BMEL will Milcherzeuger stärken – erste Schritte in die richtige Richtung

Die Konferenz zur „Zukunft der Milchviehhaltung in Deutschland", die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin am 31. August veranstaltet hat, ist nach Ansicht des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) mit ersten Signalen in Richtung der Stärkung der Milchviehhaltung aus dem Bundesministerium zu Ende gegangen. Die Deutsche Umwelthilfe als Mitglied der „Initiative faire Preise in der Lebensmittelkette“ (IniFair) forderte anlässlich der Konferenz ein Gesetz für fairere Preise einzuführen.

Diskutiert haben auf der Konferenz mehr als 250 Vertreter:innen der Molkereiwirtschaft, Wissenschaft, von NGOs, des Handels sowie Bäuerinnen und Bauern. Anlässlich der Konferenz erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin beim BMEL, Dr. Ophelia Nick: "Milchbetriebe brauchen Zukunftsperspektiven, die eine wirtschaftliche Erzeugung mit Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Ansprüchen verbinden. Wir unterstützen Milchviehhaltende und wollen zusammen Wege in eine nachhaltige, klimaschonende, tiergerechte und wertschöpfungsstarke Milcherzeugung finden. Wir wollen Milchbetriebe und eine vielfältige Erzeugerstruktur erhalten. Wir setzen uns dafür ein, die Kräfteverhältnisse in der Wertschöpfungskette auszubalancieren und die Stellung der Milcherzeugerinnen und -erzeuger zu stärken. Die Gestaltung der Lieferbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien werden dabei ein Schwerpunkt sein. Entsprechende Maßnahmen, die uns das EU-Recht ermöglicht, werden wir mit den Koalitionspartnern erörtern. Wir wollen dafür sorgen, dass Bäuerinnen und Bauern auch von ihrer Produktion leben können. Gemeinsam haben wir es in der Hand, uns zukunftsfest aufzustellen. So hat die Milcherzeugung in Deutschland eine Zukunft."

Als „ein Puzzleteil“ zur Stärkung der Stellung der Erzeuger in der Wertschöpfungskette bezeichnete BMEL-Staatsekretärin Silvia Bender auf der Konferenz die EU-rechtlichen Möglichkeiten von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO). Wobei sie einräumte, dass ein Großteil der Molkereigenossenschaften auf freiwilliger Basis Vereinbarungen mit ihren Lieferanten getroffen habe. Diese Unternehmen würden von etwaigen Regelungen nicht tangiert, soweit sie den Ansprüchen gerecht würden.

Die Ankündigung, einen Schwerpunkt auf die Gestaltung der Lieferbeziehungen zwischen Milcherzeugern und Molkereien legen zu wollen und entsprechende Maßnahmen, die das EU-Recht ermöglicht, mit den Koalitionspartnern erörtern zu wollen, wozu vor allem auch die Umsetzung des Art. 148 GMO in nationales Recht gehört, wird vom BDM als „Schritt in die richtige Richtung“ begrüßt.

„Es ist ein erster Schritt dahin, dass das Marktrisiko nicht komplett bei den Milchviehhaltern bleibt, sondern wenigstens zu einem Teil auch auf die Verarbeitungsebene übertragen werden kann. Schon lange setzen wir uns zusammen mit vielen Mitstreitern dafür ein, dass vor der Leistungserbringung der Milchlieferung, Menge, Preis, Laufzeiten und Qualitäten vertraglich geregelt sein müssen. Was in anderen Branchen absolut selbstverständlich ist, könnte damit endlich auch in der Milchviehhaltung Realität werden“, erklärt BDM-Vorstandsmitglied Manfred Gilch. Ein weiteres positives Signal ist für den BDM, dass die Preisbeobachtung und Markttransparenz durch gezielte Bündelung von Preis-, Mengen- und Kosteninformationen und die Weiterentwicklung von Marktindikatoren und Indizes verbessert werden sollen. „Damit könnte im nächsten Schritt auch die Marktbeobachtungsstelle auf EU-Ebene, die wir Milchviehhalter uns erst mühsam erkämpfen mussten, weiterentwickelt werden", so Gilch.

Zwingend erforderlich sei jedoch, dass diesen Schritten viele weitere folgen. „Für wirklich gute Verträge im Sinne der Milcherzeuger braucht es ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage – mit einer Tendenz zu einer zumindest gefühlt knappen Marktversorgung. Hierfür braucht es ein Marktmanagement in Verantwortung der Milcherzeuger, das ein nachfrageangepasstes Lieferverhalten und zudem eine betriebliche Weiterentwicklung ermöglicht. Auch hierfür liegen konkrete Vorschläge bereits auf dem Tisch", betont BDM-Vorsitzender Karsten Hansen.

„Wichtig ist uns überdies, dass man nicht stehen bleibt, sondern den Art. 148 GMO auf EU-Ebene dahingehend novelliert, dass die Befreiung von der Vertragspflicht, die für genossenschaftlich organisierte Molkereien gilt, abgeschafft wird", betont BDM-Vorsitzender Karsten Hansen. „Denn immerhin rund 70 % der deutschen Milch wird in Genossenschaften verarbeitet und vermarktet."

