Konzentration im Schweine- und Biomarkt – und ein Hoffnungsschimmer am Milchmarkt

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Gerade in Krisenzeiten wird der Umstrukturierungsprozess in verschiedenen Branchen vorangetrieben und führt in der Regel zu Konzentrationen. Das gilt aktuell besonders im Fleischsektor. Der Rückgang des Fleischverzehrs trifft viele Unternehmen hart und setzt eine neue Dynamik des Strukturwandels frei. Die Konzentration erhöht sich. Marktfreunde sprechen von „Konsolidierung“. Ähnliches gilt für den Biomarkt, der sich „normalisiert“, d.h. seine Besonderheiten aus den Anfangsjahrzehnten (1980 bis ca. 2010) immer mehr verliert. Einige Zahlen und Daten belegen die Entwicklung, die sich wahrscheinlich eher beschleunigen wird.

Leicht positive Signale kommen vom Milchmarkt. Der Milchpreis könnte sich verbessern – wenn die Chancen auf Erzeugerseite genutzt werden.

Konzentration im Schweinemarkt geht weiter

Laut dem neuen Schlachthof-Ranking der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) für 2023 wuchs der Schlachtanteil der TOP 10 bei Schweinen auf 82,5%. Unangefochten auf Platz 1 lag weiterhin Tönnies mit 14 Mio. Schlachtungen und einem Anteil von 32%, auch wenn er einen Schlachtrückgang von 5,4% hatte. Es folgt Westfleisch, das seine Zahlen stabil halten konnte und den Marktanteil auf fast 15% erhöhte. Diese beiden Schlachtriesen im Nordwesten machen etwa die Hälfte aller Schlachtungen aus. Die großen Einbrüche verzeichnen die beiden Nächstplazierten Vion und Danish Crown (DC). Beim dänischen Fleischkonzern DC ging die Zahl in Deutschland um 30% auf 2,1 Mio. zurück. Die Umstrukturierung ist voll im Gange und die Bauern zahlen mit schlechten Erzeugerpreisen schon heute diesen Prozess. Schließungen von Schlachtstandorten u.a. sind einschneidende Maßnahmen, reichen aber für den extrem exportabhängigen Konzern nicht aus. Entlassungen und miserable Schweinepreise führen nicht gerade zu Vertrauensbeweisen an Lieferanten und Kunden für die Zukunft.

Noch ärger trifft es die Nr. 3, den holländischen Fleischkonzern Vion, der sich nach eigenen Angaben auf seine lukrativen Aktivitäten in den Benelux-Ländern konzentrieren will und einen Käufer für sein Deutschland-Geschäft sucht. Schon im letzten Jahr hatte man herbe Rückschläge zu verkraften. Mit den Standortverkäufen von Emstek (früher einer der modernsten Schlachthöfe Europas) und Perleberg vollzieht man bereits einen Rückzug auf Raten aus Deutschland. Auswechslungen an der Managementspitze bereiten den Abgang vor. Offensichtlich stellt Vion seine verbleibenden 11 Standorte in drei Paketen ins Schaufenster. Die beiden Größen Tönnies und Westfleisch haben für ein Gesamtpaket schon abgewunken. „Kartellrechtich keine Chance“ heißt es unisono. Also bleibt eine Zerlegung in Einzelteile, die Übernahme durch einen außereuropäischen Multi oder durch eine Investmentfirma (Heuschrecke?).

Gewiss ist, dass der Umbau der Fleischwirtschaft zur Konzentration führt. Dabei spielt auch die Marktdifferenzierung eine wichtige Rolle, bei der jeder erst noch seinen Platz finden muss. Nicht mehr Größenwachstum steht im Fokus, so die ISN, sondern die „Auswahl und Sicherung der erforderlichen Qualitäten“. Dafür würden Bindungen durch längerfristige Verträge an Bedeutung gewinnen. Ob das für Schweinehalter eine gute Nachricht ist, liegt auch an den Erzeugerorganisationen.

Klassengesellschaften bei Bio-Supermärkten

Die Biokrise in 2022/23 hat besonders den Naturkosthandel betroffen und das Umsatz-Ranking in Bewegung gebracht. Marktkenner sprechen inzwischen von einer Drei-Klassengesellschaft bei den 100%-Bioläden. An der Spitze liegen mit weitem Abstand Alnatura mit 650 Mio. € (Nr. 19 im LEH insgesamt) und Dennree mit 500 Mio. € Umsatz (Nr. 21), die auch weiterhin zulegen. Nimmt man die sonstigen Umsätze (Großhandel usw.) hinzu, kommt Dennree auf einen Nettoumsatz von 1,38 Mrd.€ und Alnatura auf 1,15 Mrd. €. Etwa ein Viertel der Biomärkte werden von ihnen geleitet, weitere werden über Abnahmeverträge kontrolliert.

Danach folgen einige mittlere Bio-Supermärkte angeführt von Bio-Company (Berlin, 200 Mio. €) und Ebl (Nürnberg, 120 Mio. €), die 50 Mio. und mehr Nettoumsätze erwirtschaften. Die 2023 noch auf Platz 5 gelisteten Basic-Märkte sind inzwischen verkauft und vom Markt verschwunden. Ein größerer Teil ist in tegut aufgegangen, österreichische Märkte hat Dennree übernommen. Die Übernahme von weniger rentablen Märkten in norddeutschen Regionen durch die Superbiomarkt AG in Münster hat den Übernehmer in Schwierigkeiten gebracht, die nur durch ein Schutzschirmverfahren (Insolvenz in Eigenverantwortung) erfolgreich abgewendet werden konnte. Die „Mittelmarken“ mit ca. 10 bis 60 Filialen konnten mit mühevollen Umstrukturierungen ihren Anteil einigermaßen halten.

