Erste Reaktionen auf Tierhaltungskennzeichnung unterstreichen weiteren deutlichen Handlungsbedarf

Die ersten Reaktionen auf die von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir vorgestellten Eckpunkte zur Tierhaltungskennzeichnung reichen von „sehr begrüßt“ (Bioland), über „erster Schritt mit vielen Schlupflöchern“ (ISN), einem Konzept mit „erheblichen Lücken“ (Bauernverband) und „deutlichem Verbesserungsbedarf“ (Tierschutzbund) bis hin zu dem Vorwurf, dass mit dem vorgelegten Konzept der strategische, politisch gesteuerte Umbau der Tierhaltung verfehlt werde (ProVieh).  Die Tierschützer kritisieren unter anderem die ausschließlich für Bio vorgesehene höchste Haltungsstufe. Im Gegensatz dazu freut sich der grüne EU-Abgeordnete Martin Häusling über die Biostufe. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) mahnt unter anderem schnelle Hilfe für die Betriebe, einen deutlich höheren Finanzbedarf sowie das Einbeziehen der gesamten Tierhaltung in den Umbauprozess an.

Die vom Bundeslandwirtschaftsministerium jetzt vorgelegten Eckpunkte zur Einführung einer verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung müssen nach Ansicht der AbL zügig weiterentwickelt werden. Dazu erklärt der AbL-Vorsitzende Martin Schulz: „Nach jahrelangem politischen Stillstand und Lippenbekenntnissen hat das BMEL Eckpunkte für einen Umbau der Tierhaltung vorgelegt. Es ist positiv, dass eine Milliarde Euro dafür bereits bereitgestellt wurde, allerdings bleibt völlig unklar, wie diese ausgegeben werden soll. Es ist wichtig, dass mit dem Geld umgehend die teilnehmenden Betriebe sowohl für die Investitionskosten als auch für die laufenden Mehrkosten mit langfristigen Verträgen honoriert werden. Die Krise auf dem Schweinemarkt trifft mittlerweile alle Betriebe. Damit wir keinen Strukturbruch kriegen, brauchen die Höfe dringend eine Perspektive. Der Finanzbedarf ist deutlich höher und muss entsprechend von der Ampelkoalition auch bereitgestellt werden. Des Weiteren fordert die AbL die Ferkelaufzucht mit in die Tierhaltungskennzeichnung aufzunehmen, eine Zeitschiene für die Umsetzung der einzelnen Stufen einzuführen sowie die gesamte Tierhaltung in den Umbauprozess einzubeziehen. Die Exportorientierung, als Ursache für die zum Teil negative Entwicklung in der Landwirtschaft, muss endlich für einen qualifizierten Welthandel und faire Preise überwunden werden.“

ISN: Erster Schritt mit zu vielen Schlupflöchern

Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) sieht in der zunächst nur für Schweinefleisch geltenden Kennzeichnung einen zwar ersten aber nicht ausreichenden Schritt. „Die Eckpunkte für eine verpflichtende Haltungskennzeichnung für Schweinefleisch, die Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nun auf dem Tisch gelegt hat, sind ein erster Schritt. Wir fragen uns, warum geht es bei der Kennzeichnung nicht um die Wurst?“, so ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Denn um die gehe es für die Schweinehalter nämlich nicht nur im übertragenen Sinne! Staack erläutert: „Nüchtern betrachtet muss man aber festhalten, dass die staatliche Haltungskennzeichnung, so wie sie nun vorgestellt wurde, lediglich genau für die Absatzwege und Fleischprodukte verpflichtend wird, die mit wenigen Ausnahmen so oder so bereits über die Haltungsform des Handels gekennzeichnet sind.“

Staack weiter: „Wir haben heute viele richtige, gute und wertschätzende Worte vom Bundeslandwirtschaftsminister gehört. Aufgenommen wurde unsere Forderung, dass auch eine Stufe mit mehr Tierwohl innerhalb des Stalles vorgesehen werden muss. Und es ist auch richtig, dass man zwar die Borchert-Ergebnisse berücksichtigt, dass man aber angesichts der aktuellen wirtschaftlich katastrophal schlechten Situation der Schweinehalter und der Teuerungsraten beim Verbraucher, die fixen Zeithorizonte zur Anhebung von Mindeststandards, so wie sie im Borchert-Papier beschrieben sind, zunächst nicht weiter verfolgt.“

