Milchmarkt: zum Jahresende sind 50 Cent möglich

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Der Milchmarkt bewegt sich 2024 in ruhigem Fahrwasser, melden Marktkenner der AMI Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH. Aber unter der Oberfläche rumort es heftig. Auch wenn sich die Milcherzeugung auf Vorjahrslinie befindet, wird in einigen Regionen die Milch knapp und zu einem Streitobjekt der Molkereien. Besonders im Norden ist die Achterbahnfahrt wohl noch nicht zu Ende. Laut Börsen-Milchwertberechnung kann man zum Jahresende einen am Terminmarkt abzusichernden Milchpreis von 50 Cent erzielen. Erwartet wird ein Anstieg von etwa 5% am relevanten Buttermarkt.

Milchpreis erholt sich langsam

Aktuell liegt der Auszahlungspreis bei ca. 46 ct/kg (4,0% Fett und 3,4% Eiweiß) und damit auf der Höhe des Durchschnitts von 2023. Damit wird nach der Berechnung des Milch-Marker-Index (MMI) vom April nahezu eine Kostendeckung erzielt. In den Jahren 2014 bis 2021 war eine Unterdeckung von jeweils 20-30% zu verzeichnen, die viele Betriebe zur Aufgabe gezwungen hat. In diesem Jahr hat der Preis langsam von 43,9 Cent im Januar angezogen. Während sich die süddeutschen Molkereien weitgehend seitwärts bewegten, konnten die Milchwerke im Norden und Westen leicht aufholen, so dass sich der Unterschied zwischen Nord und Süd verringerte. Spitzenreiter sind laut Berechnungen von agrarheute die Milchwerke Oberfranken-West mit 49,5 ct/kg vor Bayernland und Goldmilch. Im Norden rangiert weiterhin die Molkerei Ammerland (bei Oldenburg) vorn, ca. 2,5 ct/kg vor dem Deutschen Milch Kontor (DMK Bremen), der größten deutschen Molkereigenossenschaft.

Rohstoff wird knapper

Die Krise des DMK spielt dabei eine wichtige Rolle. Etwa 10% der Genossenschaftsmitglieder haben für Ende 2024 ihre Lieferungen gekündigt, weil ihr Abnehmer im letzten Jahr am Ende des Preisrankings lag. Da der Milchkonzern einige der Kündiger zurückgewinnen will, muss er im Preis nachlegen. Aber der Nachbar und Konkurrent Ammerland legt die Preislatte hoch und hat zugleich angekündigt, die Produktion auszuweiten und mehr Milch aufnehmen zu wollen. Und jetzt hat auch noch der holländische Genossenschaftskonzern FrieslandCampina, der sich schon vom deutschen Erzeugermarkt zurückziehen wollte, die Tür für Molkereiwechsler weit geöffnet und zielt auch auf die Wechselbereiten des DMK. Aufnahmegebühren werden ausgesetzt, Wachstumsbetriebe und Hofnachfolger bei Lieferbedingungen hofiert. Besonders das teure und nicht rückzahlbare Eintritts-/Aufnahmegeld von 50.000 € bei 1 Mio. kg Lieferung war bisher heftig umstritten und schreckte potenzielle Neumitglieder ab. Auch die Lieferrechtzertifikate mit 80.000 € pro 1 Mio. kg, die bei Kündigung zurückgezahlt werden, sind nicht ohne Brisanz und werden jetzt zunächst gestreckt. Das Angebot gilt nur für fünf Landkreise im westlichen Niedersachsen und drei Regionen im Münsterland angrenzend an Holland – mitten im Kerngebiet des DMK. Hintergrund des holländischen Offensivkurses ist das Minus von 7% der verarbeiteten Milchmenge und der Verlust von Kostenvorteilen. Außerdem erwartet man einen kräftigen Angebotsrückgang durch die Güllepolitik im Nachbarland und allgemein eine EU-weite Reduktion der Milchanlieferung.

Der Rohstoff Milch wird knapper und umkämpft. Das gilt zurzeit vor allem für Milchfett, zumal die Nachfrage nach Butter, Sahne und Käse zunimmt. Butter notiert im europäischen Großhandel um 40% über Vorjahr und wird ja auch im Supermarkt teurer. Auch Magermilchpulver ist ordentlich am Markt.

Selbst die Signale vom Weltmarkt stimmen eher positiv trotz Risiken der Weltkonjunktur oder des nachlassenden Interesses aus China. Jedenfalls deuten die Börsenpreise für das Jahresende eine Fünf vorn an. Auf dem Spotmarkt, auf dem die Molkereien untereinander handeln, wird derzeit zwischen 47 bis 48 Cent gezahlt – da ist die Erzeugermilch günstiger.

