Am vergangenen Freitag hat das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) Post aus Brüssel erhalten: den Brief mit Anmerkungen der EU-Kommission zu dem von Deutschland eingereichten GAP-Strategieplan. Auf 50 Seiten fordert die EU-Kommission Deutschland auf, Aspekte zu prüfen, Mängel zu beheben bzw. Präzisierungen vorzunehmen, eine umfassendere und bessere begründete Argumentation oder weitere Informationen zu liefern. Und sie hat „eindeutige Mängel festgestellt“. Bisher liegen nur wenige Reaktionen auf das zwischenzeitlich vom BMEL veröffentliche Papier vor. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir erklärte kurz auf Twitter: „Auch wir sehen bei der GAP 23-Planung, die die Vorgängerregierung entworfen hat, Verbesserungsmöglichkeiten. Werden Anregungen der Kommission sorgfältig mit den Ländern erörtern: Ernährungssicherheit und Zukunft für unsere Betriebe brauchen ambitionierten Klima- und Artenschutz.“ Der NABU sieht sich in seiner Kritik am deutschen Strategieplan durch die EU-Kommission bestätigt.
Vor dem Hintergrund der russischen Invasion in der Ukraine, den Zielen des Übereinkommens von Paris und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ sowie angesichts der Klima- und der Biodiversitätskrise sollten nach Ansicht der EU-Kommission die Mitgliedstaaten ihre GAP-Strategiepläne überprüfen, um alle Möglichkeiten zu nutzen,
- den Agrarsektor der EU krisenfester zu machen;
- die Abhängigkeit von synthetischen Düngemitteln zu verringern und die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen auszuweiten, ohne die Nahrungsmittelerzeugung zu beeinträchtigen;
- die Produktionskapazität auf nachhaltigere Produktionsmethoden umzustellen.
Dies erfordert laut EU-Kommission u. a. die Förderung einer klimaeffizienten Landwirtschaft, die Unterstützung agrarökologischer Verfahren, die Steigerung der nachhaltigen Erzeugung und Nutzung von Biogas, die Verbesserung der Energieeffizienz, einen umfassenderen Einsatz der Präzisionslandwirtschaft, die Förderung der Erzeugung von Eiweißpflanzen sowie die größtmögliche Verbreitung bewährter Verfahren durch Wissenstransfer.
Insbesondere „angesichts der russischen Invasion der Ukraine fordert die Kommission Deutschland nachdrücklich auf, zu prüfen, wie die Interventionen stärker so ausgestaltet werden können, dass die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, mineralischen Düngemitteln und Eiweißpflanzen sowie anderen externen Betriebsmitteln verringert wird, damit die langfristige nachhaltige Produktionskapazität und Tragfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe erhalten bleibt. Auch das Risikomanagement könnte gestärkt werden, um die Resilienz der Landwirtschaft zu gewährleisten“, heißt es in den Anmerkungen.
Unter dem Punkt „Unterstützung und Stärkung von Umweltschutz, einschließlich Biodiversität, und Klimaschutz und des Beitrags zur Erreichung der umwelt- und klimabezogenen Ziele der Union, einschließlich ihrer Verpflichtungen im Rahmen des Übereinkommens von Paris“ heißt es seitens der Kommission: „Der Strategieplan trägt nur teilweise zu diesem allgemeinen Ziel bei.“ Deutschland wird aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die geplante grüne Architektur im Bereich der umwelt- und klimabezogenen Ziele ehrgeiziger ist.
Nachbesserungsbedarf sieht die Kommission auch bei den geplanten Öko-Regelungen. Unter anderem wird unter dem Punkt „Kohärenz der grünen Architektur“ das BMEL ersucht, zu erläutern, warum die Möglichkeit zusätzlicher nationaler GLÖZ (guter landwirtschaftlicher und ökologischer Zustand) nicht in Betracht gezogen wurde.
Unter dem Punkt „Gerechte Verteilung und Ausrichtung der Unterstützung“ (Direktzahlungen) möchte die Kommission wissen, „warum Degressivität und Deckelung nicht Teil der Strategie für eine gerechtere Verteilung sind“. Und zum Punkt „Einkommensgrundstützung für Nachhaltigkeit“ wird Deutschland „ersucht, zu erläutern, warum die Option der gezielten Ausrichtung auf Kleinlandwirte und auf die Regionalisierung nicht erwogen wurde.“
Die Antworten auf die von der Kommission hier nur in wenigen Punkten genannten Fragen respektive Ersuche sowie die jetzt vorzunehmenden Nachbesserungen sind sicherlich nicht nur für die Kommission von Interesse und werden wohl auch das Ergebnis der Gespräche des BMEL mit den Ländern aber auch den landwirtschaftlichen Verbänden und Organisationen sowie den NGOs sein.
NABU: Strategieplan im Sinne des Natur- und Klimaschutzes nachbessern
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger hat bereits eine klare Vorstellung von der Nachbesserung: “Mehr Anstrengungen zur Pestizidreduktion, Rückzugsräume für Insekten und besserer Schutz von Grünland und Mooren, ein höheres Budget für Gemeinwohlleistungen der Landwirtinnen und Landwirte – der Verbesserungsbedarf beim deutschen Strategieplan ist lang. Mit ihrem Brief an die Bundesregierung macht die Europäische Kommission deutlich: Auf diesem Weg wird Deutschland weder nationale noch internationalen Umwelt- und Klimaschutzziele erreichen. Der Arbeitsauftrag könnte nicht klarer sein. Das Bundeslandwirtschaftsministerium kann durch eine Überarbeitung des Plans nicht nur die Versäumnisse der Vorgängerregierung korrigieren, sondern auch einen echten Kurswechsel bei der EU-Agrarförderung im Sinne des Natur- und Klimaschutzes und im Sinne des Berichts der Zukunftskommission Landwirtschaft einzuleiten.”
Der NABU fordert Agrarminister Cem Özdemir dazu auf, das im Koalitionsvertrag angekündigte Konzept für einen Neustart in der EU-Agrarpolitik nicht erst Ende nächsten Jahres vorzulegen, sondern noch 2022. Die aktuelle Lage mache einen klaren und beschleunigten Umwandlungspfad von den pauschalen Flächenprämien zu Zahlungen für konkrete Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte nötig und möglich. Die Diskussionen über die nächste EU-Agrarreform würden in Brüssel vermutlich sehr zeitnah starten, die Bundesregierung müsse hier eine Führungsrolle einnehmen und Vorschläge machen.
Konstantin Kreiser, Teamleiter Landnutzung im NABU. “In den nächsten Jahren drohen knappe Kassen und die verschärften ökologischen Krisen den finanziellen Druck auf die Agrarbetriebe weiter zu erhöhen. Ein schneller Umstieg auf gezielte Investitionshilfen und Honorierung gesellschaftlicher Leistungen ist daher umso dringender. Nur so können Landwirtinnen und Landwirte ihren Betrieb schnell für die Zukunft wappnen – etwa beim Umbau der Tierhaltung, der Umstellung auf Ökolandbau oder dem Aufbau eines “Geschäftsfelds Naturschutz”. Die Flächenprämien können jetzt – auch durch die derzeit wirtschaftlich günstige Lage für viele Betriebe – schneller als geplant auslaufen. Herr Özdemir sollte dies bereits ab 2023 mit stärkerer Mittelumschichtung einleiten als bisher geplant.”