Import/Export, Tierabbau, Transformation – Entwicklungen auf dem europäischen Schweinemarkt

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Die Probleme auf dem heimischen Schweinemarkt sind keine deutsche Spezialität. Der Abbau der Tierhaltung und der Umbau der Fleischbranche ist kein deutscher Sonderweg. Auch die anderen großen Schweinenationen haben mit (je spezifischen) Herausforderungen zu kämpfen. In Dänemark und in Polen läuft ein heftiger Strukturwandel, die Niederlande streiten um den Rückgang der Stickstoffemissionen. Selbst Spanien, bis 2021 EU-Wachstumstreiber in Produktion und Export, verspürt Rückgänge, Widerstände im Land, Auswirkungen des Klimawandels (Wasser, Futter). Gleichzeitig erfährt der Schweinepreis in Europa einen ungeahnten Höhenflug, der den Konsum dämpft und die Ausfuhrchancen sinken lässt, weil Exporteure aus anderen großen Schweineländern (USA, Brasilien, Kanada) billiger anbieten können.

EU-Produktion sinkt, aber Selbstversorgung bleibt (sehr) hoch

Die Erzeugung von Schweinefleisch ist EU-weit in den letzten zwei Jahren um über 10% gesunken und auch der Verzehr nicht nur in Deutschland eingebrochen. Der Konsum ist um 10% reduziert und liegt in Europa mit 30 kg auf Höhe des Bundeswertes. Die Schweineschlachtungen sind im ersten Quartal 2023 um 7,7% geschrumpft und gegenüber 2021 um 12%. Die EU-Kommission geht von entsprechenden Rückgängen im gesamten Jahr 2023 aus. Deutschland liegt leicht über dem Schnitt. Auch andere Hauptproduktionsländer wie Spanien (minus 9%), Belgien (-10%), Polen und Frankreich sind betroffen. Besonders stark ist der Einbruch in Dänemark mit minus 16,3%. Längst können die Europäer ihr Fleisch nicht allein verzehren. Der Export ist Bedingung für den Markt. Der Selbstversorgungsgrad der EU liegt 2022 bei 125% (2015 bei 115%), d.h. es wird 25% mehr produziert als verbraucht. Spitzenreiter ist Dänemark mit unglaublichen 620%, Niederlande folgt mit 330%, Belgien 250%, Spanien und Irland mit 200%, Deutschland liegt bei 126%.
Daraus ist leicht erkennbar, dass besonders Dänemark und Spanien abhängig vom Export und von den Weltmarktpreisen sind.

Spanien: Europameister mit vertikaler Produktion und zunehmenden Umweltproblemen

Spanien hat sich in den letzten Jahren zum europäischen Marktführer gemausert und Deutschland von der Pole-Position verdrängt. Aber die Besonderheit der Südeuropäer liegt in ihrem hohen Anteil der vertikalen Integration. Etwa 75% der Betriebe sind praktisch abhängig vom Integrator. Nur 11% der Schweinehalter verkaufen ihre Tiere selbstständig, erklärte der Verband der Schweineproduzenten Anprogapor auf einer Tagung. Der Integrator „Val Companies“ z.B., der mit 5 Mio. Schweinen etwa 10% der spanischen Jahresproduktion abdeckt, hat alles unter Kontrolle – von der Zucht bis zum Verkauf an den Handel. Das Produktionssystem umfasst die Lieferung von Sauen oder Ferkel sowie Futter. Tierärzte, Impfungen und Medikamente werden vorgeschrieben und eine Urlaubs- und Krankheitsvertretung organisiert. Die Tiere verbleiben den ganzen Zyklus über Konzerneigentum. Der „Landwirt“ bringt den Stall, die Arbeitskraft, Strom und Wasser ein und erhält pro Mastschwein 15 Euro bzw. pro Absatzferkel 13 Euro pauschal, so der Verband.

Erstmals seit vielen Jahren werden geringere Schweinezahlen gemeldet (minus 9% im ersten Quartal 2023). Das hat aber weniger mit einem Umkehrprozess im Schweinemarkt zu tun. In den letzten Jahren profitierte Spanien massiv von großen lukrativen Exportmengen nach China – vor allem als Deutschland schweinepestbedingt seit fast 3 Jahren als Konkurrenz ausfiel. Nun aber reduziert Peking die Einfuhrmengen und man muss sich andere Absatzwege suchen. Der Druck aufs europäische Ausland nimmt zu.

Wachsende Gesundheitsprobleme ...

Dazu kommt, dass im spanischen Sauenbestand seit längerem große Gesundheitsprobleme mit hochpathogenen Viren (z.B. „Rosalia“) herrschen. Es sind deshalb vermehrt Ferkelverluste und Leistungseinbußen aufgetreten, so dass Ferkel für die Mast fehlen. Das EU-Verbot von Zinkoxyd und ein geringerer Antibiotika-Einsatz (Exportauflagen) tun ein Übriges. Deshalb sind verstärkt Ferkel aus Nordwesteuropa gekauft worden. Im ersten Quartal 2023 stieg der Import um 50% auf fast 1 Mio. Ferkel, vor allem aus den Niederlanden, die zum Handelsrekord etwa 70% beitrugen. Belgien versechsfachte die Lieferungen, die ihnen jetzt im eigenen Land fehlen, was die sonst niedrigen Schweinepreise emporschnellen ließ. Deutschland ist mangels eigener Ferkel nicht lieferfähig. Sorge bereitet den spanischen Mäster die Gefahren von Seuchenverschleppung wie der ASP. Das wäre der Supergau.

