Breite Initiative für faire Preise fordert Kaufverbot von Lebensmitteln unter Produktionskosten durch Supermärkte und Molkereien

Die neue Initiative für faire Preise in der Lebensmittelkette (IniFair) fordert von Landwirtschaftsminister Özdemir endlich wirksame Maßnahmen, um den Kauf von Lebensmitteln unter Produktionskosten durch Supermärkte und Lebensmittelunternehmen zu verbieten. Zudem fordert die Initiative anlässlich des Deutschen Bauerntags am morgigen Mittwoch weitere Akteure wie den Deutschen Bauernverband dazu auf, das Forderungspapier für faire Preise mitzutragen. Die Initiative besteht unter anderem aus dem European Milk Board (EMB), das rund 100.000 Milcherzeuger repräsentiert, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Oxfam, dem INKOTA-Netzwerk und dem Forum Fairer Handel.

Noch immer können die vorherrschenden Supermarktkonzerne unfaire Verträge durchsetzen, diese zu ihren Gunsten verändern und Preise für Lebensmittel unter Produktionskosten veranschlagen. Das vor zwei Jahren verabschiedete Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz zum Schutz gegen unlautere Handelspraktiken sollte die Marktmacht der Konzerne einschränken und den landwirtschaftlichen Erzeugern und anderen Lieferanten den Rücken stärken. Eine nennenswerte Verbesserung trat aber nicht ein. Einer aktuellen Branchen-Studie zufolge sind noch immer bis zu 70 Prozent der Lieferanten von unfairen Praktiken betroffen. Landwirtschaftsminister Özdemir muss das Gesetz mit einem Kaufverbot unter Produktionskosten nachbessern, um endlich faire Erzeugerpreise und damit eine sozial-ökologische Transformation in der Landwirtschaft zu ermöglichen, so die Initiative.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH kommentiert: "Supermärkte nutzen ihre Marktmacht, um hohe Preise allein für ihre Profite durchzusetzen. Die Verlierer sind Lebensmittelbetriebe, die nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können und immer mehr Bedürftige, die hohe Lebensmittelpreise nicht stemmen und von den Tafeln kaum noch versorgt werden können. Umbau der Tierhaltung, der Wasserschutz und die Pestizidreduktion in Deutschland sind zum Scheitern verurteilt, wenn Erzeugerbetriebe kostendeckende Preise in der Lebensmittelkette nicht durchsetzen können. Landwirtschaftsminister Özdemir muss die gesetzliche Regelung jetzt nachbessern und den Kauf von Lebensmitteln unter Produktionskosten verbieten."

Mit Blick auf die genannten gestiegenen gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft wie Tier- oder Wasserschutz heißt es in dem Positionspapier: "Solange die Mehrkosten aus steigenden Produktionskosten, und daraus resultierende kleinere Gewinnmargen, ausschließlich von Landwirt*innen und nicht auch von deren Abnehmer*innen getragen werden müssen, wird es keine Fairness im Lebensmittelhandel und entlang der globalen Lieferkette geben."

Ottmar Ilchmann, Milchbauer und AbL-Vorsitzender in Niedersachsen, fordert daher faire Marktmechanismen : "Die Bäuerinnen und Bauern etwa im Milchbereich hatten kurzzeitig Gewinne, welche aber die Verluste der letzten Jahrzehnte längst nicht ausgleichen konnten. Jetzt sinken die Milchpreise bereits wieder unter die Produktionskosten. Es braucht faire Marktmechanismen, damit die Erzeugerinnen und Erzeuger auf Augenhöhe am Markt agieren können. Ein Verbot des Einkaufs unter Produktionskosten würde eine effiziente Wirkung entfalten, wenn die Produktionskosten die wahren Kosten der Betriebe im Durchschnitt abdecken."