Auswertung 2023: Markt differenziert sich 

Ein turbulentes Milchjahr nennen die Analysten der AMI bei ihrer Bewertung das letzte Jahr, die sie für NRW und Umgebung nun im Wochenblatt Westfalen-Lippe vorgelegt haben. Molkereien, die 2022 durch den Weltmarkttrend nach oben gespült waren, fanden sich auf Abstiegsplätzen wieder. Besonders trifft das auf das DMK zu, deren Auszahlungspreis 2023 um 13 Cent fiel und das NRW-weit mit Abstand letzter wurde. Standardmilch ist mittlerweile die gentechnikfrei erzeugte Milch mit 82% Anteil in NRW. Milch aus konventioneller Fütterung machte 15% aus, Ökomilch 3% (hier liegt NRW im Bundesvergleich weit zurück). Interessant ist die Differenzierung, die sich im Markt bereits durchgesetzt hat, so dass die Vielfalt der Milcharten an Bedeutung gewonnen hat. Schon 2023 wurde etwa 16% mit besonderen Anforderungen wie Weidegang oder Haltungsform 3 (Offenstall + Laufhof) und 4 (Weidehaltung oder Öko) erzeugt. Wenn man Öko ausklammert, erzielte die Molkerei Moers (Gropper) mit ihrem Tierschutzlabel-Programm (HF 4) mit 50,5 ct/kg den Spitzenplatz, davon stehen 4 Cent für das Label-Premium. Im „normalen“ (GVO-freien) Markt liegt die Hochwald Milch eG an der Pole-Position mit 47 ct/kg (incl. aller Zuschläge). Hochwald ist besonders in der weißen Linie (Trinkmilch) stark, hat – auf Drängen des LEH – seit Herbst einen Großteil der Menge auf HF 3 bzw. QM++ umgestellt und zahlt dafür 3 ct/kg Zuschlag. Allgemein ist ein Aufschlag für höhere Stufen noch weitgehend „beliebig“ und ungeklärt. Gezahlt werden für HF 3 zwischen 1 bis 3 Cent Aufschlag. Hier fehlt den Erzeugergruppen bzw. MeG’s noch die Koordination und ein einheitliches Auftreten, so dass sie auch hier Restgeldempfänger bleiben. Überhaupt ist auch unabhängig von Tierhaltungsunterschieden die Lage verwirrend, da das Zuschlag- und Abzugswesen sich wuchernd ausgedehnt hat. An erster Stelle ist dabei der schwedisch-dänische Konzern Arla Foods zu nennen, der seinen Milchpreis bei einem niedrigen Grundpreis und vielfältigen Zuschlägen nahezu unvergleichbar gemacht hat.

Biomilch stabil, aber zu niedrig

Der Preis für Biomilch hat sich in 2023 laut Bioland-Informationen im Unterschied zum Absturz der konventionellen Milch bundesweit stabil bei ca. 58 ct/kg gehalten. Aktuell bewegt er sich um die 56 Cent auf Vorjahresniveau. Auch wenn er damit fast an die Rekorde der letzten Jahre anknüpfen kann, werden die Kosten (laut Bioland bei 69 ct/kg) bei weitem nicht gedeckt. Trotz einer Differenz von wieder ca. 11 Cent zwischen Bio und „normal“ rechnet sich eine Umstellung nicht wirklich, weshalb auch die Biomolkereien keinen Lieferdruck verspüren. Die Übermengen des Vorjahrs – Deutschland war EU-weit das einzige Land mit Zuwachs von 4,9% - gelten als weitgehend abgebaut, da die Erzeugung kaum gestiegen und der Absatz wieder angezogen ist.

Dem Marktbeobachter stellen sich die Aussichten am Milchmarkt derzeit recht günstig dar. Kaum Mengendruck und eine gestiegene Nachfrage bieten durchaus Chancen für die Milcherzeuger, im Weihnachtsquartal bessere Preise zu erzielen. 50 Cent sind da schon mal drin. Die Vorzeichen stehen gut. Aber die Umsetzung bekommt man nicht geschenkt. Man muss sie schon einfordern. Hier sind die Milcherzeugergemeinschaften gefragt, was wiederum einen möglichst hohen Organisationsgrad und eine große Einigkeit erfordert. Dass gerade die Genossenschaften (in Bauernhand?) dieses für die Erzeuger erledigen, davon ist nicht unbedingt auszugehen. Zu sehr stecken gerade Milchkonzerne im internationalen Wettbewerb und unter Auslastungs- und Rationalisierungsdruck.
2024 kann dennoch ein ordentliches Milchjahr werden.