Gründerzeit in Brandenburgs Landwirtschaft?

Sich in Brandenburg eine Existenz als Landwirt:in aufbauen? Nicht einfach! Die Böden in der Mark sind arm, die Investitionen hoch und die Rendite bescheiden. Trotzdem gibt es gut ausgebildete und hoch motivierte junge Menschen, die in der Landwirtschaft gründen möchten. Diese gilt es, gezielt politisch zu fördern. Aber wie? Brandenburgs Agrarminister Axel Vogel diskutierte heute mit landwirtschaftlichen Gründerinnen und Gründern und Vertreter:innen aus Politik und Wissenschaft über die für Brandenburg geplante Existenzgründungsprämie, den Ausbau von Beratungsangeboten sowie Steuerungsmechanismen für den Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen.

Zu der Diskussionsveranstaltung mit dem Titel „Wir wollen ackern - landwirtschaftlichen Nachwuchs stärken " an der Hochschule nachhaltige Entwicklung Eberswalde hatte ein breites Bündnis aus Verbänden und Organisationen geladen. Die Zuhörerzahl, 120 Besucher im Saal und im Lifestream, verdeutlichte das breite Interesse am Thema.

Minister Axel Vogel betonte, dass es für den Erhalt einer attraktiven Agrarstruktur mit möglichst vielen und vielfältigen Betrieben unerlässlich ist, junge Menschen gezielt zu fördern: „Der Zugang zu Boden ist für Junglandwirtinnen und Junglandwirte seit Jahren ein wichtiges Thema. Deshalb werden wir in der kommenden Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) eine Existenzgründungsunterstützung in der 2. Säule verankern. Dabei handelt es sich um eine unternehmensgebundene Pauschale in Höhe von 75.000 Euro je Antragstellerin und Antragssteller. Grundvoraussetzung ist, dass das landwirtschaftliche Unternehmen von einem Junglandwirt oder einer Junglandwirtin aus Berlin oder Brandenburg geführt wird. Außerdem setzen wir weiterhin auf Beratungsangebote und wollen das Mentoring-Programme weiter unterstützen."

Martin Zschoche (Bauernhof Martin Zschoche), landwirtschaftlicher Existenzgründer aus Sachsen, berichtete, dass er von der in seinem Bundesland bereits eingeführten Existenzgründungsprämie sehr profitiert habe. „Der größte Benefit der Prämie war, dass ich eine Sicherheit gegenüber der Bank für Investitionen hatte." Bezüglich der Ausgestaltung der Förderrichtlinie in Brandenburg empfahl er, die Prämie auch kleinstrukturiertem Betriebsformen zugutekommen zu lassen. Die von Minister Vogel für kommendes Jahr angekündigte Existenzgründungsprämie schätzten die Brandenburger Junglandwirte Maria Mundry (Betrieb Schwarze Kuh) und Johann Gerdes (Beerfelder Hof) als große Unterstützung ein. „Ich hätte mit der Prämie wahrscheinlich meine außerfamiliäre Betriebsübernahme ohne einen Investor aus eigener Kraft stemmen können." Maria Mundry sieht einen großen Vorteil der Prämie darin, dass sie auch für Investitionen in gebrauchte Maschinen genutzt werden kann. „Die aktuelle Investitionsförderung der ILB ist immer an Neuanschaffungen gebunden, ich brauche aber für meine Rinder keinen neuen Traktor." Ob die Kriterien praxistauglich ausgestaltet sind, wird die Zukunft zeigen.

Jobst Jungehülsing, Leiter des Referates Bodenmarkt im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hob deutlich hervor, dass die Startbedingungen von inner- und außerfamiliärer Betriebsgründung sich wesentlich unterscheiden. Momentan sei Förderung und Beratung ausschließlich auf innerfamiliäre Übernahmen ausgerichtet, bei denen betriebliche Werte von zwei bis zehn Millionen Euro übergeben würden, die außerfamiliären Gründern nicht zur Verfügung stünden. „Die Beratungs- und Gründungsförderung für beide Zielgruppen muss daher völlig unterschiedlich sein."

Dr. Marianne Nobelmann, Freie Beraterin für Hofnachfolge und Lehrende der Hochschule Eberswalde (HNEE), betonte, dass es sinnvoll sei, neue Formen der Ausbildung zu forcieren. So plane die HNEE die Einführung eines dualen Studienganges, der den Studierenden die Möglichkeit gibt, Praxiserfahrungen und Studium in einem Ausbildungsformat zu verbinden. Zum Abschluss der Veranstaltung wies die Moderatorin und top agrar-Redakteurin Stefanie Awater-Esper noch auf eine Veranstaltung zum selben Thema in Münster am 2. Februar 2023 hin.

Zum Hintergrund heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung der Veranstalter Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL), junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (jAbL), Bündnis junge Landwirtschaft (BJL) und Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE):
Brandenburg braucht landwirtschaftlichen Nachwuchs. Nur ein Viertel des Bedarfs an Fachkräften in der Landwirtschaft in Brandenburg wird bis 2030 nachkommen, ähnlich ist die Situation bei Betriebsleitern. Zudem suchen rund ein Viertel der Betriebe zeitnah eine Hofnachfolge, so eine Studie des Landes Brandenburg. Um Neugründungen und Übergänge konstruktiv zu gestalten, braucht es ein breiteres Beratungs- und Förderungsangebot.
Zudem sind die finanziellen Hürden für Gründerinnen und Gründer hoch: Mit einem Kapitaleinsatz von über 600.000 Euro je Arbeitskraft gehört die Landwirtschaft zu den kapitalintensivsten Branchen, und das bei bescheidenen Renditeaussichten. Zudem ist landwirtschaftliche Fläche, als zunehmendes Investitionsobjekt für außerlandwirtschaftliche Akteure, teuer und schwer zugänglich geworden, wie eine gemeinsame Stellungnahme mehrerer landwirtschaftlicher Jugendverbände unterstreicht.

 

13.12.2022
Von: FebL/PM

Im Gespräch in Eberswalde (v.l.): Martin Zschoche, Maria Mundry, Johann Gerdes, Moderation Stefanie Awater-Esper, Agrarminister Axel Vogel und Jobst Jungehülsing. Bildquelle: FÖL/AbL