Auf einer mit rund 110 Personen sehr gut besuchten Veranstaltung bei Münster, debattierten junge Bäuerinnen und Bauern, und solche die es werden wollen, mit prominenten Vertreter:innen der Landes- und Bundespolitik. Thema war die Notwendigkeit einer verstärkten Förderung von landwirtschaftlichen Existenzgründungen. Geschlossen forderten die Vertreter:innen der verschiedenen Landjugendverbände die Landesregierung auf, diesbezüglich endlich aktiv zu werden und den von der Landjugend bereits 2021 präsentierten Vorschlag für eine Existenzgründungsprämie endlich umzusetzen.
Dass eine finanzielle Unterstützung der Gründung landwirtschaftlicher Betriebe in der Praxis notwendig ist, zeigte eine Gesprächsrunde zwischen jungen Gründer:innen zu Beginn der Veranstaltung. Lorenz Sökefeld, Landwirt aus der Region Höxter, gründete im Jahr 2016, aus dem Nichts, einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchziegenhaltung. Möglich war dies nur, weil Sökefeld mit 60.000 € von einer Stiftung unterstützt wurde. „Von den bestehenden Förderungen konnte ich ohne vorhandenen Betrieb nicht profitieren“. Die 60.000 € Förderung, die Sökefeld erhielt, entsprechen grob auch der Summe, welche sich die landwirtschaftlichen Jugendverbände von einer „Existenzgründungsprämie“ in NRW erwarten.
Die Bedeutung einer Existenzgründungsprämie unterstrich auch Junglandwirt Robin Gürth, der im Sachsen-Anhaltinischen Lutherstadt Wittenberg auf 110 ha einen Ackerbaubetrieb mit Mutterkuhhaltung bewirtschaftet. „Da ich als junger Mensch keine Rücklagen hatte, war die Existenzgründungsprämie für mich genau das Startgeld, welches ich gebraucht habe“. In Sachsen-Anhalt wurde bereits im Jahr 2021 eine Existenzgründungsprämie eingeführt. Entsprechende Prämien gibt es inzwischen zudem in Sachsen und bald auch in Brandenburg und Thüringen.
In der finalen Podiumsdiskussion der Veranstaltung mit dem Titel „Mehr junge Bäuerinnen und Bauern für NRW“ machten die Vertreter:innen der Jugendverbände gegenüber dem anwesenden NRW-Agrarstaatssekretär Dr. Martin Berges nochmals im Detail deutlich, dass insbesondere Neugründungen in der Landwirtschaft von den bisherigen Förderinstrumenten in der Praxis kaum profitieren können. Gründe hierfür sind zum Beispiel, dass Gründer:innen häufig nicht über die notwendige Fläche verfügen, um die Junglandwirt:innenprämie der 1. Säule nennenswert abrufen zu können. Um an der Investitionsförderung teilzunehmen, braucht es wiederum einen bereits bestehenden Betrieb mit vorhandenen betriebswirtschaftlichen Abschlüssen, was Gründer:innen ebenfalls nicht vorweisen können.
