Junglandwirt:innen fordern: Privatisierung von BVVG-Flächen stoppen

Protest vor dem Bundesfinanzministerium gegen Christian Lindners Bruch des Koalitionsvertrags

Unter dem Motto „Junglandwirt:innen gegen Lindner: Gemeinwohl statt Profite!“ demonstrierten junge Bäuerinnen und Bauern vor dem Bundesfinanzministerium gegen Christian Lindners Umgang mit öffentlichem Ackerland in Ostdeutschland. Der Finanzminister hat entgegen Vereinbarungen des Koalitionsvertrags ein Gesetz gestoppt, das den weiteren Ausverkauf landwirtschaftlicher Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) beenden soll. Die Menschenrechtsorganisation FIAN sieht in er Haltung des Fianzministers auch einen Widerspruch zu völkerrechtlichen Vereinbarungen, in denen sich Deutschland zu einer sozial gerechten Landpolitik verpflichtet hat.

Bei der Protestaktion vor dem Bundesfinanzministerium rang ein übergroßer Pappmaché-Lindner an einem Tau gegen zahlreiche Jungbäuer:innen und eine Kostüm-Kuh um die Zukunft der bundeseigenen Ackerflächen. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die junge AbL, das Bündnis Junge Landwirtschaft und WeAct, die Petitionsplattform von Campact, unterstützen die Junglandwirt:innen in ihrer Forderung, öffentliches Ackerland künftig gemeinwohlorientiert zu verpachten statt meistbietend zu verkaufen.

Laura Stranzl, angehende Junglandwirtin und Vertreterin der jungen AbL: „Ein Bruch des Koalitionsvertrags wäre ein Skandal. Minister Lindner muss wie vereinbart die Privatisierung von öffentlichen Ackerflächen stoppen. Für angehende Junglandwirt:innen und  Existenzgründe:rinnen wie mich ist es bei den Zuständen auf dem Bodenmarkt fast unmöglich, an Land zu kommen. Öffentliche Flächen spielen eine zentrale Rolle, um Betriebsgründungen in der Landwirtschaft zu ermöglichen. Christian Lindners Haltung zu den BVVG-Flächen entscheidet, ob wir in Zukunft wieder mehr Junglandwirt:innen in der Landwirtschaft haben oder ob das Land an Großkonzerne und außerlandwirtschaftliche Investoren geht“.

Stellvertretend für die vielen Junglandwirt:innen in Ostdeutschland, die auf der Suche nach Land sind, haben zwei Bäuerinnen, Dorothee Sterz und Gesine Langlotz, Ende Juni eine Online-Petition gegen Lindners Blockadehaltung und für eine gerechte Vergabe des BVVG-Landes nach Gemeinwohlkritierien gestartet. Die Petition haben bereits mehr als 110.000 Menschen unterzeichnet.

Dorothee Sterz, Junglandwirtin: „Ich komme aus Sachsen-Anhalt und würde gerne einen Betrieb gründen. Aber bei den derzeitigen Kauf- und Pachtpreisen von Land habe ich keine Chance. Die große Unterstützung für die Petition zeigt, wie wichtig das Thema ist und wie viel Unterstützung es dafür in der Bevölkerung gibt. Wir rufen Bundesfinanzminister Lindner dazu auf, sich für einen gerechten Zugang zu Land und für eine zukunftsorientierte Form der Landwirtschaft einzusetzen.

Die Menschenrechtsorganisation FIAN unterstützt die Aktion der Jungbäuer:innen "ausdrücklich" und sieht in der Haltung des Finanzministers auch einen Widerspruch zu völkerrechtlichen Vereinbarungen, in denen sich Deutschland zu einer sozial gerechten Landpolitik verpflichtet hat. Demnach ist Land ein zentraler Bestandteil zur Durchsetzung öffentlicher Interessen wie einer gerechten Landverteilung und Existenzgründungen von Jungbäuer:innen. „Wir fordern das Finanzministerium auf, die Absprache zum Verkaufsstopp im Koalitionsvertrag umgehend umzusetzen. Das Land in öffentlichem Besitz muss auf Basis international anerkannter Normen für Jung- und Kleinbäuerinnen zur Verfügung gestellt werden," erklärt Roman Herre, Agrarreferent von FIAN Deutschland.

Die Landkonzentration ist in den letzten Jahren in Deutschland stark angestiegen. Rasant gestiegene Landpreise stellen nach Ansicht von FIAN eine starke Diskriminierung von Jung- und Kleinbäuer:innen beim Zugang zu Land dar, der Basis bäuerlichen Lebens.

Die UN-Landleitlinien wurden von Deutschland aktiv mitverhandelt und weisen Staaten an, der Diskriminierung beim Zugang zu Land angesichts „mangelnden Zugangs zu wirtschaftlichen Ressourcen" zu beseitigen. Ein Verkaufsstopp und die Verpachtung von staatlichem Land nach sozialen und ökologischen Kriterien wäre daher ein wichtiger Baustein, der Landkonzentration entgegenzuwirken und Völkerrechtsnormen umzusetzen. 

Hintergrund

Christian Lindners Blockade bezieht sich auf die Flächen der Bodenverwertungs und -verwaltungs GmbH (BVVG). Diese ist eine Nachfolgegesellschaft der Treuhand, die das ehemalige Staatseigentum der DDR verwaltet und vorrangig zu Höchstpreisen verkauft. Sie verwaltete ursprünglich ca. 1,1 Mio. Hektar landwirtschaftlicher Flächen. Nach den Privatisierungen besitzt sie inzwischen nur noch 91.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzflächen in den neuen Bundesländern. Die BVVG untersteht dem Bundesfinanzministerium.

In ihrem Koalitionsvertrag hat die Ampel-Regierung vereinbart, die weitere Privatisierung der BVVG-Flächen in Ostdeutschland zu stoppen und die Flächen an „ökologische und nachhaltige Betriebe zu verpachten“. Wirtschafts-, Finanz- und Landwirtschaftsministerium des Bundes führten bereits erste Gespräche zu einem entsprechenden Gesetz. Doch Mitte Juni zog Bundesfinanzminister Christian Lindner die Handbremse: Er weigert sich, die Vereinbarung zum Umgang mit den landwirtschaftlichen Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) umzusetzen. Der Ausverkauf wertvoller Ackerflächen an Großkonzerne zulasten von bäuerlichen Betrieben würde damit weitergehen.

Die UN Landleitlinien wurden 2012 mit aktiver Beteiligung der Bundesregierung verhandelt und verabschiedet. Sie unterstreichen beispielsweise unter Leitlinien 4.6 die Notwendigkeit staatlichen Handelns bei Diskriminierungen im Zugang zu Land. 

Einen "Kriterienkatalog für eine gemeinwohlorientierte Verpachtung öffentlicher Flächen" hat die AbL in einem Positionspapier vorgelegt.

19.07.2022
Von: FebL/PM

Die Junglandwirt:innen-Aktion vor dem Bundesfinanzministerium. Bildquelle: Campact