FDP in Niedersachsen unterstützt Tierwohlabgabe

Die FDP-Fraktion im niedersächsischen Landtag unterstützt wenige Wochen vor den dortigen Landtagswahlen und nach monatelanger Verweigerungshaltung nun doch in einem Positionspapier „Zukunft der Tierhaltung“ den Vorschlag der Borchert-Kommission für eine Tierwohlabgabe. Das Vorgehen der Niedersachsen sei mit „führenden Köpfen“ der Bundesebene abgesprochen. In ersten Reaktionen wird die Bewegung der FDP begrüßt, wenngleich offizielle Statements der FDP-Bundesebene noch ausstehen und die Unterstützung der Abgabe von der FDP nur im Zusammenhang mit anderen „unverzüglich zu ergreifenden“ Maßnahmen zu haben ist.

Um die Transformation der Tierhaltung verlässlich zu finanzieren, schlägt die FDP-Fraktion einen bundesweiten Tierwohl-Fonds vor, der sich durch eine zweckgebundene Tierwohlabgabe auf Fleischprodukte speist, geltend für alle Herkunftsländer und auch im Großhandel. Dabei müsse sichergestellt sein, dass diese Mittel dann auch tatsächlich bei den Tierhaltern ankommen. „Hier sei vor allem der Lebensmitteleinzelhandel in der Verantwortung, die Belastung für den Kunden so gering wie möglich zu halten. Am besten wäre es, er würde die Mehrkosten komplett tragen“, erläutert der agrarpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Hermann Gruppe. Fraktionschef Stefan Birkner ergänzt: „Gleichzeitig müssen wir uns um eine Angleichung der Tierwohlstandards im Rahmen der Europäischen Union bemühen. In dem Maße, in dem hier Fortschritte erzielt werden, kann der finanzielle Ausgleich der Wettbewerbsnachteile wieder zurückgefahren werden.“ Laut Fraktionschef Birkner unterstützt die FDP eine Abgabe von maximal 40 Cent pro Kilogramm Fleisch. Die genaue Höhe müsse der Bundeslandwirtschaftsminister mit den Beteiligten besprechen.

„Die akute und prekäre Situation im Bereich der Sauen- und Schweinhaltung“ macht es neben der Tierwohlabgabe laut FDP-Papier erforderlich, weitere „Maßnahmen unverzüglich zu ergreifen, um unumkehrbare Strukturbrüche jetzt noch abzuwenden.“ Die Abgabe ist nur im Paket zu haben. Gefordert wird ein Auflagenmoratorium. Es dürfe keine neuen Auflagen geben und auch bereits beschlossene kostenintensive Maßnahmen müssten auf den Prüfstand gestellt werden. Das Bau- und Planungsrecht und das Immissionsschutzrecht müssten so geändert werden, dass Investitionen in Stallbauten rechtssicher möglich und dauerhaft tragbar sind. Die Maßnahmen zum Umbau der Tierhaltung müssen laut FDP durch eine vollumfängliche verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung abgesichert werden. Und da heute bereits mehrere Millionen Ferkel nach Deutschland importiert werden müssten, sollten in der Sauenhaltung auch Fördermittel bei Kapazitätserweiterung gewährt werden. Die „Borchert-Kommission“ mit ihren Arbeitskreisen sollte dringend wieder eingesetzt werden und auch die Zukunftskommission Landwirtschaft und der Verein „Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft“ sollten ebenfalls für die fachliche Begleitung und Evaluierung genutzt werden.

Begrüßt wird das Positionspapier von der Sprecherin für Ernährung und Landwirtschaft der grünen Bundestagsfraktion, Renate Künast.Wir begrüßen es sehr, dass die FDP den Forderungen von Minister Özdemir und den Grünen folgt und ihren Widerstand gegen eine angemessene Finanzierung des Stallumbaus aufgegeben hat. Das ist eine wichtige Unterstützung für mehr Tierschutz und fairen Wettbewerb“, so Künast. Für einen erfolgreichen Umbau der Tierhaltung brauche es natürlich ein ganzes Bündel an Maßnahmen: Eine verpflichtende Kennzeichnung aller tierischen Lebensmittel, höhere Mindeststandards und eine gesicherte Finanzierung, eine Herkunftskennzeichnung und natürlich eine Neuausrichtung der Gemeinschaftsverpflegung. Bundesminister Özdemir habe die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung bereits auf den Weg gebracht, jetzt könne auch beim Finanzierungskonzept weiter gearbeitet werden. „Für uns Grüne ist klar: Es wäre den Landwirten gegenüber unfair, zu behaupten, dass die Tierhaltung in der heutigen Art und Dimension künftig noch Bestand haben wird. Langfristige Planungssicherheit wird es angesichts der Wünsche von Verbraucher*innen und vor dem Hintergrund der Klimakrise nur geben können, wenn der Umbau der Tierhaltung mit einem Abbau der Tierbestände einhergeht. Weniger Tiere müssen besser gehalten werden. Hierfür sind auch bessere Tierschutzstandards notwendig, eine Novelle des Tierschutzgesetzes ist in der Koalition ja ebenfalls vereinbart. Mit der Meinungsänderung bei der FDP sind wir dann einen Schritt weiter, um unsere Landwirt*innen auf diesem Weg zu unterstützen“, erklärt Künast.

Unterstützung findet das Papier auch beim Deutschen Raiffeisenverband (DRV) und dem in Niedersachsen ansässigen Agrar- und Ernährungsforum Oldenburger Münsterland (AEF). „Mit diesem Papier hat sich die FDP eindeutig zur Nutztierhaltung, insbesondere für die im Nordwesten Niedersachsens ansässige Veredlungswirtschaft mit ihren vor- und nachgelagerten Branchen, bekannt“, so der AEF-Vorstandsvorsitzende Sven Guericke. Nun liege es an der Bundesregierung, mit den richtigen Partnern die Zielsetzungen der Borchert-Kommission umzusetzen und den Gesetzentwurf für das staatliche Tierhaltungslabel noch tragfähiger auszugestalten. Ähnlich äußert sich auch der DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp. „Die FDP bekennt sich klar zur Zukunft der Tierhaltung in Deutschland. Das Positionspapier weist den Weg, wie der notwendige Transformationsprozess hin zu mehr Tierwohl umgesetzt und finanziert werden kann. Dies ist ein wichtiges und richtiges Signal für die gesamte Branche, die seit langem auf verlässliche Aussagen wartet. Jetzt ist die Ampelkoalition gefordert, Nägel mit Köpfen zu machen“, so Holzenkamp.