unter den Bauern und Bäuerinnen auf den Höfen zufrieden stellt.