Aber den deutschen Schweinehaltern läuft nach Ansicht von Staack die Zeit davon – jeden Tag steigen mehr Betriebe aus. „Es ist ein Problem, dass die Sauenhaltung in der Kennzeichnung weiter überhaupt keine Rolle spielt. Dabei sind besonders diese von zusätzlichen gesetzlichen Vorgaben in Deutschland betroffen. Und dadurch, dass der Großhandel, die Außer-Haus-Versorgung und verarbeitete Produkte vorerst nicht berücksichtigt sind und auch Importware ungekennzeichnet bleiben kann, ist Fleischimporten aus anderen Staaten mit ggf. geringeren Erzeugerstandards noch über eine lange Zeit Tür und Tor geöffnet, weiter unter dem Radar zu schwimmen und die Preise hierzulande zu unterbieten. Genau das beobachten wir aktuell am Markt. Deshalb ist es zudem ebenso wichtig, dass auch die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für alle Schweinefleischprodukte in allen Absatzkanälen schnell kommt und nicht zugelassen wird, dass sie von Brüssel auf die lange Bank geschoben wird“, erklärt der ISN-Gschäftsführer.

Und zur Finanzierungsfrage ergänzt Staack: „Höhere gesetzliche Vorgaben und damit verbundene höhere Kosten sind in Deutschland bereits Realität – man denke nur an die Vorgaben zur Sauenhaltung. Deshalb ist eine Blockadehaltung der FDP bei der Finanzierung für die Schweinehalter verheerend. Und dass die im Haushalt der Bundeslandwirtschaftsministers zusätzlich bereitgestellte Milliarde nur ein Anfang sein kann, sollte der FDP in jedem Fall klar sein.“   

DBV: Lücken im Konzept schnell schließen

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, sieht im Konzept des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Tierhaltungskennzeichnung einen ersten wichtigen Schritt, aber auch noch erhebliche Lücken: „Dieses Konzept erfordert noch deutliche Nachbesserungen. Ausdrücklich begrüßen wir die zusätzliche Kennzeichnungsstufe für einen ‚strukturierten Stall‘, mit der höhere Standards für die Stallhaltung in die Fläche gebracht werden können. Trotzdem müssen die Lücken zügig und verbindlich geschlossen werden.“ Ein Risiko für das Gelingen der Haltungskennzeichnung sieht Rukwied vor allem in der Begrenzung auf frisches Schweinefleisch. „Wenn für verarbeitete Fleischprodukte, für andere Absatzkanäle als den LEH oder für die Bereiche Rind und Geflügel kein verbindlicher Zeitplan vorgegeben ist, dann wird es keinerlei Lenkungswirkung geben und das Konzept droht im Markt unterlaufen zu werden“, so der Bauernpräsident. Darüber hinaus sei ausgerechnet der am stärksten von der Schweinepreiskrise betroffene Bereich der Ferkelerzeugung nicht mit einbezogen. „Betäubungslos kastrierte Ferkel aus anderen EU-Mitgliedstaaten mit höheren Haltungsstufen auszuzeichnen, geht gar nicht!“

Und abschließend erklärt der DBV-Präsident: „Wir dürfen mit der Schließung der Lücken und der Einführung einer wirklich flächendeckend verbindlichen Herkunftskennzeichnung nicht bis zum Ende der Legislaturperiode warten. Schließlich muss die Kennzeichnung mit Änderungen im Baurecht und mit einem tragfähigen, langfristigen Finanzierungskonzept flankiert werden.“

