Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Das ist schon ungewöhnlich. Seit fünf Monaten war der Schweinepreis stabil und unbeweglich bei 2,20 €/kg. Vom Schweinezyklus war mindestens kurzfristig nichts zu spüren. Der Markt war ausgeglichen, nachdem 2021- 2022 die Erzeugung und die Schlachtzahlen drastisch zurückgefahren wurden – aber auch der Fleischkonsum und der Export eingebrochen waren. Nach zuvor zwei gruseligen Jahren können die Schweinehalter wieder Luft schöpfen.
Hält das Marktgleichgewicht?
Marktanalysten sehen im Schweinemarkt auch für 2024 ein gutes Jahr für die Erzeuger – so die allgemeine Überzeugung. Noch Ende Juni ließen die Experten verlauten, dass der Markt „vornehmlich“ ausgeglichen sei, auch wenn „ernsthafte Impulse“ durch ein Grillwetter oder die Fußball- Europameisterschaft fehlten. Aber der Markt habe die Sorgen wegen der aufgetretenen Schweineseuche (ASP) in Brandenburg und Hessen und der damit verbundenen Exportrestriktionen, z.B. nach Südkorea gut weggesteckt. Eine Woche später kam Unruhe auf. Der Schweinepreis fiel auf „massiven Preisdruck einiger großer Schlachtunternehmen“ (ISN) (und des Handels?) um 0,10 €/kg. Zuvor hatte die maßgebliche, von den Erzeugergemeinschaften (VEZG) bestimmte (!) und allgemein anerkannte Notierung dem Marktdruck standgehalten. Aber als jetzt einige Schlachtkonzerne ihre Schlachtzahlen reduzieren wollten (Ferien), nahm die VEZG „zur Entspannung“ die Notierung zurück, konnte sie aber seitdem wieder stabilisieren. Zugleich sind in anderen wichtigen EU-Ländern (Spanien, Frankreich, Holland) die Produktion und die Preise weitgehend konstant. Insgesamt ist die „Preislaune“ auf den Schweinehöfen nur wenig eingetrübt, solange die Produktion sich nicht erhöht – zumal auch die Prognosen für Ende 2024 und 2025 positiv aussehen.
Beschränkte Produktion europaweit
Während die Wachstumseiferer die geringe Investitionsbereitschaft der Landwirte beklagen, erkennen manche Marktkenner an der unsicheren Zukunft über die Bedingungen der Schweineproduktion (Baurecht, Tierwohl, Export usw.) auch eine gute Seite. Das verdiente „Schweinegeld“ wird nicht - wie im klassischen Schweinezyklus üblich - gleich in neue Ställe investiert, die demnächst wieder auf den Absatz drücken würden. Und das gilt europaweit. Warum wird nicht gebaut?
In den Niederlanden und Belgien begrenzt die Regierung die Schweineproduktion. Auch die neue Regierung mit einer Ministerin der Bürger-Bauer-Bewegung (BBB) will die überfälligen Einschnitte in die Gülleproduktion zwar reduzieren bzw. auf freiwilligen Ausstieg senken, aber die Produktionsrechte werden erschwert und man sorgt sich, ob Brüssel die bisherigen Ausnahmerechte beim „Gülleüberschuss“ verlängert. Jedenfalls geht der Streit um eine geringere Kürzung, nicht um eine Steigerung.
In Dänemark ist die Abhängigkeit vom Export dominierend. Mit dem Abschwung vor allem des Drittlandexports (China!) rutschten die Erzeugerpreise in den Keller – ca. 15% unter EU-Durchschnitt, so dass die Mäster reihenweise unter Druck sind. Da auch noch die Ferkelpreise EU-normales Niveau erzielen, sind die Aussichten auf Zuwachs bescheiden.
Selbst in Spanien ist das exportgetriebene Wachstum ausgebremst. Die ökologischen (Wasser) und tierschutzgemäßen (Ferkelkrankheiten) Folgen kommen stärker zum Vorschein und die Genehmigungen riesiger Anlagen werden erschwert.
Auch in Deutschland werden kaum Schweineställe gebaut. Mit unsicheren Perspektiven für eine langfristige Investition bei gestiegenen Baupreisen und Zinskosten begründen das die Landwirte. Dazu kommen Unklarheiten über Vorschriften im Bau- und Genehmigungsrecht, Auflagen beim Tierwohl vor allem bei Ferkeln und Unsicherheiten über Abnahmeverträge. Im Bundesprogramm Tierwohl wurden in drei Monaten nur (oder immerhin) 100 Anträge auf Stallbauförderung ohne Produktionsausweitung gestellt – die ersten inzwischen bewilligt.
Jedenfalls ist in den EU-Hauptproduktionsländern in nächster Zeit kein Wachstumsimpuls zu erwarten, was die Aussichten für die Schweinehalter auf ordentliche Auszahlungspreise verbessert.