Die dritte Klasse der mehr als 1000 kleinen Bioläden – teilweise gestützt durch den Großhandel – schrumpft Jahr für Jahr und kämpft weiterhin ums Überleben.

Bio-Marktkenner listen die beiden großen „Biokonzerne“ gern auch unter dem „normalen“ Einzelhandel ein. Sie verkaufen zwar 100% Bioprodukte, aber vom Management und vom Unternehmensgebaren her seien sie eher dem konventionellen LEH zuzuordnen. Ihre aktuelle Preispolitik spricht Bände, aber das ist ein anderes Thema.

Hoffnungsschimmer am Milchmarkt

Am Milchmarkt zeichnet sich ein Hoffnungsschimmer ab. Noch im April trat der Erzeugerpreis auf der Stelle mit im Schnitt knapp 45 ct/kg. Nun kündigen einige Molkereien für die nächsten Monate Auszahlungen bis 49 Cent an. Leichte Steigerungen auf dem Weltmarkt, aber auch Änderungen in der „Milchlandschaft“, z.B. auf dem Spotmarkt, wirken sich schon aus.

Nach einem Ranking der Fachzeitschrift „agrarheute“ weichen die Preise von Molkerei zu Molkerei stark ab. An der Spitze der ausgewerteten 28 Molkereien lagen 5 bayerische Milchwerke. Top-Zahler war Oberfranken West mit 49,5 ct/kg vor Bayernland (49,3), Goldmilch, Berchtesgadener Land und Goldsteig mit um die 48 Cent.

Auf den hinteren fünf Plätzen befanden sich u.a. Hochwald (Rang 27 mit 42,3 Cent) und Arla mit 42,83 ct/kg. Die größte deutsche Molkereigenossenschaft Deutsches Milchkontor (DMK) liegt auf Platz 23 mit 43,69 ct/kg, örtlich direkt neben Ammerland gelegen, die 46,89 ct/kg ausgezahlt hat. (Nebenbei: Die Bewertung ist nicht einfach, hat dabei die verbreiteten unterschiedlichen Zuschläge - Fett/Eiweiß, GVO-frei, Mengenstaffelung usw. - zu berücksichtigen versucht, die teilweise bis 10% des Preises beinhalten.)

Die Molkerei Ammerland (Region Oldenburg) ist zurzeit die bestzahlende Molkerei im Norden und Westen und verarbeitet 2,4 Mrd. kg Milch im Jahr. Für die Landwirte erwarte man bis Ende des Jahres bis 49 Cent. Chancen sieht man laut Geschäftsbericht vor allem im Fettbereich, z.B. bei Butter und Käse. Die Genossenschaft ist sehr käselastig mit 78%, aber auch die Frischmilchproduktion wurde um 35% in 2023 gesteigert. Etwa 50% der Produkte gehen in den Export. Teils sinkende Weltmarktpreise werde man mit einer Verschiebung nach Europa ausgleichen. Da auch die Entwicklung für Milchpulver eher positiv verlaufe, sehe man zuversichtlich in die Zukunft. In ihrem Strategiekonzept bis 2026 liegt der Schwerpunkt auf Steigerung der Rohstoffmenge und Flexibilisierung und Erweiterung der Produktionsmöglichkeiten – in einem Markt mit begrenztem Wachstum sicher eine ehrgeizige Vorstellung. Oberstes Ziel sei die Erhaltung der Eigenständigkeit und die Erwirtschaftung angemessener Leistungen für Landwirte und das Unternehmen. Damit erklärt sie sicher eine genossenschaftliche Kampfansage an das benachbarte DMK (Bremen), das sich in diesem Jahr mit einer Kündigungswelle von 500 Milcherzeugern (=10%) auseinandersetzen muss. Das DMK will zwar bis Jahresende möglichst viele Landwirte zurückgewinnen, was aber nur über bessere Milchpreise gehen wird, und steckt zudem mitten in einer kostenträchtigen Umstrukturierung. Da kommt den Milchviehhaltern die Preis-Ansage von Ammerland gerade recht. Jedenfalls bereitet sich die DMK-Konkurrenz schon mal mit ihren Kapazitätserweiterungen auf weitere Lieferanten vor.

Der Marktbeobachter hat nach einer Analyse der Rabo-Bank und den damaligen Börsenpreisen bereits im Februar die Möglichkeiten gesehen, den Milchpreis in der zweiten Hälfte 2023 Richtung 50 Cent gesteigert zu bekommen. Einzelne bayerische Molkereien werden das schon im Sommer erreicht haben. Andere werden nachziehen müssen (können?). Aber den Preis werden die Erzeuger nicht geschenkt bekommen. Gute Erzeugergemeinschaften dürften Hilfe leisten und die Wichtigkeit von Zusammenschlüssen herausstellen müssen.

Das ISN-Schlachthofranking. Quelle: ISN