Neues von Tierhaltung und Fleischmarkt

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Konkurrenz im Schweinefleischexport nicht zu gewinnen ++ Tierwohl im Einzelhandel im Kommen ++ Wiesenhof stellt Hähnchen um auf mehr Tierwohl ++ CMA-Revival als Branchenkommunikation Fleisch? ++ Ringelschwanzprämie in Niedersachsen läuft aus

 

Globaler Konkurrenzkampf um Schweinefleisch nicht zu gewinnen

Die Produktionskosten in den Schweinebetrieben laufen weltweit auseinander. Für die teure deutsche Erzeugung sind die Chancen, auf dem Weltmarkt eine starke Position zu erringen, eher gesunken – selbst wenn der Export nach China nach der Kanzlerreise wieder aufgenommen werden könnte.

Nach Berechnungen des internationalen Netzwerkes InterPIG für 2022 liegt Deutschlands Schweineproduktion nach Italien, Großbritannien und Schweden an der Spitze der teuren Plätze. 2,22 €/kg wurden für das Jahr errechnet. Die Kosten stehen heute trotz geringerer Futterkosten, aber höheren Ferkel- und Arbeitskosten auf einem ähnlichen Niveau. Am günstigsten produzieren die globalen Leader Brasilien mit 1,50 und USA und Russland mit 1,80 €/kg. Die Erzeugerpreise liegen in der Regel sogar noch weit unter den Selbstkosten. In Europa ist nach dieser Auswertung Dänemark der Billigproduzent mit 1,86 €/kg. Auch Spanien, Niederlande, Belgien und Frankreich bewegen sich 15 bis 25 Cent unter deutschem Niveau. Ein wesentlicher Faktor bei der Kalkulation sind neben den Futtermitteln die Arbeitskosten, die in Brasilien bei 2,80 € pro Stunde liegen. Auch Spanien mit dem Mindestlohn von ca. 6 €/Std. oder USA liegen 20% „günstiger“. In der EU rangieren die Niederlande und Dänemark vor Deutschland bei der „Lohnhöhe“. Die Gebäude bewegen sich in USA und Spanien auf der Hälfte unserer Kosten, Brasilien bei einem Viertel. Eine höhere Rationalisierung gleicht das nicht aus. Die Ferkelzahlen pro Sau haben sich international stark angenähert zwischen 27 (Spanien wg. PRRS) und 34 (Dänemark).

Mit einer solchen Produktionskostenstruktur wird Deutschland bei Drittländern kaum in der Export-Champions-Liga spielen. Im EU-Binnenmarkt sieht es anders aus.

 

Tierwohl im Handel im Kommen

Auch wenn manche Verbandsfunktionäre es nicht wahrhaben wollen, wachsen die realen Verkaufszahlen für Tierwohlfleisch und -milch kontinuierlich. Das berichtet der ITW-Ableger „Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls“. Schweinefleisch der Stufen 3 (Außenklima) und 4 (Auslauf, Bio) erreicht bereits 20% in der Bedientheke. Der SB-Bereich hinkt nach, holt aber aktuell durch die Discounter kräftig auf. Der gesetzliche Standard fliegt bei Schweine- und Geflügelfleisch praktisch aus den Bedientheken. Überwiegend liegt Stufe 2 (etwas mehr Platz) an der Spitze. Bei Rindfleisch dreht sich gerade die Bewertung. Im Vorjahr wurde noch 70% im Standard oder gar nicht gekennzeichnet. Stufe 3 und 4 wachsen nun stetig in Richtung 40% in Bedienung. Insgesamt ist in der Fleischtheke das Geflügel der Tierwohlvorreiter. Jedes vierte Kilo Hähnchen oder Pute trägt die Stufe 3 und mehr. Bei abgepacktem Fleisch rangiert Stufe 2 mit 90% weit vorn. Auch dieses wird sich mit Aldi’s Ankündigung, bei Pute voll umzustellen, schnell wandeln.

 

Wiesenhof stellt nach und nach auf Tierwohlhähnchen um

Die Änderung Richtung Tierwohl bewegt auch den Geflügel-Konzern PHW-Gruppe (Marke Wiesenhof). Wie der Eigentümer und Vorstandsvorsitzende Peter Wesjohann mitteilte, werden nur noch 3% nach geringem gesetzlichem Standard aufgezogen. Der weitaus größte Teil wird in der ITW-Stufe 2 vor allem für Handelsmarken produziert. 10% sind in Stufe 3 und 4 einsortiert. Die PHW-Marke „Privathof“ mit dem Logo des Tierschutzbundes gehört zur Stufe 3 (Kaltauslauf im Stall) und umfasst 350.000 Schlachtungen pro Woche. 63 Landwirte haben einen Vertrag. Bis 2040 will Wesjohann nur noch Stufe 3 und mehr machen. Trotzdem bleibt er skeptisch, denn dieses Fleisch würde ca. 40% teurer werden. Man werde es durchziehen, wenn es dafür eine Nachfrage und auskömmliche Preise gibt, verspricht er. Naja! Da sind aber manche Discounter in ihren Ankündigungen und ihren Verkaufserfolgen mutiger!

 

CMA-Revival als Branchenkommunikation Fleisch?

Tote leben länger oder können wiederauferstehen. Seit 2009 ist die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH (CMA) aufgelöst. Zuvor mussten alle Erzeuger eine Zwangsabgabe zahlen, um damit Werbung für „Fleisch – ein Stück Lebenskraft“ usw. erleben zu dürfen. Nun ist der (Schweine-)Fleischkonsum nicht nur in der Kritik, sondern auch stark rückläufig. Fleisch hat ein Imageproblem, haben Funktionäre aus Industrie und Schweineverbänden erkannt und sich an alte Zeiten der CMA erinnert. Sie haben eine neue private Gesellschaft „Branchenkommunikation Fleisch“ gegründet, die jährlich 14 Mio. € in einen Werbetopf einspeisen soll – jeweils zu einem Drittel von Erzeugung, Schlachtung und Verarbeitung. Eingesammelt werden soll das Geld am Schlachthof. Einbehalten werden als Vorkosten 0,30 € pro Schwein und 1,20 € pro Schlachtrind. Die Erzeuger werden natürlich nicht gefragt.

Nur mal nachgerechnet: 40 Mio. Schlachtschweine pro Jahr x 0,30 € ergibt 12 Mio. €. Das ist viel mehr als ein Drittel. Oder soll nur für jedes vierte Schwein gezahlt werden?

 

Ringelschwanzprämie in Niedersachsen läuft aus 

Das niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) hat angekündigt, dass es in diesem Jahr kein neues Antragsverfahren zur ELER-Tierwohlförderung, bekannt als Ringelschwanzprämie, geben wird. Mit einer hohen Prämie förderte das Landwirtschaftsministerium in Hannover bisher Betriebe, die mindestens 70 % ihrer Schweine mit intaktem Ringelschwanz durchbrachten. Wenn sie den Tieren auch noch Auslauf gewähren, erhöht sich die Förderung signifikant.
Stattdessen empfiehlt das Ministerium eine Förderung durch das Bundesprogramm zum Umbau der Tierhaltung zu beantragen. Eine gleichzeitige Beteiligung an beiden Programmen wäre als Doppelförderung verboten.
Ob andere Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg ihre Tierwohlprogramme auch auslaufen lassen oder ob die Bäuerinnen und Bauern eine Wahlmöglichkeit haben, ist wohl noch nicht entschieden.