Nach Lindner-Intervention noch keine Einigung über BVVG-Flächen

Der innerhalb der Bundesregierung erzielte Kompromiss (die Bauernstimme berichtete) zur künftigen Verwendung von Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) gilt nicht mehr. Das hat ein Sprecher des von Christian Lindner FDP-geführten Bundesfinanzministerium am vergangenen Donnerstag gegenüber Agra-Europe (AgE) bestätigt. Seinen Angaben zufolge seien auf „Grundlage des Koalitionsvertrages“ weitere Abstimmungen zwischen den Ressorts erforderlich. Eine finale Einigung liege noch nicht vor. Deutliche Kritik kommt von Umweltschutzverbänden. Die AbL hält an ihrer erst in der letzten Woche noch einmal unterstrichenen Position zur Vergabe der BVVG-Flächen nach Gemeinwohlkriterien fest.

Die Verhandlungen zur Zukunft der BVVG, an deren Ende der zunächst verkündete Privatisierungsstopp steht, wurden von Vertretern aus dem Umwelt-, dem Landwirtschafts- und dem Finanzministerium geführt. Den dort erzielten Kompromiss habe Finanzminister Christian Lindner einkassiert, wie Regierungskreise nach Informationen von Agra-Europe berichten. Im Koalitionsvertrag der Ampel heißt es zu den BVVG-Flächen: „Die BVVG-Flächen werden für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie Klima- und Arten­schutz genutzt. Dabei werden landwirtschaftlich genutzte Flächen vorrangig an nachhaltig bzw. ökologisch wirtschaftende Betriebe verpachtet und nicht veräußert.“

DNR: „Unverantwortliche Klientelpolitik“

Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) hat die Aufkündigung des geplanten Privatisierungsstopps von Flächen im Bundesbesitz (BVVG-Flächen) durch Bundesfinanzminister Lindner als eine unverantwortliche Klientelpolitik bezeichnet. „Der Verzicht auf die Privatisierung von Bundesflächen sowie die Übertragung von Flächen in das Nationale Naturerbe sind eindeutig im Koalitionsvertrag geregelt. Dass der Bundesfinanzminister nun den vor gut einem Monat getroffenen Kompromiss der Regierung einkassiert, ist ein beispielloser Affront gegenüber den Koalitionspartnern“, sagte DNR-Geschäftsführer Florian Schöne.

Gerade in Zeiten einer zunehmenden Flächenkonkurrenz haben Bundesflächen nach Ansicht des DNR eine enorme Bedeutung für das Gemeinwohl und dürfen daher nicht privatisiert werden. Der Bund schafft dadurch Flächenreserven zur Reduktion des Preisdrucks in der Landwirtschaft und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Bereitstellung biodiversitätsfördernder Flächen in der Agrarlandschaft. „Eine einseitige Politik gegen unsere natürlichen Lebensgrundlagen dürfte dem FDP-Vorsitzenden kaum zusätzliche Anerkennung in der Öffentlichkeit bringen. Wir setzen darauf, dass Lindner von seiner Blockadehaltung abrückt und sich um eine konstruktive Einigung bemüht“, so Schöne weiter.

NABU: Parteiinteressen über Gemeinwohlinteressen

Ähnlich äußert sich auch NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. „Es entsteht der Eindruck, dass bei den BVVG-Flächen gerade Parteiinteressen über Gemeinwohlinteressen gestellt werden. Durch eine Aufkündigung des Kompromisses würde leichtfertig Hand an wichtige Bausteine für die Stärkung von Artenschutz und Klimaschutz, von Regionalentwicklung und ökologischer Landwirtschaft gelegt. Finanz-, Umwelt- und Landwirtschaftsministerium haben sich – unter aktiver Beteiligung von Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner – in dem Kompromiss auf eine Lösung verständigt, von der Landwirtschaft, Natur- und Klimaschutz gleichermaßen profitieren. Dieser Flächenkompromiss sollte jetzt nicht aus niederen Motiven heraus noch einmal angefasst werden“, so Krüger.

BUND: Lindner blockiert nachhaltige Nutzung

Deutliche Kritik kommt auch vom BUND. "Bundesfinanzminister Lindner (FDP) blockiert die nachhaltige Nutzung von Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) durch junge, umweltfreundlich wirtschaftende Betriebe. Er verbaut damit nicht nur Jung-Landwirt*innen eine Zukunftsaussicht, sondern stellt sich damit auch gegen die langfristige Sicherung wichtiger Naturschutzflächen“, erklärt Antje von Broock, BUND-Geschäftsführerin, mit Verweis darauf, dass sich die Koalition vor rund einem Monat darauf geeinigt hatte, die Flächen der BVVG zum Naturerbe zu erklären oder an ökologisch wirtschaftende Junglandwirt*innen zu geben. „Das wäre ein klarer Gewinn für Naturschutz und Biodiversität gewesen. Nun scheint der Minister diesen – auch in der Koalitionsvereinbarung festgeschriebenen – Verkaufsstopp nicht mehr zu wollen. Wir können nur über die Gründe spekulieren, aber damit blockiert die FDP die Möglichkeit, gestaltend in den hochspekulativen Bodenmarkt einzugreifen“, so von Broock.

Der Staat vergebe mit der Entscheidung die große Chance, öffentliche Flächen auch im öffentlichen Interesse zu bewirtschaften. „Bisher war geplant, dass die Öko-Landwirtschaft eine echte Perspektive bekommt, indem 90.000 Hektar Agrarflächen nicht mehr vom Staat an das meistbietende Agarunternehmen verkauft werden. Stattdessen würden sie an Junglandwirt*innen und Gründer*innen verpachtet, die ökologisch und anders nachhaltig wirtschaften. Die Bindung der Flächenvergabe an Bewirtschaftungskriterien wäre dabei ein entscheidender Hebel gewesen. Die zusätzliche Überführung von 17.500 Hektar der BVVG-Flächen in das Nationale Naturerbe wäre als Maßnahme gegen Artensterben und Klimakrise essentiell gewesen", erklärt die BUND-Geschäftsführerin.

AbL: Vorschläge für Gemeinwohlverpachtung liegen auf dem Tisch

Die AbL mahnt weiterhin die Vergabe der BVVG-Flächen nach Gemeinwohlkriterien an. „Bei der Vergabe der BVVG-Flächen hat die Bundesregierung die große Chance etwas für eine vielfältige Agrarstruktur, für Junglandwirt:innen und Existenzgründer:innen und für Umwelt und Natur zu tun und zumindest für diese Flächen außerlandwirtschaftlichen oder kapitalkräftigen Investoren einen Riegel vorzuschieben“, erklärt Reiko Wöllert, Landesgeschäftsführer der AbL Mitteldeutschland. „Und mit der Verpachtung nach Gemeinwohlkriterien liegt ein Instrument auf dem Tisch, das die Erreichung der genannten Ziele ermöglicht“, so Wöllert.

21.06.2022
Von: FebL/PM

Die Vergabe der BVVG-Flächen ist noch bzw. wieder umstritten.