Die Milcherzeugung in Deutschland muss dringend reformiert werden, damit Landwirt:innen, Tiere und Umwelt in Zukunft davon profitieren können. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Forums für ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace.
Die heutigen Rahmenbedingungen fördern eine stetige Intensivierung der Milcherzeugung. Das geht auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit der Tiere, ohne die Einkommenssituation der Bauern und Bäuerinnen zu verbessern. „Wir brauchen eine Trendwende, die es bäuerlichen Betrieben ermöglicht, umweltschonende und tiergerechte Milcherzeugung zu einem fairen Preis zu betreiben“, sagt Lasse van Aken, Landwirtschafts-Experte bei Greenpeace.
Die Bundesregierung sollte nach Ansicht von Greenpeace umfassende Maßnahmen beschließen, um den sinkenden Milchpreisen, der schlechten Einkommenssituation der Milcherzeuger:innen, der hohen Klimabelastung sowie anhaltenden Tierschutzmängeln im Milchsektor entgegenzuwirken. Am Donnerstag, den 31.8.2023, beschäftigt sich das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft auf seiner „Konferenz zur Zukunft der Milchwirtschaft“ in Berlin mit diesen Themen. Die Studie liefert nach Ansicht von Greenpeace drei Maßnahmen, die besondere Wirkung entfalten würden: die Änderung der Vertragspflichten zwischen Milcherzeugern und Molkereien, eine Abgabe auf Futtermittel, die in Nahrungskonkurrenz zum Menschen stehen, und klare gesetzliche Mindeststandards für das Halten von Rindern (Tierschutzrecht, Nutztierhaltungsverordnung). Insgesamt wurden in der Studie acht politische Maßnahmen respektive Instrumente betrachtet: neben der Anwendung von Art. 148 GMO, einer Abgabe auf Futtermittel und der Nutztierhaltungsverordnung noch ein Verbot des Verkaufs unterhalb der Produktionskosten, eine Steuer auf Fleisch- und Milchprodukte in Abhängigkeit der Klimaemissionen, eine Stickstoffüberschussabgabe, die finanzielle Unterstützung für Landwirt*innen, die ihre Tierbestände abbauen, sowie ein Verbot von Werbung für tierische Produkte. Diese Instrumente wurden jeweils in ihrer Wirkung auf Tierwohl, Umwelt, Klima, Soziales und administrativen Aufwand bewertet.
Drei wichtige Maßnahmen für den Umbau der Milchviehhaltung
Ein wichtiger Baustein - und in der Studie als eines von zwei als am positivsten für die Erzeuger:innen bewerteten politischen Instrumenten – wäre nach Ansicht von Greenpeace, die Verhandlungsposition der Milchbauern gegenüber den Molkereien zu stärken, indem eine Vertragspflicht über Menge und Qualität eingeführt wird. Eine solche Vertragspflicht sei mit Artikel 148 in der Gemeinschaftlichen Marktordnung der EU bereits vorgesehen und werde in Frankreich, Ungarn und der Slowakei bereits umgesetzt. Dies führe zu höheren und stabilen Milchpreisen sowie einer geringeren Überproduktion. Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) könnte Artikel 148 sofort implementieren, so Greenpeace. Als zweites positivstes Instrument für die Erzeuger:innen nennt die Studie ein Verbot des Verkaufs unter Produktionskosten. „Ein Verbot des Verkaufs unterhalb der Produktionskosten würde das Preisrisiko, das Erzeuger*innen tragen, reduzieren. Einen rechtlichen Rahmen bietet hier §20 der Wettbewerbsbeschränkung ‚Verbotenes Verhalten von Unternehmen mit relativer oder überlegener Marktmacht‘“, heißt es in der Studie.
Zudem favorisiert die Studie laut Greenpeace eine Abgabe auf Futtermittel, die für die menschliche Ernährung geeignet sind. Denn das Futter im Trog der Kühe bestehe heute zu mehr als der Hälfte aus Maissilage und Getreide vom Acker. Dies mache die Kuh zum Nahrungskonkurrenten des Menschen und verringere die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft. Durch eine Abgabe auf Futtermittel, die in Nahrungskonkurrenz zum Menschen stehen, wird nach Absicht von Greenpeace die Weidehaltung von Rindern attraktiver und der Einsatz von Getreide kann reduziert werden.
„Minister Özdemir muss außerdem das Tierschutzrecht anpassen. Es existieren keine Haltungsvorgaben für Rinder, die älter als sechs Monate sind. Selbst die ganzjährige Anbindehaltung von Kühen ist noch erlaubt“, so Lasse van Aken.
Greenpeace fordert Mindeststandards für Lauf- und Liegeflächen, Zugang zu Auslauf und Weide. Anspruchsvolle Vorgaben können nicht nur die Haltungsbedingungen verbessern und für mehr Tierwohl sorgen, sondern auch den Medikamenteneinsatz verringern.