Özdemir stellt Eckpunkte für verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung vor

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat „Eckpunkte zur Einführung einer verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung“ vorgelegt. Wie bereits im Vorfeld erwartet, umfasst die Kennzeichnung die fünf Haltungsstufen Stall, Stall+Platz, Frischluftstall, Auslauf/Freiland sowie Bio. Gestartet wird mit der Kennzeichnung bei Schweinefleisch, wobei „maßgeblich für die Kennzeichnung die Haltungsform der Tiere während des produktiven Lebensabschnittes, bei Fleisch die Mast,“ ist. „Unsere tierhaltenden Betriebe brauchen dringend eine verlässliche und langfristige Perspektive, damit sich Investitionen in Tierwohl und Klimaschutz lohnen. Einen zentralen Baustein hierfür lege ich heute mit der verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung vor“, erklärte der Minister anlässlich der Vorstellung der Eckpunkte.

Die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung soll schrittweise eingeführt werden, beginnend mit frischem Schweinefleisch, gekühlt oder gefroren, verpackt oder unverpackt, im Lebensmittelhandel, den Fleischereifachgeschäften, dem Online-Handel und anderen Verkaufsstellen. Weitere Vermarktungswege, insbesondere über die Gastronomie und Außerhaus-Verpflegung oder verarbeitete Produkte, sollen im Laufe der Legislatur in die Tierhaltungskennzeichnung aufgenommen werden, wenn im Rahmen des ersten Schrittes das Konzept der verpflichtenden  Haltungskennzeichnung am Beispiel Schweinefleisch grundsätzlich von der EU-Kommission notifiziert wurde. Weitere Tierarten wie Rinder, Milchvieh oder Geflügel sollen auf gleiche Weise schrittweise in die verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung aufgenommen werden. Einen entsprechenden Zeitplan werde das BMEL, so das Eckpunktepapier, mit Start der Gesetzesberatungen vorstellen. Freiwillig können auch Erzeugnisse aus dem Ausland von der Kennzeichnung Gebrauch machen.

Konkret genannt werden für die einzelnen Haltungsstufen die folgenden Merkmale:

· Haltungsform Stall: Die Haltung während der Mast erfolgt entsprechend der gesetzlichen Mindestanforderungen.
· Haltungsform Stall+Platz: Den Schweinen steht mindestens 20 Prozent mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard zur Verfügung. Die Buchten sind durch verschiedene Maßnahmen strukturiert. Dies können z. B. Trennwände, unterschiedliche Ebenen, verschiedene Temperatur- oder Lichtbereiche sein.
· Haltungsform Frischluftstall: Den Schweinen wird innerhalb des Stalls ein dauerhafter Kontakt zum Außenklima ermöglicht. Dies wird erreicht, indem mindestens eine Seite des Stalls offen ist, so dass die Tiere Umwelteindrücke wie Sonne, Wind und Regen wahrnehmen können. Zudem steht ihnen mindestens 46 Prozent mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard zur Verfügung.
· Haltungsform Auslauf/Freiland: Den Schweinen steht ganztägig, mindestens jedoch acht Stunden pro Tag, ein Auslauf zur Verfügung bzw. sie werden in diesem Zeitraum im Freien ohne festes Stallgebäude gehalten. Zudem steht ihnen mindestens 86 Prozent mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen
Mindeststandard zur Verfügung.
· Haltungsform Bio: Die Lebensmittel wurden nach den Anforderungen der EU-Ökoverordnung (EU) 2018/848 erzeugt. Das bedeutet für die Tiere eine noch größere Auslauffläche und noch mehr Platz im Stall gegenüber den anderen Haltungsformen.

Der Gesetzentwurf zur verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung für frisches Schweinefleisch wird laut Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) nun innerhalb der Bundesregierung abgestimmt und dann Ländern und Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet. Danach wird der vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf der EU zur Notifizierung vorgelegt. Im Herbst sollen die Beratungen des Gesetzentwurfs zunächst im Bundesrat starten, zudem ist Ende des Jahres die erste Lesung im Bundestag vorgesehen.

Die verpflichtende, staatliche Tierhaltungskennzeichnung ist laut BMEL ein erster Schritt und Baustein des vier zentrale Bausteine umfassenden Gesamtvorhabens „zukunftsfeste Tierhaltung“. Die drei weiteren Punkte sind „ein Förderkonzept für den Umbau der Ställe inkl. einer langfristigen Perspektive für die Betriebe, bessere Regelungen im Tierschutzrecht und Anpassungen im Bau- und Genehmigungsrecht“, zu denen noch keine abschließenden Vorschläge des Ministeriums auf dem Tisch liegen.

