Etwas ist faul im Staate Dänemark - Schweinehaltung zwischen Exporteinbruch, Strukturkrise und Tierwohlversprechen

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Es stimmt etwas nicht in der dänischen Schweinewirtschaft. Während die Regierung neue Tierwohlgesetze ankündigt, ist der genossenschaftliche Schlachtkonzern Danish Crown (DC) in einer fundamentalen Krise und sucht händeringend nach neuen Strategien für die Landwirte und den Absatz. Die Schweinehalter sorgen sich um ihre bisher attraktive Export-Lieferperspektive, DC um ihre Rendite und die Agrarwirtschaft um ihr globales Verkaufsmodell. Lange Zeit galt in der Branche das Vorgehen der Dänen als vorbildlich und erfolgreich. Gerade norddeutsche Erzeuger fuhren zur Nachhilfe nach Dänemark und dänische Züchter haben seit Jahren die Ferkelzahlen in neue, zuvor kaum vorstellbare Höhen getrieben. Wer heute in Deutschland keine 30 Ferkel pro Sau und Jahr absetzt, gilt als Nichtexperte und sollte mal dänische Züchtung einsetzen. Jetzt werden die dänischen Mäster ihre Tiere nicht mehr oder nur zu einem schlechten Preis los, Ferkelerzeuger richten ihre Blicke ins Ausland, der Schlachtkonzern ächzt unter den Überkapazitäten und der China-Absatz ist in einer Sackgasse. Die Regierung träumt vom hohen Tierwohlstandard.

Schachthof dicht - 1,9 Mio.€ von der EU

Wieder kündigt der genossenschaftliche Schlachtriese DC, der mit 80% Marktanteil ein Quasi-Monopol am dänischen Schweinemarkt hält, die Schließung eines Schlachthofes an. Im September soll der Standort bei Kopenhagen mit bisher 45.000 Schlachtungen pro Woche schließen. Zugleich verlieren 1.200 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz. Bereits im letzten Sommer wurde ein Schlachthof dicht gemacht, so dass von 6 Standorten noch 4 übrig bleiben. Dafür erhält DC 1,9 Mio.€ EU-Hilfe, die diese Woche vom Parlament genehmigt werden; zusätzlich 1,2 Mio.€ von der Wirtschaftsbehörde  – als Unterstützung für entlassene Mitarbeiter. Auch in Deutschland hat man die Kapazitäten bereits um 40% abgebaut.

Hintergrund sind die seit zwei Jahren drastisch reduzierten Schweinelieferungen, denn die Zahl der dänischen Mastschweine ist im letzten Jahr um 16% eingebrochen. Seit 1990 sank die Zahl der Schweinehalter um 92% von 27.500 auf 2.400 Betriebe. 975 reine Mast- und 291 reine Ferkelbetriebe sind übrig geblieben (Rest geschlossenes System).

Exportboom am Ende – das große Aufräumen beginnt

Gleichzeitig liegt der Selbstversorgungsgrad weiterhin über 600%. Die Folge ist eine riesige Abhängigkeit vom Export, vor allem in Drittländer. Durch den Chinaexport um 2020 „haben wir zwei ausgesprochen gute Jahre mit starken Ausfuhrbilanzen erlebt,“ so Chef Valeur. Das ist vorbei, nicht mehr profitabel. Andere Länder wie Brasilien, USA und Spanien können es billiger. Jetzt steht man vor einem Scherbenhaufen. „Wir müssen unser Geschäftsmodell mit dem Ansatz, dass wir rund die Hälfte unserer Waren auf dem Weltmarkt vertreiben, stark in Frage stellen,“ bilanziert der Konzernchef. Der Anteil soll auf 20 bis 30% zurückgefahren werden. Die Zukunft liege im EU-Binnenmarkt und auf klima- oder tierwohlfreundlichen Produkten. Doch so ein Umbau wird kosten und dauern. Das weiß auch Valeur und schwört schon mal die Mitglieder ein, dass sich erst verzögert die wirtschaftlichen Zahlen bessern können.

Erzeuger zahlen den Umbau

Sicher ist nur, dass die Erzeuger jetzt und demnächst die Zeche bezahlen. Seit vielen Monaten liegt der dänische Schweinepreis ca. 30 bis 40 ct/kg (=20%) unter der Notierung anderer EU-Staaten. Dabei hat DC mal beschlossen, dass man immer mindestens 8 Cent über dem Schnitt zahlen werde. Davon ist man weit entfernt und die Kosten der Umstrukturierung beginnen erst. Insgesamt will DC mittelfristig durch ein strenges Spar- und Effizienzregime rund 200 Mio.€ einsparen, z.B. durch Schließung von Betrieben, besserem Vertrieb, Personalabbau usw. Marktkenner bezweifeln die ausreichende Wirksamkeit des Plans. Die Verluste werden nach Aussagen des Konzerns vor allem bei Schlachtung und Verarbeitung von Schweinen gemacht. Noch 2021/22 hatte DC mit Bonusnachzahlungen ein stabiles Ergebnis vorgelegt und die Bauern ruhig gehalten. Nun funktioniert es nicht mehr, die Bauern stocken ab bzw. besorgen sich neue Absatzwege.

