Münchner Milchmarkt-Erklärung: Handeln statt Warten!

„Frühzeitig und präventiv auf drohende Marktverwerfungen reagieren“ – diese Notwendigkeit und Aufgabe, 2014 beschlossen von den Amtschefs der Länderagrarminister in Berlin, sollte noch jetzt und angesichts aktuell deutlich sichtbarer Marktverwerfungen Leitschnur des Handelns sein, um die Milchviehhaltung in Bayern, Deutschland und Europa vor massiven Schäden zu schützen. Das erklären Grüne, der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und der BUND Naturschutz in Bayern in einer von ihnen unterzeichneten und auf einem von den Grünen im bayerischen Landtag veranstalteten Milchgipfel vorgestellten „Münchner Milchmarkt-Erklärung“ mit dem Titel „Krisen brauchen Lösungen: Handeln statt Warten!“

Die Ursache für die aktuelle Marktsituation ist nach Ansicht der Unterzeichnenden die europaweite Steigerung der Milchanlieferung (insbesondere in Deutschland, Polen und den Niederlanden) bei gleichzeitigem Rückgang der Nachfrage. Dabei zeige sich einmal mehr, dass schon Steigerungen im Bereich von zwei Prozent immense Marktwirkung in Form von abstürzenden Milchpreisen zeigen.

„Die am schnellsten wirksame, ressourcenschonendste und damit klimafreundlichste Möglichkeit der  Krise zu begegnen ist die Reduzierung des Angebots. Die schädlichste Methode ist es, abzuwarten, bis dies über Betriebsaufgaben geschieht und damit den Strukturwandel weiter anzufeuern“, heißt es in der Erklärung.

Auf EU-Ebene gebe es dazu ein geeignetes Instrument, das ein organisiertes Vorgehen zulässt: Die Gemeinsame Marktordnung (GMO) der EU sieht in Art. 219 bis 222 die Möglichkeit vor, den Milchviehhaltern eine befristete, freiwillige Reduzierung ihrer Milchanlieferung gegen eine finanzielle Ausgleichsleistung anzubieten. Eine entsprechende Ausschreibung ist möglich, ohne dass vorher die Marktunwirksamkeit der Privaten Lagerhaltung und der Intervention festgestellt werden müsste.

Für dieses Instrument - auch „Freiwilliger Lieferverzicht gegen Entschädigung“ genannt - haben die Milchviehhalter in der letzten Milchmarktkrise gekämpft, so die Erklärung. Nach Einschätzung auch des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) habe dieses Angebot zu einer beschleunigten Bewältigung der Milchmarktkrise entscheidend beigetragen.

Die Mitzeichner dieser Erklärung sprechen sich daher dafür aus, dass sich die Bundesregierung in Brüssel mit aller Kraft für die sofortige Freischaltung dieses schon bei der letzten Milchmarktkrise erfolgreich eingesetzten Instruments stark macht.

Für die Zukunft wichtig sei, so die Erklärung, ein marktangepasstes Lieferverhalten der Milcherzeuger und eine schnelle Reaktion auf Marktveränderungen. Entscheidend für schnellere Marktanpassungen ist eine realitäts- und zeitnahe Darstellung der globalen und nationalen Milchmarktentwicklung, die für die Milchvieh halter einfach und fast auf einen Blick ablesbar sein muss. Dafür müsse die Marktbeobachtung und Auswertung der EU- Milchmarktbeobachtungsstelle (MMO) weiter ausgebaut werden.

Und um zukünftig schnell und ohne hinderliche Interessenskonflikte marktwirtschaftlich agieren zu können, müsse den Milcherzeugern ermöglicht werden, gemeinsam organisiert auf Marktveränderungen reagieren zu können. Dazu sei der Art. 157 GMO dahingehend zu ändern, dass die Landwirtschaft als eigenständige Branche anerkannt werden kann. Damit würde die Grundlage geschaffen, um Marktmanagement, Branchenkommunikation, die Verwaltung von Marktkrisenmaßnahmen etc. in Verantwortung der Landwirtschaft zu ermöglichen.

Manfred Gilch, BDM-Vorstandsmitglied erklärt: „Alle bisherigen Marktkrisen haben eines gezeigt: Erst wenn sich wieder ein Marktgleichgewicht einstellt, geht es wieder aufwärts mit den Milcherzeugerpreisen. Wenn jetzt nicht gehandelt wird und ein freiwilliger Lieferverzicht auf europäischer Ebene freigeschaltet wird, wird es wieder zu sehr großen Verlusten für die Milchviehbetriebe und damit auch für die ländlichen Räume kommen. Eine weitere Hofaufgabe-Welle droht, wenn jetzt der Ernst der Marktlage verkannt wird und das wird zu tiefgreifenden Veränderungen der Agrarstruktur nicht nur in Bayern führen.“

Und Gisela Sengl, Sprecherin für Landwirtschaft und Ernährung der Grünen im Bayerischen Landtag, sagt: „Bayern ist das Milchland Nummer eins. Für unsere Milchbäuerinnen und Milchbauern wollen wir langfristig faire Preise. Deshalb setzen wir uns dafür ein, in Krisenzeiten eine Mengenreduzierung gegen Ausgleichszahlungen zu aktivieren. Dieses Instrument hat schon in der Milchkrise 2015/ 2016 dabei geholfen, die Krise zu beruhigen. Wir sollten aber auch die Fördermaßnahmen ausbauen, die geeignet sind, die Tierzahlen an die vorhandene Fläche anzupassen und vor allem wollen wir die Weidehaltung massiv fördern, hier besteht in Bayern noch viel Potential.“

Milchbetriebe sind nicht nur für den grünen EU-Abgeordneten Martin Häusling „wichtig für den Erhalt von Grünland, das ist aktiver Klimaschutz, allerdings nur mit der richtigen Haltung: Auf der Weide. Zunächst einmal müssen wir aber die Preise stabilisieren. In der Münchener Milchmarkt-Erklärung spreche ich mich deshalb mit den Grünen im Bayerischen Landtag, dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter BDM, der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft AbL und dem BUND Naturschutz dafür aus, in Krisenzeiten eine Mengenreduzierung durch freiwilligen Lieferverzicht zu aktivieren. Finanziert werden kann das durch den EU-Krisenfonds mit entsprechenden Ausgleichszahlungen“, so der grüne EU-Abgeordnete im Rahmen des Milchgipfels.

26.04.2023
Von: FebL/PM

„Milchgipfel" im Bayerischen Landtag mit (v.l.) MEP Martin Häusling (agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA), MdL Gisela Sengl (Sprecherin für Landwirtschaft und Ernährung der Grünen Landtagsfraktion), MdL Ludwig Hartmann (Fraktionsvorsitzender der Grünen Landtagsfraktion), Manfred Gilch (Vorstandsmitglied BDM), Hans Foldenauer (Vorstandssprecher BDM), Johann Leis (Landesvorsitzender BDM Bayern). Nicht im Bild sind die ebenfalls am Gipfel teilnehmenden Vertreter:innen der AbL und des Bund Naturschutz in Bayern. Foto: Die Grünen im Bayerischen Landtag/Lukas Barth