Bioland: Eigene Bio-Haltungsstufe richtiger Schritt

Für Bioland-Präsident Jan Plagge ist die eigene Bio-Haltungsstufe folgerichtig und sehr zu begrüßen. „Umwelt-, klima- und tierfreundliches Bio ist völlig zu Recht vom Agrarminister zum Leitbild der Landwirtschaft gemacht worden. Dass nun auch bei der geplanten Tierhaltungskennzeichnung die Leistungen des Ökolandbaus mit einer eigenen Bio-Stufe als höchstem Standard für die Verbraucher*innen sichtbar werden, ist folgerichtig und sehr zu begrüßen. Die heute vorgestellten Eckpunkte eines gesetzlich verbindlichen Pflichtkennzeichnungssystems, das wir als Bioland schon seit vielen Jahren fordern, sind zudem vor allem eines: der Startschuss zu deutlich mehr Transparenz für Verbraucher*innen bei ihrer Kaufentscheidung. Mehr davon braucht es allerdings auch noch bei den Kaufentscheidungen außer Haus, also in Kantinen und Restaurants“, so Plagge.

Keine Transparenz gebe es bisher leider bei der Finanzierung. „Eine Milliarde Euro wird für den grundlegenden Umbau der Tierhaltung sicher nicht reichen. Die Blockadehaltung der FDP um Finanzminister Lindner verhindert ein klares Signal an Landwirt*innen und Verbraucher*innen. Denn diese fordern gemeinsam die Transformationen der Tierhaltung, um unsere vielfältigen Probleme zu lösen und auch in der Ernährungsversorgung unabhängiger zu werden. Dazu braucht es eine langfristige und verlässliche Finanzierung, idealerweise über ein Abgabensystem. Der Großteil der Bevölkerung ist längst bereit, für eine bessere Tierhaltung auf Masse zu verzichten und die Bäuer*innen gerecht zu entlohnen – jetzt muss sich nur noch die Regierungskoalition einig werden“, erklärt der Bioland-Präsident.

Tierschutzbund sieht deutlichen Verbesserungsbedarf

Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt die Eckpunkte zum Staatlichen Tierhaltungskennzeichen im Grundsatz. Die Verbindlichkeit erfülle eine Kernforderung des Verbandes. Insgesamt aber sieht der Deutsche Tierschutzbund jedoch noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Besonders scharf kritisiert er die FDP, die bisher jedwede für den Umbau notwendige zusätzliche staatliche Förderung ablehne.

Unzureichend ist aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes, dass der Gesetzentwurf bislang nur eine Kennzeichnung von Schweinefleisch vorsieht und die Gastronomie außen vor lässt. Besonders kritisch sieht Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, die Tatsache, dass die Bereiche Transport und Schlachtung entgegen dem Koalitionsvertrag nicht Teil des Kennzeichens sein sollen: „Hier erwarten wir Vertragstreue.“ Die stattdessen geplante Verschärfung des Ordnungsrechts in diesen Bereichen sei zwar eine notwendige Verbesserung, die allen Tieren zu Gute komme, jedoch befürchten die Tierschützer einen Verhandlungsmarathon, der sich über Jahre ziehen könnte. „Wir erwarten daher sofort zumindest verbindliche Eckpunkte für die Bereiche Transport und Schlachtung“, so Schröder. Zudem brauche ein für die Verbraucher vertrauenswürdiges Kennzeichen ein engmaschiges und sicheres Kontroll- und Sanktionssystem. Kritisiert wird auch das Fehlen tierbezogener Kriterien als Bewertungsmaßstab: „Das gewollte Mehr an Tierschutz muss beleg- und messbar sein“, so Schröder.

Kritik übt der Deutsche Tierschutzbund auch an der geplanten exklusiven Biostufe. Jeder Landwirt, unabhängig von der Art des Wirtschaftens, müsse die Einhaltung der Kriterien im Detail belegen und dürfe nicht pauschal einsortiert werden. „Ein Tierhaltungskennzeichen kennzeichnet keine Wirtschaftsweise, sondern muss beweisbar an Kriterien der Tierhaltung gemessen werden – von der Zucht bis zur Schlachtung. Eine exklusive Biostufe ist da hinderlich. Es gibt auch nicht-biologisch wirtschaftende Landwirte, die ihre Tiere mindestens genauso gut halten wie die Bio-Betriebe. Da geht es um Gleichstellung“, betont Schröder.