Weniger oder mehr Schlachtungen?

Der Schlachtkonzern steckt im Dilemma. Überkapazitäten will man abbauen, weil der Absatz nicht läuft. Zugleich fordert man Liefertreue der Landwirte ein, die mit den schwachen Schweinepreisen hadern. Eine Umstrukturierung und zu wenig Auslastung kosten auch reichlich Geld. Deshalb versucht man die Lieferanten zu besänftigen, aber Preiserhöhungen sind auf den alten (Drittländern) oder „neuen“ EU-Märkten kaum umsetzbar. Schon 2022/23 sank der Konzern-Nettogewinn um 33%.

Lieferketten in Gefahr

Seit einem Jahr versucht der Vorstand der Genossenschaft, die Landwirte mit immer neuen Vorschlägen und strengen Worten bei der Stange zu halten. Zunächst hat man eine „Stabilitätsmaske“ aufgelegt. Demnach muss jeder Lieferant seine jährliche Liefermenge anmelden. Unter- oder Überlieferung wird abgestraft.

Zugleich haben sich die genossenschaftlichen Anteilseigner zur Rettung des Unternehmens verpflichtet, nächstes Jahr wieder 11 Mio. Schweine zu liefern - Preise ungesichert. Sauenhalter hatten in letzter Zeit ihre Ferkel in großem Stil nach Spanien, Deutschland und Polen zu besseren Konditionen verkauft. Jetzt will DC zur Festigung der Lieferkette Ferkelerzeuger in die Genossenschaft aufnehmen und sie dann für an DC-Mäster gelieferte Ferkel mit einer Abnahmegarantie und einer Sonderzahlung belohnen – die teilweise vom Bonus des Mästers abgezogen wird. So will man 90% der Schweine vertikal integrieren.

Greenwashing bei Klimaschutz

Schlachthaken abbauen, Lieferketten sichern, neue Märkte erobern mit schlechten Erzeugerpreisen. DC müht sich um die Quadratur des Kreises. Das Management versprüht Optimismus, die Bauern bleiben unter Druck. Jedenfalls soll der Fokus auf Europa gelegt werden, auch wenn dieser Markt bereits reichlich besetzt ist. DC soll von einem Schlachtbetrieb zu einem modernen Food-Unternehmen werden. Schlaue Strategien sollen Märkte erschließen. Dazu gehören auch höhere Tierwohl- und Klimaschutzkriterien, womit man in der EU punkten will. So will man demnächst die Kastenstände für Sauen bei der Abferkelung abschaffen. Die Regierung hat mit der Branche ein Tierschutzabkommen geschlossen zur freiwilligen Abstimmung zwischen Politik, Wirtschaft und Tierschutz. In klimaschonenden Produkten sieht man einen neuen Markt. Deshalb werden schon mal alle Erzeuger mit Auflagen angetrieben. Die Not ist groß, da müssen Pläne her.

Nebenbei: Gerade hat DC nach einem gerichtlichen Urteil eingeräumt, die Verbraucher getäuscht zu haben. Das Unternehmen wird die Aussagen „Dänisches Schwein - klimafreundlicher als Sie denken“ und „Klima-kontrolliertes Schwein“ nicht mehr verwenden.

Der Marktbeobachter erinnert sich an Shakespeare, Hamlet, 1. Aufzug „Etwas ist faul im Staate Dänemark“. Jetzt erlebt man die Kehrseite der „verrückten“ Überproduktion einschl. der Abhängigkeit vom Export, besonders in Drittländer. Diesen Vermarktungsweg aufrecht zu erhalten, heißt wegen der Konkurrenz die Erzeugerpreise niedrig halten zu müssen, was aber die Erzeuger nicht mitmachen. Die alternative Strategie, „Mehrwertschweine“ in der EU zu vermarkten, führt zu einer Verteuerung der Produkte. Wie erfolgreich das sein wird angesichts der Programme für Tierwohl, Klimaschutz auch in anderen Ländern, wird sich zeigen. Auch Projekte bei Fleischersatz und Laborfleisch werden getestet. Damit reiht sich Dänemark in die europäischen Länder wie Deutschland, Niederlande ein, die sich von der übergroßen Weltmarktabhängigkeit verabschieden. Ausnahme bleibt (noch) Spanien. Deutschland hat den Vorteil, dass der Exportanteil schon seit 2020 seuchenbedingt zurückgefahren werden musste. Die Ausgangsposition in Dänemark ist viel herausfordernder.