Meldungen vom Schweinemarkt

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde: Preise im Auftrieb ++ Bei ASP Bauern allein gelassen, Handel und Politik stehlen sich aus Verantwortung ++ Initiative Tierwohl in der Kritik

Preise im Auftrieb

Die gute Nachricht vornweg. Nach längerer Zeit sind die Preise für Ferkel und Schweine merklich angezogen. Mastschweine erreichten erstmals seit mehr als zwei Jahren wieder die 2 Euro-Grenze und die Ferkel werden diese Woche mit 50 € pro 25 kg Ferkel-Grundpreis abgerechnet. Da zudem in den letzten Wochen die Getreidepreise sanken und auch die Futtermittel leicht rückläufig notierten, schrieben die Schweinehalter auf dem Papier nicht mehr knallrote, sondern rosarote Zahlen. Immer noch geben die gestiegenen Preise für Futter und Energie die Ergebnisse vor. Der ISN zufolge fehlen für die Vollkostenberechnungen immer noch 50 € pro Schwein, davon benötigen aber die Ferkelerzeuger sicherlich die Hälfte. 

Der spürbare Anstieg ist weniger auf die langsam anziehende Fleischnachfrage als auf das knappe Angebot zurückzuführen. Das gilt europaweit. Aus unterschiedlichen Gründen ist aktuell die Schweineproduktion eher rückläufig. In vielen Ländern (Spanien, Frankreich u.a.) spielt die Dürre und die hohen Futterkosten eine große Rolle. Die Niederlande und Dänemark kämpfen zudem mit Ökoauflagen und begrenzten Exportchancen. Und Deutschland leidet unter allen Krisen und zusätzlich dem drastisch gesunkenen Konsum. Die wöchentlichen Schlachtzahlen liegen mit 700.000 bis 750.000 um ca. 10% unter Vorjahr und mindestens 20% unter 2016 bis 2020. Inwieweit die Überkapazitäten weitgehend abgebaut sind, darüber streitet die Branche. Manche sehen in der gegenwärtigen Belebung der Nachfrage gute Zeichen für ein Marktgleichgewicht, während andere die niedrigen Schlachtzahlen mit dem mangelnden Wachstum der Tiere bei den aktuell heißen Temperaturen begründen. Die unterschiedlichen Interessen steuern halt die jeweiligen Argumentationen.

Festzuhalten bleibt, dass die Schweinehalter den bisherigen Abbau der Tierzahlen aus ihrer eigenen Geldbörse bzw. mit Aufgabe des Betriebszweiges bezahlen. 

Und das obwohl die tierischen Produkte etwa ein Drittel teurer sind als vor einem Jahr, bei Schweinefleisch immerhin im Juli um 20% (Milch gar um 44%). Trotz dieser gigantischen Zahlen stellen sich bei den Erzeugern keine Freudentänze ein. Die hohen Kosten fressen vieles auf und die hohe Inflation bei Lebensmittel ändert das Verbraucherverhalten. 

Marktexperten sprechen von einer Zeitenwende auch bei Nahrungsmitteln, aber die strukturellen, ökonomischen oder politischen Folgen sind (noch) nicht absehbar.

 

ASP: Bauern allein gelassen, Handel und Politik stehlen sich aus Verantwortung

Es geht ein Gespenst um im Schweinemarkt, die Afrikanische Schweinepest (ASP). Sie taucht unvermittelt auf, man weiß nicht warum, breitet sich aus oder auch nicht. Die Ursachen sind häufig nicht erklärbar. Aber unter Veterinären herrscht Einigkeit: die ASP ist gekommen, um zu bleiben. Die Folgen für die in der Regel unverschuldet Betroffenen sind verheerend.

Nun weiß seit Jahren jeder in der Schweinebranche, dass die ASP überall auftauchen kann. Sie geht nicht schrittweise von Kreis zu Kreis, sondern überspringt oft große Strecken. So ist es jetzt auch im Westen Niedersachsens, im Kreis Emsland geschehen. Auf einem einzelnen Hof ist ASP aufgetreten, das gesamte Beobachtungsgebiet im Umkreis von 10 km wurde Hof für Hof untersucht. Fast 200.000 Schweine sind von den Auflagen betroffen. „Bislang sind alle Untersuchungsergebnisse negativ. Außerdem ist die Inkubationszeit von bis zu 15 Tagen längst ohne einen weiteren Fall verstrichen. Wir haben es also mit einem Punkteintrag zu tun. Die gesamte Sperrzone ist frei von ASP“, erklärte Ministerin Otte-Kinast (CDU).

