Privatisierung der BVVG-Flächen gestoppt – Jetzt Verpachtungsgrundsätze festlegen

Nach einer Verständigung zwischen den beteiligten Ministerien steht nun ein Großteil der noch in den Händen der Bodenverwertungs- und verwaltungsgesellschaft (BVVG) vorhandenen 91.000 ha künftig für die Verpachtung zur Verfügung und soll vorrangig an ökologisch bzw. nachhaltig wirtschaftende Betriebe vergeben werden. Das teilt das Bundeslandwirtschaftsministerium mit. Für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) „eine erfreuliche Nachricht“, die zeigt, dass sich Widerstand lohnt.

„Das sind sehr positive Nachrichten. Wir freuen uns, dass die Bundesregierung endlich aufhört, öffentliche landwirtschaftliche Flächen zu privatisieren. Das ist auch Ergebnis des langjährigen Widerstands von Bäuerinnen und Bauern sowie Organisationen wie der AbL. Nun geht es darum, zielgerichtet Verpachtungsgrundsätze zu erarbeiten, die öffentliches Land auch öffentlichen Interessen zuführen“, erklärt Julia Bar-Tal, Landwirtin und Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Nordost.

Dorothee Sterz, ausgebildete Landwirtin auf Hofsuche und Sprecherin der jungen AbL hofft, dass das Bundesfinanzministerium (BMF) und das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) nun den im Koalitionsvertrag gemachten Versprechen nachkommen, nachhaltige Verpachtungskriterien zu entwickeln. „Statt einseitig ökologische Betriebe zu bevorzugen und trotzdem weiterhin Höchstpreise zu fordern, sollte das Ziel des Beschlusses sein, eine vielfältige Agrarstruktur zu ermöglichen. Dafür braucht es klare Kriterien, die Betriebe nach ihrer Gemeinwohlleistung auswählen und die uns landwirtschaftlichen Existenzgründern eine Chance geben“, erklärt Sterz mit Verweis auf einen von der AbL erarbeiteten Kriterienkatalog für eine gemeinwohlorientierte Verpachtungspraxis, der klimaangepasstes Wirtschaften, regionale Vermarktungswege, Biodiversitätsleistungen und das soziale Engagement der Betriebe honoriert. Zudem soll die staatliche Flächenvergabe explizit Existenzgründer:innen den Start in der Landwirtschaft ermöglichen.

Julia Bar-Tal kommentiert: „Die Bundesregierung hat hier einen großen Gestaltungsspielraum, den sie in Zukunft besser nutzen sollte. Für einen transparenteren und gerechteren Zugang zu Land. Und für mehr Lebendigkeit, Vielfalt und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft, die letztlich allen Menschen zugutekommen.“

Die Verständigung zwischen dem federführenden BMF mit dem BMEL unter Beteiligung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und des Beauftragten der Bundesregierung ist laut BMEL „eine gute Entscheidung für die Landwirtschaft in Ostdeutschland“.

Verkäufe – bisheriger Schwerpunkt der Privatisierungspraxis der BVVG – bleiben demnach in den Jahren 2022 bis 2024 im Umfang von jährlich 2.000 ha möglich und sollen insbesondere der Erfüllung bestehender Rechtsansprüche dienen. Weitere 17.500 ha naturschutzfachlich wertvoller Flächen werden zudem für die Initiative „Nationales Naturerbe“ der Bundesregierung bereitgestellt: Ein Teil der Flächen im Umfang von 7.700 ha soll dabei unmittelbar an Naturschutzträger übertragen werden. 9.800 ha sollen langfristig in das Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben übertragen und dort in die Bundeslösung des Nationalen Naturerbes übernommen werden. Die Flächen verbleiben zunächst bei der BVVG und werden dort in Vorbereitung der Bundeslösung unter naturschutzfachlichen Kriterien weiter verpachtet.

Mecklenburg-Vorpommern will Verpachtung im Auftrag des Bundes übernehmen

Erleichtert über die Entscheidung zeigt sich auch Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus. „Nun kommt es darauf an, dass sich die ostdeutschen Länder und der Bund zügig auf die Kriterien einigen, nach denen die Flächen zukünftig zur Pacht vergeben werden können. Bis zum Beginn des kommenden Wirtschaftsjahres ab Oktober 2023 müssen die Karten auf dem Tisch liegen. Die Verfahrensweise in Mecklenburg-Vorpommern könnte in der Sache beispielgebend sein. Denn wir haben unsere Verpachtungskriterien zur Vergabe landeseigener landwirtschaftlicher Nutzflächen jüngst überarbeitet und transparent gemacht. Darum biete ich auch gerne an, dass wir zukünftig die Verpachtung der BVVG-Flächen im Auftrag des Bundes übernehmen. Wir haben den Weg bereitet und wir haben die Expertise“, so Backhaus.

Wie die Vergabekriterien in Mecklenburg-Vorpommern aussehen, dazu hat sich die Landesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-Fraktion im Landtag Ende September wie folgt ausgelassen: "Vorrangiges Vergabekriterium ist die Arbeitsintensität der landwirtschaftlichen Primärproduktion des Betriebes. Weitere Abwägungskriterien sind
- regionale Verarbeitung und Vermarktung,
- soziales Engagement in der Region,
- Hofnähe zum Los,
- Junglandwirt,
- ökozertifizierter Betrieb,
- kleiner (Familien-) Betrieb und
- eine bereits erfolgte beziehungsweise geplante investive Förderung aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) zur Verbesserung von Tierwohl/Klimaschutz."

Zum Umfang der vorhandenen Flächen heißt es in der Antwort: „In der Verwaltung der Landesregierung befinden sich 85.166 Hektar landwirtschaftliche Nutzflächen (LN), davon sind 64.451 Hektar Ackerland, 17.285 Hektar Grünland und 3.430 Hektar sonstige Flächen.“

 

22.11.2022
Von: FebL

Die zukünftigen Kriterein zur Verpachtung der BVVG-Flächen müssen noch erarbeitet werden. Bildquelle: Aktuelle "beschränkte Ausschreibung" der BVVG