... und ökologische Risiken

Außerdem beeinflussen ökologische und Klimabedingungen die Schweinehaltung zunehmend. Schon seit längerem entzünden sich regionale und überregionale Auseinandersetzungen mit Bürgerinitiativen (Greenpeace spielt eine wichtige Rolle) und Teilen der Regierung an der Nitratbelastung durch Großbetriebe. In den Intensivregionen fehlt immer Wasser, was sich in diesem Jahr durch die lange und heiße Dürrephase im Frühjahr noch potenziert hat. Jeder Wasserverbrauch muss dokumentiert und genehmigt werden. Aktuell führt es zu heftigen Auseinandersetzungen um Wasserrechte, die sich zu nationalen politischen Konflikten ausweiten. Schließlich stehen Wahlen im Juli an.

In diesem Jahr steht zudem noch eine katastrophale Futterversorgung an. Den Iberern mangelt es an Futter für die hohen Tierbestände, weshalb man seit langem sehr viel Gerste und Mais (etwa 45% des Futters) importieren muss – gern auch aus der Ukraine, wie die Zahlen auch im Krisenjahr 2022 belegen, als Schwarzmeerschiffe nach Spanien statt nach Afrika fuhren. Nun bricht auch noch die Getreideproduktion im Land ein. Nach Vorhersagen des Verbands der Agrarkooperativen halbiert sich die Ernte auf 9 Mio. Tonnen, statt 18 Mio. wie im Vorjahr. Witterungsbedingt rechnet man mit einem Hektarertrag von 16,6 dt. Dringend wird nach neuen Lösungen im Umgang mit dem Klimawandel gesucht. Als Schlüssel werden genetisch veränderte neue Sorten ausgemacht. Darüber hinaus müsse für die Landwirtschaft ein „nachhaltiger Zugang zu angemessenen Wasserressourcen“ gesichert werden, wie der Verband fordert. Der Kampf ums Wasser ist mitten in Europa angekommen.

Dänemark: exportabhängig und Strukturbruch

In Dänemark bricht der Schweinebestand ein. Der Schweinehaltung im Land mit dem weitaus höchsten Überschuss in Europa geht die Luft aus. Die extreme Exportabhängigkeit stellt sich nun als erheblicher Nachteil heraus. In den Boomzeiten des China-Exports 2020/ 2021 war der Handelsumfang ins Reich der Mitte so hoch wie in die gesamte EU. Dieser florierende Export hatte einen Aufschwung der Branche bewirkt. Doch schon 2022 sank der Absatz von 520 Mio.t auf 386 Mio.t und im ersten Quartal noch einmal um 20%. In der EU ist Deutschland der größte Kunde, wenn man die Lebendexporte von Schweinen und Ferkel hinzunimmt.

Die Folgen sind für die Schweinehalter verheerend. Die Schweinezahl reduzierte sich zu 2022 um 14% und zu 2021 um 23%. Noch viel stärker ausgeprägt war das Minus bei den Haltern. Seit 1990 sank ihre Zahl um 91% auf 2576 Betriebe, davon wirtschafteten gut 1000 Betriebe mit Mast und ebenso viele im geschlossenen System. Reine Sauenhaltung betreiben noch 329 Betriebe laut der amtlichen Statistik – und das bei der globalen Nr. 5 des Schweinefleischhandels. Hauptursache für den Rückgang, so der einflussreiche Dachverband der Agrar- und Ernährungswirtschaft, sind die hohen Produktionskosten und die schlechte Wirtschaftlichkeit. Der Sinkflug des Absatzes und der Schlachtzahlen trifft die Landwirtschaft und die Fleischindustrie. Danish Crown (DC), mit Abstand größter Schlachtkonzern, schließt einen seiner sechs Schlachthöfe sofort – noch eher als geplant. Dass DC Schweine fehlen, liegt auch am vergleichsweise niedrigen Erzeugerpreis. Das Unternehmen zahlte vergangene Woche umgerechnet unter 2,oo Euro/kg SG. Damit liegt er ca. 40 Cent unter dem deutschen Niveau. Da aber EU-weit Schweine gesucht sind, verkaufen die Ferkelerzeuger lieber nach Deutschland oder Polen. Diese Tiere werden in den nächsten Monaten zusätzlich fehlen. Aber die hohen Überschüsse bleiben und nur der Export als Hoffnung – oder der Strukturbruch in der Landwirtschaft.

Schwächelnder Bioabsatz

Die schwache Konjunktur bekommt auch der Bioschweineabsatz von DC zu spüren. Wie das Unternehmen mitteilt, ist der Umsatz von Oktober 2022 bis März 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 12,9 Prozent auf 64 Mio. Euro zurückgegangen. Auch hier läuft nichts ohne Export. Dabei ist Friland, die Biotochter von DC, einer der big player im deutschen Biomarkt. Der Bio-Erzeugerpreis liegt zwischen 3 und 3,50 €/kg, sagen Marktkenner – das sind 20 bis 30% unter dem deutschen Biopreis.

Der Marktbeobachter ist im Übrigen der Ansicht, dass das europäische System der Schweinefleischerzeugung an seine Grenzen stößt. Das alte Prinzip – billiger Einkauf von Futter aus Südamerika, Ukraine usw., rationelle Produktion hier und Export nach China und Ostasien – funktioniert nicht mehr. Andere Länder (Brasilien, USA) können billiger produzieren und uns bleiben die ökologischen, Tier- und Klimaschutzprobleme (Gülle, Wasser usw.). Die Akzeptanz in der Gesellschaft schwindet. Die Anzahl der Verlierer eines solchen Weges nimmt zu. Die Bäuerinnen und Bauern gehören in großer Zahl dazu. Ein Umbau der Tierhaltung ist unausweichlich. Aber wie und wie schnell muss eine Transformation gehen?

28.06.2023
Von: FebL/PM

Greenpeace-Protest gegen Großfarmen (macrogranjas) in Spanien. Foto: Greenpeace Spanien