Zur Finanzierung stellt sich in der Koalition aktuell die FDP quer. Hier verwies Özdemir bei der Vorstellung der Eckpunkte auf die Vorschläge der Borchert-Kommission, ohne selbst aber einen konkreten Vorschlag (z.B. Mehrwertsteuer oder Abgabe) zu priorisieren, und auf die in seinem Haus bereits zur Verfügung gestellte eine Milliarde Euro für die Jahre 2023 bis 2026. Die Anpassungen im Bau- und Genehmigungsrecht befinden sich noch im Erarbeitungsprozess, zur TA-Luft seien die Beratungen der Bundesregierung mit den Ländern weit fortgeschritten, so die Staatssekretärin Silvia Bender bei der Vorstellung der Eckpunkte, und beim Baurecht werde der Versuch unternommen, den Stallbau aus der von der Koalition für diese Legislaturperiode geplanten großen Baurechtsreform herauszunehmen, was wohl zu einem schnelleren Ergebnis führen soll. Bis es zu einer vollständigen „Marktdurchdringung“ mit der Tierhaltungskennzeichnung kommt, kann es nach Ansicht des Ministers „noch Jahre dauern“.

Özdemir: Mit wertvoller Arbeit gutes Einkommen erzielen

Anlässlich der Vorstellung der Eckpunkte erklärte der Minister: "Kein Landwirt möchte seine Tiere so halten, dass es ihnen schlecht geht. Zugleich ist der ökonomische Druck für unsere Höfe immens. Doch Landwirtinnen und Landwirte können gesellschaftlichen Erwartungen nach mehr Tierwohl und Klimaschutz nur dann gerecht werden, wenn die Rahmenbedingungen es ihnen ermöglichen, mit ihrer wertvollen Arbeit auch ein gutes Einkommen für sich und ihre Familien erzielen zu können.
Ich will, dass auch in Zukunft noch gutes Fleisch aus Deutschland auf den Tisch kommt. Unsere tierhaltenden Betriebe brauchen dringend eine verlässliche und langfristige Perspektive, damit sich Investitionen in Tierwohl und Klimaschutz lohnen. Einen zentralen Baustein hierfür lege ich heute mit der verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung vor.
Umfragen zeigen, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher bewusster einkaufen möchten. Sie wollen wissen, wie die Tiere gelebt haben, deren Fleisch sie an der Ladentheke kaufen. Mit der Haltungskennzeichnung können die Verbraucherinnen und Verbraucher klar erkennen, wie ein Tier gehalten wurde, und diese Information bei ihren Kaufentscheidungen berücksichtigen. Wir beginnen bei der verpflichtenden staatlichen Haltungskennzeichnung mit den Schweinen. Sie informiert die Verbraucherinnen und Verbraucher anhand fünf verschiedener Haltungsformen, wie die Tiere konkret gehalten wurden.

Viele Landwirtinnen und Landwirte haben sich bereits auf den Weg gemacht, um Tier-, Umwelt- und Klimaschutz stärker zu berücksichtigen. Viele weitere wollen ihnen folgen. Mit der Tierhaltungskennzeichnung machen wir diese wertvollen Leistungen unserer tierhaltenden Betriebe für alle sichtbar. Wir geben ihnen mit den klar definierten Haltungsformen die dringend notwendige Planungssicherheit, damit sie in den Mehrwert ihrer Erzeugnisse investieren und diesen auch geltend machen können.

Landwirtinnen und Landwirte, die ihre Ställe für mehr Tierschutz umbauen, wollen wir langfristig unterstützen. Im Bundeshaushalt ist bereits eine Milliarde Euro für die Startphase des Umbaus eingeplant. Ich bin mit den Koalitionspartnern im engen Austausch, damit wir unseren Landwirtinnen und Landwirten auch die dringend notwendige finanzielle Planungssicherheit geben können. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Sicherung unserer Ernährung – entsprechend erwarten sie zurecht, bei den Investitionen in eine artgerechtere Tierhaltung und mehr Klimaschutz angemessen unterstützt zu werden."

08.06.2022
Von: FebL/PM

Minister Özdemir bei der Vorstellung der Eckpunkte für eine Tierhaltungskennzeichnung. Foto: BMEL/Photothek