Die aktuellen Fleischpreise bringen auch den Biomarkt in Bewegung. Einzelne Abnehmer sorgen nun für besondere Aufregung in der Szene, so dass selbst manche Erzeuger den Kopf schütteln. Dabei entwickelte sich der Preis für Bioschweine in den letzten Jahren stabil bis leicht steigend. Konventionellen Schweinehaltern, die seit 100 Jahren im Schweinezyklus ausgebildet wurden, kamen die Bio-Preisberichte vor wie Mitteilungen aus einer anderen Welt.
Der Bioschweinemarkt der letzten 20 Jahre kann tatsächlich als eine Erfolgstory beschrieben werden. Von kleinsten Anfängen im bis heute getreide-, obst- und gemüselastigen Biomarkt konnten sich Fleischprodukte mühsam einen eigenen Markt schaffen. Aber immer noch bewegt sich Bio-Schweinefleisch in einer Nische von ca. 2%. Es gelang jedoch, diesen kleinen Markt, der immer anfällig ist für Eruptionen, kontinuierlich aufzubauen. Angebotsüberschüsse konnten vermieden werden, so dass der Preis für die Bäuerinnen und Bauern relativ zuverlässig eingeplant werden konnte.
Kontinuierliche Preissteigerung oder „nach fest kommt ab“
Zur Erinnerung: In den 2000er Jahren stieg der Preis von etwa 2,35 auf 3,00 €/kg. Bis Mitte 2021 erhöhte er sich nach und nach auf 3,80 €. Seitdem ist er auf 4,20 bis 4,30 €/kg angezogen und die Ferkel parallel auf 160 €. Trotz der Bioflaute in 2022 blieb der Preis in den letzten Monaten stabil. Auch die Fleischnachfrage , so die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI), „ruckelt sich wieder zurecht“. Die Verkaufszahlen liegen deutlich über Vor-Corona. „Das lange Zeit knappe Angebot passt damit wieder zur Nachfrage.“ Durch die hohen Futterkosten haben manche Betriebe die Aufstallung verschoben und Umstellungen zurückgestellt. Erstmalig seit Jahren berichten Marktbeteiligte eher von leichten Überhängen bei Ferkeln.
Eigentlich erlebt der Bioschweinemarkt zurzeit keine großen Verwerfungen wie im konventionellen Markt. Kenner sprechen eher von einem insgesamt ruhigen Markt mit leichter Nervosität über die nächsten Zukunftsaussichten. Trotz nach wie vor hoher Futterkosten (die Energiekosten spielen in der Mast keine so große Rolle) hält die Mehrzahl der Bioschweinehalter „die Füße still“. Die Deckungsbeiträge sind gegenüber dem letzten Jahr zurückgegangen und die Zeiten stehen gerade bei hochpreisigen Produkten nicht auf Wachstum. Nicht alle Kosten können an die Kunden problemlos weitergegeben werden. „Es ist wie beim Schrauben,“ erklärt ein Bio-Mäster, „nach fest kommt ab.“
Edeka Südwest: Biedermann oder Brandstifter
In dieser Zeit mit ungewisser Zukunft kommt von der Edeka Südwest ein Paukenschlag. Aus Sorge um kurzfristige Versorgung mit regionalem Bioschweinefleisch hat der Konzern die Preise um 50 Cent auf 4,80 €/kg erhöht. Tatsächlich haben einige Bauern in der Region nicht nachgestallt, so dass möglicherweise Engpässe entstehen können. Wie Kenner der Szene berichten, ist der Absatz für Biofleisch im Südwesten zwar deutlich zurückgegangen (manche reden von 30%), aber den Einkäufern scheint der Schreck in die Glieder gefahren zu sein. Laut Vertrag steht den Bioland-Erzeugern das Recht zu, bei grundlegend veränderten Kosten, d.h. mehr als 8%, eine neue Preisfindung zu verlangen. Dieses Recht haben sie nun eingefordert. Da für Betriebe aus dem Gebiet von Edeka Rhein-Ruhr die gleichen Konditionen gelten, erhöhen sich die Preise auch in dieser Region (Westfalen, Hessen), „obgleich sich die hier angeschlossenen Betriebe nicht für diese Preiserhöhung eingesetzt hatten“, wie der Newsletter des ABD (Aktionsbündnis Bioschweinehalter Deutschlands) schreibt.
