Bäuerinnen und Bauern brauchen Planungssicherheit und eine klare Perspektive. Ohne Planungssicherheit bleibt die Investition ein Risiko und ohne Perspektive kann kein(e) Hofnachfolger:in den Betrieb übernehmen. Viele Bauernorganisationen und auch das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung haben diese Bedingung ausgegeben. Wenn man die Zeichen des Klimawandels ernst nimmt, stehen sowohl Ackerbau als auch Viehhaltung vor grundlegenden Veränderungen. In unruhigen Zeiten sind Sicherheiten gefragt.
Davon sind aber aktuell die Märkte weit entfernt. Im Gegenteil: derart „volatil“ und sprunghaft waren sie schon lange nicht mehr. Und zwar in sehr unterschiedliche Richtungen.
Schweinemarkt: von ruinös zu Rekordpreisen
Seit drei Jahren sind die Schweinehalter von Multikrisen gebeutelt. Corona, Schweinepest, Exportzusammenbrüche, Inflation, Konsumverzicht – die einst erfolgsverwöhnte Veredelungsbranche ist schwer unter die Räder gekommen.
Noch bis vor ca. fünf Jahren wurden Veredelungsoffensiven gefeiert, Riesenschlachthöfe gebaut und deutsches Schweinefleisch in alle Welt ausgeführt. Mit geringsten Transportkosten von beispielsweise 12 ct/kg von Westfalen nach Shanghai wurde das Exportwunder bejubelt und der Selbstversorgungsgrad von 85% (1990) auf 140% gesteigert.
Das ist Geschichte. In den letzten 10 Jahren sind die Bestände von 28,5 auf 21,5 Mio. Schweine gesunken, und die Zahl der Schweinehalter hat sich um 40% reduziert.
Der Erzeugerpreis befindet sich seit dem Chinahoch 2019/Anfang 2020 in einer Dauerkrise. Von Juli 2020 bis Februar 2022 lag er im Schnitt bei ruinösen 1,35 €/kg. Danach erholte er sich zwar auf 1,90 €/kg bis Ende 2022. Da zugleich aber die Kosten für Futter explodierten, schrieben Mäster und besonders die Ferkelerzeuger weiterhin rote Zahlen. Erst als die Schlachtzahlen im letzten Jahr erneut um 10% sanken, drehte sich der Markt und schlug neue Kapriolen. Seit Februar stieg der Preis auf das Rekordhoch von aktuell 2,33 €/kg. So viel bekamen die „übrig gebliebenen“ Erzeuger noch nie. Der Markt ist „knapp versorgt“ und bei besserem Grillwetter könnte der Preis sogar noch steigen. Da gleichzeitig auch der Ferkelpreis kräftig anzog und die Futtermittelpreise rückläufig sind, können zurzeit endlich mal wieder die Vollkosten erwirtschaftet werden. Die Überschüsse scheinen abgebaut und der Schweinemarkt einigermaßen im Gleichgewicht zu sein. Sorgen machen jetzt eher die hohen Verbraucherpreise, die den Fleischverzehr weiter drücken werden. Aber niedrigere Preise würden zwar dem Verbrauch (vielleicht) nützen, aber den Bäuerinnen und Bauern schaden.
Welche Lehren aus der Multikrise ziehen?
Die Lehre dieser Zeit scheint aber bei vielen Branchenkennern angekommen zu sein:
Milchmarkt: von Rekordhoch zurück zu ruinös?
Der Milchmarkt entwickelt sich genau entgegengesetzt. Nach jahrelangen Niedrigpreisphasen verblüffte der Markt alle Beteiligte mit einem Preissprung von 46% in 2022. Gegen Ende des Jahres erzielte die konventionelle Milch mit 60 Ct/kg einen Preis, von dem die Bäuerinnen und Bauern noch ihren Kindern oder gar Enkeln erzählen werden. Treiber des Rekords war der Weltmarkt, insbesondere der Durst und Eiweißhunger aus China. Molkereien mit hohen Exportanteilen waren die „Milchkönige“, während Markenhersteller für den heimischen Markt in Schwierigkeiten gerieten. Denn was interessiert Aldi und Co, was die Chinesen konsumieren.
Besonders die exportorientierten, norddeutschen Milchriesen ließen die Muskeln spielen und zahlten glänzende Preise bei gleichzeitig glänzenden Gewinnen. Der größte deutsche Molkereikonzern DMK kletterte vom letzten norddeutschen Platz bis in die Spitzengruppe (+50% gg. Vorjahr). Seit Anfang des Jahres läuft nun die Rolle rückwärts. Von 60 Cent im Dezember fiel der Bundesschnitt im März auf 47,9 ct/kg und im April auf ca. 44-45 Cent. Jetzt halten die süddeutschen Markenmolkereien wieder den Preis hoch, während im Norden kaum noch 40 ct/kg ausbezahlt wird. Der Weltmarktsegen hat ein Ende und die Milcherzeuger erzielen mal wieder nicht ihre Vollkosten. Das Wirtschaftsjahr 2022/23 wird insgesamt noch sehr gut sein, aber was kommt dann? Die Frage bleibt, wieweit der Preis weiter sinkt, zumal die Anlieferung immer noch steigt. Deshalb haben BDM, AbL, BUND Bayern u.a. die „Münchner Milchmarkt-Erklärung“ vorgelegt, in der ein „präventives Reagieren durch eine befristete freiwillige Reduktion der Anlieferung gegen eine finanzielle Ausgleichsleistung“ gefordert wird, bevor der Markt zusammenbricht. (die Bauernstimme Nachrichten berichteten)
Aber man gewinnt bei der Milchindustrie den Eindruck, dass sie weiterhin auf die Globalisierung setzt. Der Exportanteil vieler großer Molkereien ist teilweise extrem, im Durchschnitt schätzen Experten ihn auf über 50%. (Hochland z.B. führt 65% aus, davon über die Hälfte in Drittländer. Aber aus Russland will man sich nicht zurückziehen. Das könne man den Kunden und Lieferanten nicht antun.)
Der Marktbeobachter fürchtet, dass der Export eine strategische Entscheidung für manche Milchkonzerne wie Arla, Friesland/Campina, DMK, Hochland usw. ist, so dass eine Konzentration auf den heimischen Markt weniger in Frage kommt. Eine Kennzeichnung mit deutscher Herkunft hält der Vorsitzende der Milchindustrie für einen Rückschritt, weil es die Exportgeschäfte stört. Eine vordringliche Ausrichtung auf Qualitätserzeugung (Weidemilch, Heumilch, Biomilch) oder auf ein hohes Tierwohlniveau wird nicht gefördert, außer wenn es vom Einzelhandel verlangt wird. Beim schrittweisen Umbau der Milchviehhaltung ist der Handel der Treiber, die Milchindustrie und der Bauernverband stehen vereint auf der Bremse. Die Hoffnung ruht auf den mittelständischen Molkereien und ihren Markenstrategien. Sie werden (voraussichtlich) auch in diesem Jahr wieder die (Preis-) Kohlen aus dem Feuer holen müssen. Eine Neuausrichtung des Milchmarktes lässt nach dem „Erfolg“ der Exporteure von 2022 erst einmal auf sich warten.