Das ändert aber nichts an den Vorgaben der EU, dass aus dem Gebiet für 90 Tage keine Schweine/Ferkel hinausgebracht werden dürfen – außer nach exakten Transportvorgaben mit Bewilligung der Ämter und mit Segen der EU usw. In der Folge spitzt sich die Lage in den Ställen zu, etwa 30.000 Schweine stauen sich mit wachsender Zahl und Gewicht. Zwar wurden die ersten ca. 5000 Schweine an zwei Standorten in NRW und Schleswig-Holstein (nicht in Niedersachsen!) geschlachtet, aber eine Lösung ist nicht in Sicht. Die Weiterverarbeitung und Vermarktung des nach EU-Recht hoch zu erhitzenden Fleisches funktioniert nicht, weil z.B. viele Handelskonzerne die (dann einwandfreien) Produkte ablehnen. Eine Rolle spielt auch die Sorge der großen Schlachtkonzerne um einen möglichen Verlust von Exportlizenzen. Deshalb will fast kein Verarbeiter die Ware, auch wenn sie kostenlos angeboten wird. Die bereitwilligen Schlachthöfe wie Manten am Niederrhein sehen aber keine Möglichkeit der Übernahme der Schweine (schlachten, zerlegen, einfrieren), wenn es keine Vermarktung gibt. „Es sei denn, das Land übernimmt die Tiere, lässt sie schlachten und gibt das Fleisch in Gefrierläger,“ so der Vorschlag der Fleischwirtschaft. Das habe sich in den 1990er Jahren bei der Klassischen Schweinepest als Erfolg erwiesen. Damit trifft man aber auf Granit bei der Ministerin, die das Problem als „Hausaufgabe“ der Wirtschaft sieht. Eine Übernahme der Tiere durch das Land sei ausgeschlossen. Dagegen argumentieren die Fleischunternehmen, dass die Tierschutzprobleme, die durch eine Rechtslage entstanden sind, Aufgabe des Staates seien. Inzwischen, so Otte-Kinast, habe das Land genügend Kühlhäuser angemietet (was der Verband bezweifelt), aber die Kosten und das Risiko der Vermarktung verweigert sie.

Indessen kritisiert der Fleischwirtschaftsverband, dass sich das Ministerium viel zu wenig und zu spät kümmere. Das gelte auch für eine mögliche Verkürzung der Frist für die Aufhebung der Überwachungszonen bei der EU. Während Mecklenburg-Vorpommern mit Minister Backhaus eine Reduzierung auf 28 Tage bei der EU erreichen konnte, verweist Niedersachsen auf die Verantwortung des Bundes und schreibt einen „Brandbrief“ an Minister Özdemir.

Bei all dem Hin und Her liegen die Nerven bei den Schweinehaltern blank. Die Tiere wachsen „aus den Ställen heraus“, wie sie sagen. Tierschutzregeln könnten kaum mehr eingehalten werden. Zudem sind die finanziellen Verluste dramatisch. Bisher werden die geschlachteten Tiere mit 0 Euro abgerechnet. Die staatlichen Tierseuchenmaßnahmen, erklärt die ISN, verursachen diesen Schaden. „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen und das ist an dieser Stelle der Staat,“ so ISN-Geschäftsführer Staack. Niedersachsen scheine sich aber mit Hinweisen auf die Wirtschaft und den Bund aus der Verantwortung stehlen zu wollen und die Betriebe „im Regen stehen zu lassen,“ obwohl die nichts falsch gemacht hätten.
Dabei ist doch zurzeit Wahlkampf im Land der Pferde und Schweine.

