Milcherzeugung: Nach kurzer Gewinnphase wieder Unterdeckung der Kosten

Die kurze Zeit der Kostendeckung in der Milchproduktion ist vorbei, die von den Milchviehbetrieben erzielten Erlöse für die Milch sind wieder unter die Produktionskosten gefallen. Das teilt das European Milk Board (EMB) mit Blick auf die jetzt veröffentlichte vierteljährlich aktualisierte Kostenstudie des Büros für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL) mit. Für das EMB „keine Überraschung“. Frank Lenz von der Milcherzeugergemeinschaft MEG Milch Board spricht von einem „Zusammenbrechen der Milchpreise“ und fordert die Politik zum Handeln auf.

Der Milch Marker Index, der die Produktionskosten für deutsche Milcherzeuger*innen im Vergleich zum Basisjahr 2015 zeigt, ist von Januar bis April 2023 um drei Punkte auf 113 gefallen. Die nach wie vor sehr hohen Erzeugungskosten verminderten sich geringfügig um 1,02 Cent auf 46,68 Cent pro Kilogramm. Dafür waren vor allem leicht gesunkene Preise beim Dünger und den Mischfuttermitteln für Rinder verantwortlich.

Da die Milchauszahlungspreise jedoch zeitgleich um 11,80 Cent bzw. um 21 Prozent auf 45,11 Cent pro Kilogramm nach Ansicht der MEG Milch Board regelrecht verfielen, konnten die Erzeugungskosten im April 2023 bei einer Preis-Kosten-Ratio von 0,97 im Bundesdurchschnitt nicht mehr gedeckt werden. Im Januar 2023 hatte die Preis-Kosten-Ratio noch bei 1,19 gelegen. Nach nur einem halben Jahr endet damit die dringend benötigte Gewinnphase für die Milcherzeuge*innen.

Egal ob Nord, Süd oder Ost: Durch die Verschiebungen bei den Milcherzeugungskosten und Milcherlösen im Laufe der letzten drei Monate hat sich das Verhältnis zwischen den Kosten und Erlösen in allen Regionen sehr deutlich verschlechtert. Im Osten gingen die Erzeugungskosten mit 1,42 Cent pro Kilogramm (-3 Prozent) am stärksten zurück. Der gleichzeitige Milchpreisverfall um 12,96 Cent pro Kilogramm (-23 Prozent) führte zu einer Kostenunterdeckung von 4 Prozent. In der Region Nord herrschte zwar noch Kostendeckung, und die Erzeugungskosten sanken nur um 0,83 Cent (-2 Prozent). Jedoch verschlechterte sich die Preis-Kosten-Ratio um 0,32 Punkte am stärksten auf 1,00. Grund dafür waren die sogar um 14,35 Cent pro Kilogramm bzw. 26 Prozent gesunkenen Auszahlungspreise. Im Süden erschien der Abfall der Milchpreise um 8,29 Cent zwar nicht so einschneidend wie in den beiden anderen Regionen, dennoch ergab sich hier wegen der generell höheren Erzeugungskosten und trotz der Einsparungen von 1,07 Cent pro Kilogramm die größte Kostenunterdeckung von 5 Prozent.

Sparpotenziale sind längst erschöpft

Es gibt große Unterschiede zwischen den Regionen, sowohl bei den Erzeugungskosten als auch den Auszahlungspreisen. Gleich bleibt nach Ansicht der MEG Milch Board, dass mit der Milchproduktion in keiner Region Geld verdient werden kann. Im Deutschlandmittel sind die Kosten im letzten Quartal um 1,02 Cent gesunken, nachdem sie von 2020 zu 2022 um 1,74 Cent gestiegen waren. Dem Vorstandsvorsitzenden der MEG Milch Board Frank Lenz stellt sich die Frage: „Warum nur 1,74 Cent Steigerung in diesem verrückten Jahr 2022?“ Im gleichen Zeitraum haben sich einige Betriebsmittel im Preis mehr als verdoppelt. Die Analyse der Zahlen lässt für Lenz nur einen Schluss zu: „Die Bauern sind Anpassungsweltmeister bei den Kosten pro Liter Milch. Sie reduzieren die Einsatzmengen auf Kosten des Optimums und müssen auf günstigere Alternativen ausweichen, die nicht ihren Qualitätsanforderungen entsprechen.“ Gleichzeitig boten die guten Schlachtpreise einen kleinen Ausgleich zu den horrenden Preissteigerungen auf der Kostenseite. Der Nebeneffekt, dass dadurch die Anlieferungsmengen gesunken sind, brachte die eigentliche Lösung für das Problem der hohen Kosten. Der Milchpreis stieg dadurch so weit an, dass die Kosten, obwohl sie unvorstellbare Höhen erreicht hatten, gedeckt werden konnten. Ein sehr ungewohntes Gefühl für die Bauern.

Lenz stellt weiter fest: „Mit dem Zusammenbrechen der Milchpreise geht’s nun im gewohnten Trott weiter. Auch weil die verantwortlichen Entscheidungsträger in der Politik weder einen persönlichen noch einen politischen Willen erkennen lassen, die Rahmenbedingungen dahingehend anzupassen, dass wir Bauern eine Möglichkeit bekommen aus unseren Notprogrammen auszusteigen. Das führt uns unweigerlich in die nächste Phase, in der die Milch - auf Grund meist unfreiwilliger Aufgabe der Milchviehhaltung - soweit verknappt wird, dass die Abnehmer sich genötigt sehen, mehr zu zahlen. Das tun sie keineswegs den Milchbauern zuliebe, sondern ausschließlich, um ihre eigene Haut zu retten. Unser Blick richtet sich somit mehr und mehr den Organisationen und Entscheidungsträgern zu, die die Potenziale einer wirtschaftlichen Milchproduktion für Mensch, Tier und Umwelt erkennen und bereit sind, sich für unsere Interessen einzusetzen.“

Für das EMB ist angesichts der Zahlen des BAL „die kurze Zeit der Kostendeckung schnell wieder vorbei und die Milcherzeuger*innen sind erneut mit alltäglichen finanziellen Defiziten konfrontiert.“ Diese Situation sei „keine Überraschung, da eine sinkende Nachfrage und steigende Anliefermengen die Milchpreise bereits seit Beginn des Jahres wieder nach unten drücken. Auch in anderen europäischen Ländern kämpfen die Erzeuger*innen mit fallenden Preisen bei gleichbleibend hohen Kosten und fordern die Aktivierung des freiwilligen Lieferverzichts auf EU-Ebene, um mit kleinen temporären Mengenreduzierungen stabile Preise am Milchmarkt erreichen zu können“, so das EMB.