Die insgesamt kleine Bioschweine-Szene ist aufgebracht. Einzelne Erzeugergemeinschaften sprechen von Irrlichtern am Markt. Selbst das ABD, das eher für Preisforderungen bekannt ist, distanziert sich. Der LEH könne die höheren Beschaffungskosten quersubventionieren. „Höhere Einkaufspreise für Bio-Schweinefleisch spielen für Edeka in der Summe eine absolut untergeordnete Rolle. Der Naturkostfachhandel kann nicht quersubventionieren.“ Tatsächlich leiden die Bioläden und Bio-Supermärkte besonders unter Umsatzeinbußen mit zweistelligen Prozentraten. Ohne deren Leistungen, heißt es, gäbe es nicht die Vielfalt an Bio-Produkten. Deren Gewinn werde ausschließlich mit Bio-Produkten gemacht und höhere Beschaffungskosten müssten zwangsläufig weitergegeben zu werden. Die Sorge der Bauernorganisation betrifft auch die Lieferanten des Fachhandels. „Es sind Unternehmen, die Bio und damit auch Biofleisch aufgebaut haben. Beispielsweise Biofleisch NRW,“ (eine Bauerngenossenschaft) „Chiemgauer Naturfleisch oder der Thönes Naturverbund. Es sind kleine Unternehmen, die handwerklich Fleisch verarbeiten.“ Einige Marktexperten vermuten gar, dass einzelne LEH-Konzerne (bewusst?) den Markt bereinigen wollten, weil ihre eigenen Naturkostkonzepte nicht aufgegangen seien.
Höhere Kosten = höhere Preise?
Natürlich erleben alle Schweinehalter den Anstieg der Erzeugungskosten, wobei zu unterscheiden ist zwischen „alten“ Betrieben und aktuellen Umstellern. Ein Neubau auf der grünen Wiese, heißt es in Beraterkreisen, gehe nur mit höheren Preisen. Aber selbst der ABD warnt vor zu vielen Umstellern, obwohl sicherlich viele Schweinehalter angesichts der Dauerkrise am konventionellen Schweinemarkt darüber nachdenken. „Eine Umstellung auf Bio-Schweinehaltung ist aber derzeit nicht möglich, weil dafür keine Nachfrage besteht. Wir haben nur deshalb keinen Preisdruck, weil vor der Krise zu wenig Bio-Schweine verfügbar waren. Nun scheinen Angebot und Nachfrage einigermaßen zueinander zu passen. Platz für weitere Betriebe ist derzeit aber leider nicht. Steigen die Preise nun erneut im Handel steht zu befürchten, dass auch die jetzigen Mengen nicht mehr untergebracht werden können. Das kann niemand wollen.“
Natürlich sei der Anstieg der Erzeugungskosten bekannt, die man auch als Grundlage von Preisverhandlungen machen müsse. Aber Erzeuger sollten auch die gesamte Wertschöpfungskette im Blick haben, argumentieren die Aktionsbündnis-Verantwortlichen. „Es gibt Zeiten, in denen es sinnvoll ist, nicht die maximalen Ziele durchzusetzen, selbst wenn es kurzfristig möglich ist. Bedingt durch die Krise und die Krisenstimmung in der Bevölkerung scheint eine Ausweitung der ökologischen Erzeugung momentan nicht realistisch. Wir meinen aber, dass es besser ist, gegenwärtig keine Preiserhöhungen mit aller Gewalt durchzusetzen und zunächst einige Monate abzuwarten. Wir sind in Sorge, dass die Kunden und Kundinnen noch zurückhaltender im Einkauf werden und die Mengen somit weiter zurückgehen. Wir sind aber ebenso überzeugt, dass langfristig der Absatz von Bio-Produkten und damit auch Bio-Fleisch weiter steigen wird und dann kommt auch die Zeit, die Preise an die gestiegenen Erzeugungskosten anzupassen.“
Der Marktbeobachter ist über die Weitsicht erstaunt. Sicherlich werden die Verfasser Widerspruch erhalten. Sie werden als Büttel der Abnehmer kritisiert, aber auch als Vertreter eines „closed shop“ für bestehende Betriebe gekennzeichnet werden. Aber das Gleichgewicht des Marktes im Auge zu haben, dürfte kurz- und auch langfristig für die Biobetriebe klüger sein, als überehrgeizige 30%-Ziele zu verkünden, ohne die Wegmarken für den Absatz zu kennen.