 

Initiative Tierwohl in der Kritik

Mit großem Selbstbewusstsein ging die Initiative Tierwohl (ITW) im letzten Sommer in ihre dritte „Erfolgsphase“. Man sei das größte Tierwohlprogramm in Deutschland und biete den Verbrauchern und Erzeugern eine klare Botschaft für tierwohlgerechtes Fleisch, so das Eigenlob in großen Werbeblättern. Auch die Kritik aus der NGO-Szene, das Tierwohl sei auf niedrigstem Niveau (10% mehr Platz und etwas Beschäftigungsmaterial) und kaum das Papier wert, auf dem es stehe, konnte die ITW-Macher nicht beeindrucken. Um mehr Betriebe einbinden zu können, wurden die Auflagen gesenkt, aber die Menge erhöht. Tatsächlich beteiligten sich nach ITW-Angaben mehr als 9.500 Schweinebetriebe an dem Programm mit einem geschätzten Marktanteil von 34% Schweinefleisch.

Zugleich mit der dritten Phase 2021 bis 2023 wurde die Finanzierungsgrundlage geändert. Während vorher die Kosten der Erzeugungsauflagen berechnet und den teilnehmenden Bauern durch einen Fonds, der vom Handel finanziert wurde, abgegolten wurden, werden nun die zusätzlichen Kosten von 5,28 € pro Mastschwein über den Markt „eingeholt“. Dies sichern die Schlachtunternehmen den Mästern durch einen Vertrag über ein bis drei Jahre zu. Die Schlachthöfe verhandeln dann mit den Abnehmern, dem LEH, über die Aufschläge für dieses Tierwohlfleisch, das in Handelsform 2 eingestuft wird. Alle großen Konzerne des LEH haben sich bei der Teilnahme verpflichtet, ihr Frischfleisch nach den Kriterien der ITW zu kaufen.

Die Entwicklung bis zum Frühjahr lief auch ganz erfolgreich. Die Bauern bekamen ihren vertraglichen Zuschlag und der Handel nahm die üblichen, vereinbarten Mengen ab. Aber mit Beginn der „Inflations- und Energiekrise“ änderte sich das Kaufverhalten. Der Fleischverzehr geht zurück und das etwas teurere Fleisch bleibt im Regal liegen. In der Folge reduzieren Teile des Handels ihren Einkauf insgesamt, wenigstens der Stufe 2 oder kaufen für Aktionsangebote gar im Ausland. Nach Insiderinformationen sind es weniger die großen Discounter als die Vollsortimenter, die von den Vereinbarungen abweichen. Die Schlachtunternehmen bleiben daraufhin auf einem Teil der ITW-Schweine sitzen, die sie zu „normalen“ Preisen verkaufen, müssen aber den Erzeugern den vertraglich zugesicherten Zuschlag auf Notierung bezahlen. Die Differenz beläuft sich je nach Größe des Unternehmens auf einige zehntausend Euros pro Woche. Branchenkenner sprechen von 20% und mehr des ITW-Fleisches, das vom Handel nicht abgerufen wird.

Ein großes Medienecho hat hervorgerufen, dass in der Konsequenz der Entwicklung einzelne Schlachtkonzerne wie Tönnies und andere die im Herbst auslaufenden Verträge nicht verlängern wollen (oder können?). Es geht also nicht um Vertragsbruch, sondern um Nichtverlängerung.

Der Marktbeobachter sieht ein Versäumnis bereits in der Konstruktion der Verträge im Rahmen der ITW. Während die Vereinbarungen der Bauern mit den Schlachthöfen zeitlich und preislich geregelt sind, entscheiden bei der Abnahme des Fleisches die Unbilden des Marktes. Ob es einfach an der Kaufzurückhaltung des Konsumenten liegt oder darüber hinaus sich auch manche LEH-Abnehmer aus ihren Abmachungen stehlen, ist in der Branche strittig. Treffend scheint aber zu sein, dass die ITW zu schwach ist, den Handel konsequent an ihre unterschriebenen Zusagen zu erinnern.    

 

23.08.2022
Von: Hugo Gödde

Auch wenn Bauern und Bäuerinnen ihre Betriebe nach bestem Wissen schützen, wie in einem Faltblatt des Bundeslandwirtschaftsministerium mit dem Titel „Schutz vor Tierseuchen – was Landwirte tun können“ dargestellt, dem dieses Titelbild entnommen ist, kommt es immer mal wieder zu ASP-Ausbrüchen.