Schröder betonte noch einmal den Bedarf an zusätzlicher Förderung: „Der Markt alleine wird es nicht schaffen, die bisher zugesagte 1 Milliarde reicht nicht. Insofern steht die FDP in der Verantwortung, ihre Blockadepolitik aufzugeben.“ Grundsätzlich sei ein Tierhaltungskennzeichen nur ein Instrument. Notwendig sei eine Nutztierstrategie, die das Kennzeichen mit verbessertem Ordnungsrecht, einer degressiven Förderungsstrategie und dem Abbau von Genehmigungshemmnissen für Auslauf- und Freilandhaltungen flankiere. Es bleibe das große Ziel, Bestandsgrößen zu reduzieren und den Tieren mehr Platz und Leben zu gönnen. „Das Kennzeichnen muss einen Weg aufzeigen, dem das Ordnungsrecht folgt. Das Abbilden des Status Quo wäre Stillstand“, so der Tierschutzbund-Präsident abschließend.

PROVIEH: Entscheidende Kriterien fehlen  

Deutliche Kritik am Eckpunktepapier kommt auch von PROVIEH: Die Haltungskennzeichnung des BMEL enthält erhebliche Baustellen! Durch die viel zu niedrig angesetzte Einstiegsstufe und die Einführung einer exklusiven Bio-Stufe werde eine große Chance für mehr Tierschutz und Fairness verpasst. Und noch viel schlimmer: Statt den gesamten Lebenszyklus der Tiere einzubeziehen, solle lediglich die Mast zertifiziert werden.

“Das vorgestellte Konzept enthält gravierende Mängel. Besonders hervorzuheben ist die Beschränkung der Kennzeichnung lediglich auf den Abschnitt der Mast. Das bedeutet im schlimmsten Fall, dass Schweinefleisch aus der Premiumstufe aus der allerschlechtesten Ferkelaufzucht stammen kann. Das kann nicht der Sinn einer Tierhaltungskennzeichnung sein”, so Patrick Müller, Hauptstadtreferent bei PROVIEH. „Eine verlässliche Haltungskennzeichnung muss eine einfache Orientierung an der Ladentheke ermöglichen, damit sich Verbraucher:innen gezielt für bessere Tierhaltungsbedingungen entscheiden können. Und vor allem: Es muss das gesamte Leben des Tieres, von der Geburt bis zur Schlachtung mit zertifiziert werden – das BMEL muss hier erheblich nacharbeiten!“

Viele Jahre wurde um die Tierhaltungskennzeichnung gerungen, von mehreren Ministern und zuletzt von Bundesministerin Klöckner wurden Label zum Tierwohl und der Tierhaltung versprochen und letztlich wieder verworfen. Die Kennzeichnung von Bundesminister Özdemir sorgt endlich für mehr Planungssicherheit bei den Betrieben. Positiv hervorzuheben ist die geplante Ausweitung auf die Gastronomie, auf weitere Tierarten und auf verarbeitete Produkte innerhalb der Legislaturperiode. Ein besonders wichtiges Ziel wird jedoch verfehlt: Die Güte der Tierhaltung wird nicht in ihrer Gesamtheit bewertet, sondern nur der „produktive Lebensabschnitt“. Eine umfassende Orientierung für Verbraucherinnen und Verbraucher über den gesamten Lebenszyklus des Tieres wird nicht geschaffen.