Rekordjahr 2023/2024 in der Schweineproduktion
Für das gerade verflossene Wirtschaftsjahr Juli 2023 bis Juni 2024 werden jetzt die ersten Ergebnisse veröffentlicht. Nach Berechnung der Landwirtschaftskammer NRW sind die Gewinne auf ein Rekordniveau gestiegen. Bedingt durch hohe Schweinepreise und leicht gesunkene Futterkosten konnte das Ergebnis sogar das Spitzenjahr 2019/2020 (Exportboom durch Schweinepest in China) übertreffen. Getrübt werden die guten Zahlen durch die erhöhten Gebäudekosten (incl. Zins) und Arbeitskosten. Hier macht sich die Anhebung des Mindestlohns und der Fachkräftemangel bemerkbar. Im Schnitt der letzten fünf Jahre ergibt sich, so die Kammerrechner, für die Schweinemast eine schwarze Null, weil die letzten beiden guten Jahren die Löcher aus 2020/2022 stopfen mussten.
Besonders positiv liefen die letzten zwei Jahre für die Ferkelerzeuger, sonst immer das Stiefkind beim Marktpreis. Aber selbst ein guter durchschnittlicher Sauenhalter hat in diesem Rekordjahr unterm Strich nur etwa 30.000 € Gewinn erzielt. Davon kann er aber kaum die gewaltigen Auflagen stemmen, die durch die Änderungen der Nutztierverordnung (Deckzentrum jetzt, Abferkelung demnächst) auf ihn zukommen.
Ein Nebeneffekt ist nach Auffassung der Kammerberater, dass die guten konventionellen Ergebnisse zu einem geringen Interesse an einer Umstellung auf Bio-Schweinehaltung führen, was die Bioschweine knapp und bei guten Preisen hält (im Unterschied zu Biomilch oder Biogetreide). Es bestätigt sich mal wieder, dass sich knappe Ware am besten verkauft.
Export auf niedrigen Wert stabil
In den letzten Jahren wurde der Export von Schweinefleisch stets zurückgefahren. Wurde der Kampf um einen „Platz an der Exportsonne“ mit seinen niedrigen Weltmarktpreisen lange Zeit als eine wichtige Ursache für die schlechten hiesigen Erzeugerpreise gedeutet, so spielt die Ausfuhr seit der ASP-bedingten Sperre nach China längst nicht mehr die führende Rolle. Trotzdem wurden etwa 2 Mio. Tonnen Fleisch incl. Nebenprodukte (Köpfe, Ohren, Schwänze usw.) nach 2,7 Mio. t in 2020 ausgeführt. Über 82% wird mit der EU-27 gehandelt. Preisentscheidend ist, dass nur noch 16% auf Drittlandsmärkten abgesetzt wird, während es vor vier Jahren noch 40% waren. Davon geht etwa ein Drittel nach Großbritannien, das inzwischen als Drittlandstaat zählt. Richtung Asien, Afrika oder Amerika läuft gerade einmal etwa 10% des deutschen Exports.
Der fehlende Export nach China könnte sich jetzt vielleicht als Glücksfall erweisen. Nicht nur dass die Fleischmultis aus Spanien, Dänemark und den Niederlanden schon in den letzten Jahren unter dem Absatzeinbruch nach China gelitten haben. Jetzt hat die chinesische Regierung eine Anti-Dumping-Untersuchung von Fleischimporten aus der EU eingeleitet, wie das chinesische Handelsministerium berichtet – als Reaktion auf mögliche EU-Zölle auf chinesische E-Autos. Explizit werden die Fleischkonzerne Danish Crown, Vion und Litera Meat überprüft. China bezog in 2023 für 3 Mrd. € Schweinefleisch aus der EU. Wenn der Export weiter einbrechen sollte, wird sich viel Fleisch in der EU wiederfinden, fürchten Branchenkenner.
Für den Marktbeobachter ist das Marktgleichgewicht (besser noch die knappe Marktversorgung) die Bedingung für den gegenwärtigen ordentlichen Schweinepreis. Das ist das Pfund der Erzeuger bei den Verhandlungen, das sie nicht aus der Hand geben dürfen - zumal aus dem Ausland nicht zu viel Ware hereindrängt. Sich auf den Binnenmarkt zu konzentrieren, ist angesichts der Ungewissheit der Weltwirtschaft nicht unklug. Ebenso wie den heimischen Markt mit seinen speziellen Anforderungen des Handels nach Umstellung auf Tierwohl bei deutscher Herkunft im Auge zu behalten. Verglichen mit anderen Märkten (Getreide, Milch) oder den Turbulenzen der letzten Jahre ist der Schweinemarkt aktuell geradezu ein Ort der Ruhe.