Die Förderung von Ungleichheit durch die aktuelle Politik kritisiert Tim Zahn, Oxfam-Referent für Menschenrechte in globalen Lebensmittellieferketten: "Der Preisdruck der Supermärkte ist für viele landwirtschaftliche Betriebe existenzbedrohend und fördert Arbeitsrechtsverletzungen in der Landwirtschaft - hier in Deutschland und weltweit. So werden die milliardenschweren Eigentümerinnen und Eigentümer der Supermärkte immer reicher, während kleine Betriebe aufgeben müssen und Arbeiterinnen und Arbeiter mit mickrigen Löhnen abgespeist werden. Die aktuelle Politik fördert Ungleichheit und das muss sich ändern."

Evelyn Bahn, Referentin Wirtschaft & Menschenrechte, INKOTA-netzwerk, verweist am Beispiel Kakao und Bananen auf die negativen Folgen zu niedriger Preise: "Agrarprodukte wie Kakao oder Bananen werden aus Ländern des globalen Südens importiert. Armut, Kinderarbeit und Arbeitsrechtsverletzungen gehören zum Alltag vieler Bäuerinnen und Bauern. Eine der Ursachen sind zu niedrige Preise für die Agrarprodukte. Für Kakaobäuerinnen und -bauern in Ghana müsste sich der Preis mehr als verdoppeln, um ein existenzsicherndes Einkommen zu ermöglichen. Jetzt ist der Zeitpunkt, das Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz nachzuschärfen, Menschenrechtsverletzungen in globalen Agrarlieferketten zu beenden und Konzerne zur Zahlung fairer Preise an die Menschen zu Beginn der Lieferkette zu veranlassen."

Und Maja Volland, Referentin Wirtschaft & Menschenrechte Forum Fairer Handel, nennt das Beispiel Kaffee: "Obwohl der Kaffeepreis derzeit vergleichsweise hoch ist, erwirtschaften viele Kleinbäuerinnen und -bauern mit ihrem Kaffee kein existenzsicherndes Einkommen, da sie sich mit gestiegenen Produktionskosten konfrontiert sehen. Sollte der Kaffeepreis wieder derart stark einbrechen, wie es in der Vergangenheit häufig der Fall war, werden Kleinbäuerinnen und -bauern erneut in die Situation geraten, ihre Produktionskosten nicht mehr decken zu können, ihre Betriebe aufgeben oder gar migrieren zu müssen. Und all das, während die Kaffeebranche boomt und Konzerne hohe Gewinne machen. Ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten würde dieser skandalösen Schieflage entgegenwirken und vielen Kleinbäuerinnen und -bauern ein existenzsicherndes Einkommen ermöglichen."

Das Forderungspapier der Initiative haben bisher gut 30 Organisationen unterzeichnet, zu denen neben den schon genannten unter anderem auch die Deutsche Milcherzeugergemeinschaft MEG Milch Board, die Bäuerlicher Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, die Zukunftsstiftung Landwirtschaft, Slow Food Deutschland und die Freien Bäcker gehören. Vertreter der Bioverbände finden sich bisher nicht unter den Unterzeichnern.

Zum Hintergrund ihrer Forderungen erklärt die Initiative: In Deutschland beherrschen vier Supermarktkonzerne, Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören und Aldi, 85 Prozent des Lebensmittelmarktes. Ihre Marktmacht treibt Lieferanten und Beschäftigte in Lebensmittellieferketten regelmäßig in wirtschaftliche Not. Laut Befragung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist jeder zweite Lieferant weiter von unfairen Preisen betroffen - trotz des Gesetzes gegen unfaire Handelspraxen. Die deutschen Landwirtschaftsbetriebe erhalten im Durchschnitt nur 18 Prozent Wertschöpfung in der Lebensmittelkette, während EU-Landwirtschaftsbetriebe im Durchschnitt 27 Prozent der Wertschöpfung bekommen. Andere Länder wie Frankreich oder Spanien haben längst eine gesetzliche Regelung für kostendeckende Bezahlungen und faire Vertragsgestaltung geschaffen.

28.06.2023
Von: FebL/PM

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