Mit einem Stand von 116 (2015 = 100) liegt der Milch Marker Index (MMI), der die Erzeugungskosten der Milch darstellt und in regelmäßigen Abständen vom Büro für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL) errechnet wird, im Januar 2023 auf Höchstniveau. Nachdem die Milcherzeugungskosten bereits im Oktober mit 47,51 Cent auf einem neuen Allzeithoch lagen, stiegen sie bis Januar 2023 noch um weitere 0,19 Cent auf 47,70 Cent pro Kilogramm. Gegenläufig dazu sanken die Milchauszahlungspreise von 59,33 auf 56,91 um 2,42 Cent pro Kilogramm. Die Kostendeckung verringerte sich damit bereits um ganze sechs Prozent.
Auch wenn die Milcherzeugungskosten in der Region Nord bereits im Oktober 2022 ihren Höchststand erreicht hatten und nicht weiter stiegen, waren die Milcherzeuger*innen in dieser Region von dem stärksten Abfall bei den Milchauszahlungspreisen betroffen (- 4,22 Cent pro Kilogramm). Aber auch in den Regionen Ost und Süd begann der Abwärtstrend (- 2,50 bzw. -0,13 Cent pro Kilogramm). Im Vergleich der Bundesländer wiesen die Milchpreisveränderungen eine sehr große Spannweite auf. Während die Preise in Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland im Januar 2023 gegenüber Oktober 2022 noch um 0,71 Cent bzw. 1,22 Prozent angestiegen waren, fielen sie in Niedersachsen mit -5,45 Cent bzw. -8,90 Prozent am stärksten ab. Ob die Milchviehbetriebe auch in den nächsten Monaten ihre Kosten zur Erzeugung der Milch decken können, ist angesichts der aktuellen Entwicklungen also mehr als fraglich geworden.
In den letzten fünf Jahren betrugen die Milcherzeugungskosten im Durchschnitt 46,32 Cent pro Kilogramm und der Milchauszahlungspreis durchschnittlich nur 38,32 Cent. Nur für den sehr kurzen Zeitraum ab dem Stichmonat Juli 2022 wies der MMI eine Kostendeckung aus.
Bäuerinnen und Bauern können Einfluss nehmen
„Wir erleben wieder einmal ein Marktversagen,“ stellt der Vorstandsvorsitzende der MEG Milch Board Frank Lenz fest. „Verantwortlich dafür ist - wieder einmal - die nachträgliche Festsetzung der Milchauszahlungspreise. Nach wie vor fehlen den Erzeugern zum Zeitpunkt der Produktionsentscheidung wichtige Informationen zur Marktsituation. Marktsignale wie beispielsweise eine sinkende Nachfrage werden nicht zeitnah, das heißt vor der Produktion der Milch, an die Milcherzeuger weitergegeben.“ Die dadurch verzögerte Reaktion so Lenz, sorgt dafür, dass ein übermäßiges Angebot von Milch entsteht - und beeinflusst damit auch den Milchauszahlungspreis, da die angebotene und die nachgefragte Menge divergieren.
Das alles ist bekannt seit der Sektoruntersuchung Milch des Bundeskartellamtes von 2012. „Wir begrüßen es sehr,“ fährt Lenz fort „dass zukünftig das Bundeskartellamt Missstände des Wettbewerbs, die es im Rahmen einer Sektoruntersuchung feststellt, mit geeigneten Maßnahmen abstellen kann - um den Weg für uns Milcherzeuger frei zu machen für eine Selbstverständlichkeit in unserem Wirtschaftssystem: dass der Kaufpreis, der wie auf den meisten Märkten üblich, vor der Lieferung des Gutes vertraglich fest vereinbart wird.“ Konkret geht es dabei um drei Punkte.
1.Wie viel Menge wird benötigt?
2. In welchem Zeitraum muss diese Menge produziert werden?
3. Welcher Preis wird für diese Menge in diesem Zeitraum zwischen den Verhandlungspartnern fest vereinbart?
Lenz ist überzeugt: „Wenn diese Informationen die Erzeuger vor der Lieferung erreichen, kann etwa durch eine Einschränkung der produzierten Milchmenge angemessen auf die Bedürfnisse des Marktes und der Molkereien sowie auf drohende ökonomische Schocks reagiert werden. Bisher erfolgt, genau wegen der genannten Missstände, die Anpassung der Angebotsmenge über Hofaufgaben. Ist das eine angemessene Reaktion? Aus meiner Sicht nicht! Angemessen wäre die Bündelung der Angebotsmenge und ein Austausch auf Augenhöhe mit den Verarbeitern über notwendige Anpassungen der Angebotsmenge, damit die Bauern und Molkereien ihre Arbeit auch in Zukunft machen können.“
Die derzeit sinkenden Angebotsmengen werden Lenz zufolge zu einer Stabilisierung der Milchpreise führen. Ob das den Bauern nützt? Kurzfristig schon, langfristig wird es den Wellen der Volatilität Kraft und Schwung geben. Das erinnert an den Schweinezyklus. Das war auch eine Welle der Volatilität, die systembedingt fast alle Bauernhöfe mit Schweinehaltung verschlang. Dieses Desaster wiederholt sich nun bei der Milch. Lenz appelliert: „Bäuerinnen und Bauern, es ist Zeit zu handeln. Bündelt Euch und setzt Eure Interessen in Milcherzeugergemeinschaften und in den Genossenschaften durch. Die Möglichkeiten haben wir, es ist an uns sie zu nutzen.“