Dass Existenzgründungen in der Landwirtschaft differenziert zu betrachten sind, hob auch die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Dr. Ophelia Nick hervor. So würden bei innerfamiliären Hofübergaben meist landwirtschaftliche Betriebsmittel von hohem Wert übergeben bzw. vererbt. Dieses Startkapital stünde Neugründer:innen oft nicht zu Verfügung. Dieser Vorsprung könne nur schwer aufgeholt werden, erläuterte die Abgeordnete aus dem Kreis Mettmann. Nick betonte daher, dass es nötig sei, auch eigene Förderangebote für Neugründungen zu gestalten. „Von Seiten des BMEL stellen wir hierzu aktuell Überlegungen zu Bürgschaftsprogrammen bei der Rentenbank an, um Existenzgründer:innen den Zugang zu Kapital zu erleichtern. Auch der Aufbau von Mentoringprogrammen ist Teil unserer Überlegungen.“ Bezüglich der Existenzgründungsprämie in NRW sagte Nick: „Ich kann die Landesregierung nur ermuntern, sich dieser Prämie zu öffnen, da sie nicht zuletzt aus agrarstrukturellen Gesichtspunkten einen hohen Wert hat.“
In einem Videogrußwort zu Beginn der Veranstaltung informierte Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen zu fortan bestehenden Fördermöglichkeiten: „Nordrhein-Westfalen hat sich bei den Beratungen der GAP-Reform stets mit Nachdruck für eine starke Junglandwirteprämie eingesetzt. Es ist uns gemeinsam gelungen, dass die Prämie in der neuen Förderperiode zum 1. Januar nicht nur fortgesetzt, sondern auch deutlich ausgebaut wurde. Die Junglandwirtschaftsprämie erhält der Betrieb dann für maximal 120 Hektar – und das für die nächsten fünf Jahre, insgesamt bis zu 80.000 €. Das ist Geld, das unsere jungen Betriebe in diesen Zeiten gut gebrauchen können.“ Des Weiteren sagte die Ministerin: „Wir wollen Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger in die Landwirtschaft unterstützen. Dies gewähren wir zum Beispiel durch die Fortschreibung des Agrarinvestitionsförderungsprogramms AFP, das auch weiterhin eine wichtige Stütze unserer Landwirtschaft in Nordrhein-Westfalen sein wird. Für Junglandwirte bedeutet das konkret, dass es auch in Zukunft zehn Prozent Zuschuss auf das förderfähige Investitionsvolumen geben wird.“
Hintergrundinformationen:
Am 01.01.2023 begann nach langer politischer Debatte eine neue Förderperiode der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) bis 2027. In der 1. Säule der GAP steht für die Junglandwirt:innenförderung von 2023 bis 2027 insgesamt rund 737 Mio. € zur Verfügung. Dies entspricht rund 3 Prozent des Budgets der 1. Säule[1]. Die Förderung wird als „top up“ auf die Flächenprämie der sogenannten „Basisprämie“ gezahlt. Konkret sollen voraussichtlich 135 € für die ersten 120 Hektare eines Betriebs gefördert werden. Als Junglandwirt:in gelten natürliche Personen unter 41 Jahren, die sich erstmals als Betriebsleiter:in niederlassen.
Bereits im März 2021 hat ein breites Bündnis aus landwirtschaftlichen Jugendorganisationen auf Bundesebene in einer gemeinsamen Stellungnahme gefordert, dass die Junglandwirt:innenförderung, neben der Förderung über die Fläche, auch anhand einer sogenannten „Existenzgründungsprämie“ angeboten werden soll[2]. Hintergrund ist, dass die sogenannte „Niederlassungsprämie“ in besonderer Weise geeignet ist, um den hohen Kapitalbedarf außerfamiliärer landwirtschaftlicher Existenzgründungen von inzwischen knapp 700.000 €/Erwerbstätigem[3] gezielt zu unterstützen. Die in einzelnen Bundesländern bisher eingeführten Existenzgründungsprämien sehen einzelbetriebliche Fördersummen von bis zu 75.000 €, verteilt auf 3 Jahre, vor. Der Vorteil ist, dass die Fördersumme frei verwendet werden kann und nicht an z.B. Neuanschaffungen gebunden ist. Sie kann zudem gegenüber der Bank als „Eigenkapital“ angerechnet werden, was die Kreditwürdigkeit von Existenzgründer:innen - ohne oder mit wenig Eigenkapital - erhöht.
Wenngleich sich die Forderung der Jugendverbände auf Bundesebene nicht durchgesetzt hat, hat sich auf Bundeslandebene in der sogenannten 2. Säule durchaus eine Dynamik bezüglich der Einfügung von „Existenzgründungsprämien“ entwickelt. Bereits 2017 hat Sachsen-Anhalt, und 2021 auch Sachsen, eine entsprechende Prämie eingeführt. In Brandenburg und Thüringen soll ab 2023 erstmalig die Beantragung möglich sein. Am 14. September 2022 hat der Landtag von Rheinland-Pfalz die Einführung einer „Existenzgründungsprämie“ beschlossen[4]. Und: Auch in den Koalitionsverträgen der noch jungen Landesregierungen von Niedersachsen[5] und Nordrhein-Westfalen[6] finden sich entsprechende Vereinbarungen. Fakt ist zudem, dass bei einer großen Mehrzahl der landwirtschaftlichen Einzelunternehmen die Hofnachfolge ungesichert ist[7].