Gesellschaftliche Akzeptanz und finanzielle Perspektive

Jetzt ist sie durchs Bundeskabinett, die verbindliche Haltungskennzeichnung für Fleisch. Zwar erstmal nur für Schweinefleisch, und hier auch nur für Frischfleisch, und das Schweineleben wird auch nur zur Hälfte abgebildet, nämlich erst ab der Mast. Sauenhaltung und Ferkelaufzucht werden außen vor gelassen, vorerst jedenfalls.

Man könnte jetzt sagen, besser als gar nichts, haben doch die Vorgängerinnen und Vorgänger im Landwirtschaftsministerium außer viel heißer Luft nichts umgesetzt. Aber dennoch ist die Kritik, die von allen Seiten im Anhörungsverfahren zum Gesetz und zur Verordnung kam, sehr berechtigt. Bis auf den BÖLW, der sich mit der Forderung nach einer eigenen Stufe für Biofleisch durchgesetzt hat, sind alle anderen Verbände sehr unzufrieden. Nicht nur, weil die Kriterien des staatlichen Labels teilweise noch hinter denen des Handels zurückbleiben.

Außerdem war es letztendlich das Landwirtschaftsministerium selber, das mit der Einsetzung des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung unter Leitung des ehemaligen Landwirtschaftsministers Borchert dafür gesorgt hat, dass alle auf die Transformation der Tierhaltung eingeschworen wurden. Als Mitglied dieser Kommission war ich immer wieder sehr erstaunt, wie ernsthaft die unterschiedlichsten Interessengruppen die Arbeit in der Kommission und auch in den Arbeitsgruppen unterstützt haben. Umso mehr hat es alle verwundert, wie wenig von deren Ergebnissen letztendlich in die Haltungskennzeichnung aufgenommen wurde. Das schätzt die Arbeit eines solchen Gremiums nicht wirklich wert!

Es ist aus meiner Sicht ein Fortschritt der Demokratie, dass man versucht, große Konfliktfelder gemeinsam zu lösen, indem man die unterschiedlichsten Interessengruppen an einen Tisch holt. Aber wie so oft geht es dabei natürlich um Geld. Und auch die Borchert-Kommission sah es als wichtigste Aufgabe an, die Finanzierung des Umbaus zu klären. Es geht hier schließlich um ca. vier Mrd. Euro jährlich, die an höheren Kosten veranschlagt sind und die nicht vom Markt allein getragen werden. Leider konnte sich die Ampelregierung hier noch auf keine endgültige Finanzierung verständigen. Lediglich eine Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt steht in der Zeit von 2023 bis 2026 zur Verfügung und kann jetzt auch, nach zähem Ringen, nicht nur für Investitionsförderungen, sondern auch für laufende Mehrkosten aufgewendet werden. Zumindest ein Anfang, aber weit entfernt von den 20-Jahres-Verträgen, welche die Borchert-Kommission als Investitionssicherheit fordert.

Das Wichtigste ist aber, jetzt den Betrieben eine Perspektive aufzuzeigen. Der Schweinemarkt liegt jetzt zweieinhalb Jahre am Boden und immer mehr Betriebe werfen das Handtuch. Insbesondere die Sauenhalter, die durch die neuen Vorgaben zum Platzbedarf in den nächsten Jahren große Investitionen tätigen müssen, sind extrem verunsichert. Wenn wir wollen, dass wir zukünftig Ferkel mit Ringelschwanz für eine artgerechte Tierhaltung in Deutschland haben, müssen diese unverzüglich auch in die Haltungskennzeichnung mit aufgenommen werden und die Sauenhalter müssen auch Tierwohlprämien beziehen können. Ebenfalls sind die Richtlinien für die anderen Tierarten in den Arbeitsgruppen der Borchert-Kommission zu vollenden und müssen auch in die Haltungskennzeichnung und die Tierwohlprämien mit aufgenommen werden. Wir haben alle viel gearbeitet in den letzten Jahren und gute Vorschläge sowohl in der Borchert-Kommission als auch in der Zukunftskommission entwickelt. Jetzt muss die Politik ins Handeln kommen.

08.11.2022
Von: Martin Schulz, AbL-Bundesvorsitzender und Neuland-Schweinehalter