Der BDM erwartet auch weiterhin deutliche Veränderungen in der Agrarmarktpolitik, denn nur so habe eine nachhaltige Landwirtschaft eine Zukunft. „Das verstehen wir unter einem ‚Drehen am großen Rad‘, das Bundesagrarminister Cem Özdemir zu seinem Amtsantritt versprochen hat. Die Basis für die nachhaltige Weiterentwicklung der Betriebe und nötige Leistungen in den Bereichen Tierwohl, Klima, Umweltschutz und Biodiversität müssen Marktlösungen sein – daher bleibt die Stärkung der Marktstellung der Erzeugerinnen und Erzeuger und damit eine Veränderung der Agrarmarktpolitik eine zentrale Aufgabe für die Gegenwart und Zukunft."

AbL: Es geht um die Zukunftsfähigkeit der Milcherzeugung

Für Ottmar Ilchmann, AbL-Konferenzteilnehmer und Milchbauer in Niedersachsen, geht es um nichts Geringeres als die Zukunftsfähigkeit der deutschen Milcherzeugung. „Die starke Beteiligung an der Milchkonferenz aus Landwirtschaft, Milchindustrie, Politik und Ministeriumsebene und nicht zuletzt von NGO-Vertreter:innen macht deutlich, dass hohe Erwartungen oder auch Befürchtungen bestanden. Den Erwartungen vor allem der Milchbauernvertretungen haben die beiden Staatssekretärinnen Bender und Nick zumindest in Teilen entsprochen“ Er sieht in der Einführung einer neuen Ökoregelung für Grünland/Weide, in der Unterstützung von Bestrebungen, Artikel 210a der Verordnung über die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte zur besseren Honorierung von Mehrleistungen zu nutzen, und vor allem in der Anwendung von Artikel 148 erste Schritte in die richtige Richtung. „Mit diesem Instrument würde ein starkes Signal in die landwirtschaftliche Marktgestaltung gesendet, die Erzeugerinnen und Erzeuger nicht mehr als letztes Glied in der Kette mit „Restgeld“ abzuspeisen, sondern auf Augenhöhe über Qualitäten, Preisgestaltung und Menge zu verhandeln. Zudem müssen weitere Schritte folgen, vor allem die Einbeziehung auch der Genossenschaftsmolkereien in die Vertragspflichtigkeit. Nur so kommen wir weg von der preisdrückenden Überproduktion. Denn nur eine an die kaufkräftige Nachfrage angepasste Milcherzeugung kann Marktschwankungen ausgleichen und die nötigen Erlöse erwirtschaften, um gesellschaftliche Anforderungen in den Bereichen Tierwohl, Klima- und Umweltschutz zu erfüllen. Es geht um nichts Geringeres als die Zukunftsfähigkeit der deutschen Milcherzeugung.“

DUH fordert Gesetz über fairere Preise

Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe und Mitglied der „Initiative faire Preise in der Lebensmittelkette“ (IniFair) fordert anlässlich der Konferenz von der Bundesregierung ein Gesetz für fairere Preise. „Die Zukunft der Milcherzeugung in Deutschland hängt maßgeblich davon ab, dass Milchindustrie und Supermärkte dazu verpflichtet werden, faire Entgelte zu gewährleisten. Gerade jene Bauernhöfe, die sich der naturverträglichen und artgerechteren Tierhaltung verschrieben haben, fehlt es an Zukunftsperspektiven, weil Molkereien oft keine kostendeckenden Milchpreise zahlen – und Agrarminister Cem Özdemir sieht bisher tatenlos zu. Zwar gibt es EU-Regeln gegen unlautere Handelspraktiken, in Deutschland aber ist die gesetzliche Umsetzung so schwach, dass Landwirtinnen und Landwirte daraus keine wirksamen Vorteile ziehen können. Und dann kürzt die Bundesregierung auch noch die Förderung in der GAK (Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz), von der auch Umstellungsbetriebe auf tiergerechtere Haltung profitieren können“, erklärt Benning.

Klar sei: „Ohne eine entschlossene politische Unterstützung für angemessene Preise bei Milch und anderen landwirtschaftlichen Produkten bleibt der dringend notwendige Umbau der Tierhaltung finanziell kaum realisierbar. Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf, sofort ein Gesetz für fairere Preise einzuführen. Insbesondere Gebiete, die von weitläufigen Wiesen und traditionellen bäuerlichen Betrieben geprägt sind, wie etwa in Baden-Württemberg und Bayern, würden von kostendeckenden Preisen bei vertraglich definierten Mengen profitieren. Länder wie Frankreich und Spanien sind uns bereits bedeutende Schritte voraus und haben Maßnahmen ergriffen, die im Einklang mit EU-Richtlinien für gerechtere Preise sorgen. Die Bundesregierung muss jetzt schnellstmöglich nachziehen.“

Gemeinsam mit den Milchbauern und -bäuerinnen des European Milkboard (EMB, dem auch die AbL angehört) sowie Entwicklungs- und Umweltorganisationen hat die DUH die „Initiative Faire Preise in der Lebensmittelkette“ gegründet. Diese Initiative drängt auf die Umsetzung der Koalitionsversprechen für bessere Bedingungen in der Milchbranche und zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken. Bisher hat das Bundeslandwirtschaftsministerium hier nach Ansicht der Initiative keine erkennbaren Fortschritte erzielt. Währenddessen setze sich das dramatische Höfesterben fort und drängt Finanzminister Lindner auf weitere Kürzungen von 300 Millionen Euro im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz – und zögert bei der Tierwohlabgabe.

06.09.2023
Von: FebL/PM

Die BMEL-Milchkonferenz. Foto: BMEL