Das Eckpunktepapier sieht fünf Stufen für die Tierhaltungskennzeichnung vor, die nach Ansicht von PROVIEH keiner klaren Rangierung folgen. Eine einfache, für jeden verständliche Möglichkeit wäre die Verwendung von Farben in Verbindung mit Zahlen oder Buchstaben, zum Beispiel aufsteigend geordnet hin zu mehr Tierschutz. Stattdessen sind die Stufen lediglich mit „Stall“, „Stall plus Platz“, „Frischluftstall“, „Auslauf/Freiland“ und „Bio“ benannt. PROVIEH bemängelt dieses Vorgehen, da die Begriffe wenig aussagekräftig sind. Die beste Tierhaltung ist für Verbraucher:innen nur schwer erkennbar und kann im jetzigen System zum Teil sogar in vorletzter Stufe liegen, da Bio pauschal vorgezogen wird und konventionelle Betriebe mit Freilandhaltung es nicht in die höchste Stufe schaffen. Gleiche Haltungsbedingungen nur aufgrund der fehlenden ökologischen Wirtschaftsweise minderwertig zu bewerten, ist fachlich nicht zu begründen. Weiterhin fehlen wichtige Kriterien wie beispielsweise Einstreu, Tierwohlindikatoren oder der Anteil von Spaltenboden innerhalb der Stufen – hier wird sich ausschließlich auf Außenklima, Platz und Auslauf bezogen. Dies ist deutlich zu wenig, um eine tierschutzgerechte Haltung zu bewerten. 

Ein weiteres großes Problem ist nach Ansicht von PROVIEH die Einstiegsstufe „Stall plus Platz“. Die ohnehin begrenzten Kriterien liegen hier nur wenig über dem gesetzlichen Mindeststandard, was eine Anhebung des gesetzlichen Mindeststandards in naher Zukunft unmöglich macht. Eine mögliche Lösung dieses Problems wäre, „Stall plus Platz“ direkt zum gesetzlichen Mindeststandard zu erheben. Dies ist jedoch bisher nicht vorgesehen. Das von PROVIEH vorgelegte Modell hätte hier einen deutlich besseren Weg aufgezeigt, die Initiative Tierwohl mit ins Boot zu holen. Auch für die Ökologische Tierhaltung eine eigene exklusive Stufe in einem Haltungskennzeichen vorzubehalten ist wenig zielführend. Die Vorteile im ökologischen Landbau sind unbestritten – das ökologisch gehaltene Mastschwein lebt jedoch nicht zwangsläufig besser als ein gut konventionell gehaltenes Schwein. Für die höchste Stufe wären sinnvolle Kriterien für die Haltung und den Gesundheitszustand, den Transport und die Schlachtung der Tiere deutlich angebrachter als nur ein Öko-Zertifikat. So jedoch werden besonders gut wirtschaftende, konventionelle Betriebe klar diskriminiert.  

Das Fazit von PROVIEH: „Mit dem Vorgelegten Konzept wird der strategische, politisch gesteuerte Umbau der Tierhaltung verfehlt. Im Gegenteil: Insbesondere durch die viel zu niedrige, dauerhaft angelegte Einstiegsstufe „Stall plus Platz“ wird schlechte Tierhaltung in Deutschland manifestiert. Auch fehlen wichtige Kriterien in den einzelnen Stufen, um dem Namen Tierhaltungskennzeichnung wirklich gerecht zu werden. PROVIEH fordert dringend Nachbesserungen, damit diese historische Chance für mehr Tierschutz nicht vertan wird.“

Grüne (EU-)Abgeordnete begrüßen Eckpunkte: Es wurde höchste Zeit.

„Es wurde höchste Zeit, dass entschiedene Schritte im Umbau der Tierhaltung auf den Weg gebracht werden. Das zu CDU-Zeiten gescheiterte Tierwohl-Label wird nun durch eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung ersetzt. Das ist richtig und wichtig, denn die Tierhaltung ist neben dem Tierwohl auch ein Gradmesser für Umwelt- und Klimaschutz. Es wurde auch höchste Zeit, dass Transparenz in das Label-Chaos im Bereich Fleisch kommt: Die unterschiedlichen freiwilligen, privatwirtschaftlichen Tierwohllabel haben teils einen niedrigen Standard und schädigen so weiter das Vertrauen in die Güte der Tierhaltung in Deutschland. Nur wenn, wie unter dem angekündigten Tierhaltungskennzeichnungsgesetz geplant, in Zukunft jedes Produkt tierischer Herkunft verpflichtend gekennzeichnet wird, kann Transparenz und Glaubwürdigkeit garantiert werden. Ich hoffe darauf, dass nach Vorlage des Gesetzes die EU-Kommission zügig notifiziert und dass sie das Vorausgehen Deutschlands bei der Tierhaltungskennzeichnung als Weckruf versteht, um auch selbst in diesem Punkt voranzukommen“, erklärt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss.

Und mit Blick auf die fünf Stufen sagt er: „Besonders freut mich, dass Bio als höchste Stufe festgeschrieben wurde. Mit der Biolandwirtschaft wurde in der EU ein beispielloses System geschaffen, welches streng kontrollierte und hohe Standards vorgibt, auch in der Tierhaltung. Kritisch sehe ich hingehen die Einführung der Stufe zwei der Haltungskennzeichnung, die Haltungsform ‚Stall+Platz‘. Die minimalen Verbesserungen, die die Tiere auf dieser Stufe erfahren, sind meiner Meinung nach einer eigenen Stufe kaum würdig. Die Einführung dieser Stufe ist wohl ein notgedrungener Kompromiss mit dem Einzelhandel sowie dem engen Finanzrahmen geschuldet, welcher wiederum auf die Blockadehaltung der FDP zurückzuführen ist.“

Zunächst wird das Konzept der Tierhaltungskennzeichnung nun in den kommenden Monaten in der Schweinehaltung umgesetzt. Für Häusling ist es nachvollziehbar, dass die Haltung bei einer Tierart starten muss, jedoch sei es wichtig, nun zügig weitere folgen zu lassen. Gerade der Umbau im Bereich Rind hätte, neben dem Tierwohl, viele positive Effekte auf Umwelt- und Klimaschutz, insbesondere wenn man Weidehaltung besonders honoriert.

„Worauf es nun in den kommenden Monaten ankommen wird, ist die Umbaufinanzierung. Der Umbau der tierhaltenden Landwirtschaft hin zu mehr Tierwohl, Umwelt- und Klimaschutz muss ausreichend unterstützt werden. Die dafür benötigten Gelder dürfen keinesfalls vom liberalen Koalitionspartner in Deutschland künstlich niedrig gehalten werden. Sonst kann der Umbau der Tierhaltung nicht gelingen“, so Häusling abschließend.

Und auch nach Ansicht von Renate Künast, Sprecherin für Landwirtschaft und Ernährung der Grünen im Bundestag, und Zoe Mayer, Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, kommt endlich Bewegung in eine überlange Debatte und wird der notwendige Umbau Tierhaltung eingeleitet. „Das fünfstufige System wird Verbraucher*innen eine Orientierung beim Kauf von Fleisch geben. Bald wird auf den ersten Blick zu sehen sein, wie das Tier gehalten wurde und wofür man Geld ausgibt. Gleichzeitig wollen wir den Landwirt*innen Planungssicherheit geben und bäuerlichen Betrieben ein gutes Einkommen und Transparenz im Wettbewerb ermöglichen. Die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung wird das Rückgrat dafür sein, in welche Richtung sich die Tierhaltung in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird. Der Umbau der Tierhaltung wird nicht allein aus dem Markt heraus zu stemmen sein, der durch den Handel mit der Initiative Tierwohl bereits einen Beitrag leistet. Die im Haushalt verankerte eine Milliarde Euro wird einen Anschub leisten. Weitere Vorschläge, mit welchen Instrumenten der Umbau gestemmt werden kann, liegen bereits auf dem Tisch. Klar ist: Die finanziellen Spielräume werden dafür genutzt werden müssen, gezielt bäuerliche Betriebe zu unterstützen, die Tiere zu höchsten Standards halten wollen. Diese Koalition hat es sich zur Aufgabe gemacht, für einen positiven Schub in der Tierhaltung zu sorgen. Gut, dass Minister Özdemir heute sehr klar gemacht hat, dass er nicht zögert und systematisch das Notwendige organisiert“, erklären die zwei Bundestagsabgeordneten.

 

08.06.2022
Von: FebL/PM

Minister Özdemir hat Eckpunkte für eine Tierhaltungskennzeichnung zunächst für Schweinefleisch vorgelegt. Foto: FebL