EU-Agrarkommissar unterstreicht Bedeutung der Kleinbauern bei der Eröffnung des ECVC-Büros

Bei der Eröffnung des Büros der Europäischen Koordination Via Campesina (ECVC) am 31. März in Brüssel betonte EU-Kommissar Janusz Wojciechowski "die Rolle, die Kleinbauern bei der Gewährleistung der Ernährungssicherheit in Europa spielen müssen." Für die ECVC, Dachorganisation klein- und mittelbäuerlicher Interessenvertreter:innen und landwirtschaftlicher Arbeitnehmer:innen mit 31 Mitgliedsorganisationen aus 21 europäischen Ländern, war die Eröffnung der neuen Büros in Brüssel ein wichtiger historischer Moment für die Stärkung der europäischen Kleinbauernbewegung und eine Gelegenheit, ihre Positionen zu den Zielen, Instrumenten und der Umsetzung der Ernährungssouveränität, der Farm to Fork-Strategie und anderen wichtigen landwirtschaftlichen Themen auszutauschen, insbesondere auch im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine und die Auswirkungen auf die europäische Ernährungssicherheit und -souveränität.

Während des Treffens mit dem Kommissar unterstrich die ECVC ihre Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, die unter den dramatischen Folgen des Krieges leidet. Insbesondere hob die ECVC die Rolle derjenigen hervor, die in ländlichen Gebieten leben und arbeiten und die oft unsichtbar sind. Die ukrainischen Kleinbauernfamilien leisten Widerstand gegen den Krieg, indem sie Lebensmittel für ihre Landsleute produzieren. Die ECVC setzt sich für die Unterstützung der bäuerlichen und familiären Landwirtschaft in der Ukraine ein, insbesondere um den Wiederaufbau der bäuerlichen und familiären Landwirtschaft in diesem geschundenen Land so schnell wie möglich zu ermöglichen.

Auf globaler Ebene bedeuten laut ECVC das neoliberale System, die Finanzspekulation und die fehlende Ernährungssouveränität, dass die Ernährungssysteme zunehmend von Importen und Exporten abhängig sind. In diesem Zusammenhang verdeutliche der Krieg in der Ukraine die Fragilität unserer Lebensmittelsysteme und destabilisiere das Agrar- und Ernährungssystem weltweit weiter. In Europa steigen die Lebensmittelpreise rapide an, und in einigen Ländern des Nahen Ostens, Afrikas und Südasiens komme es aufgrund der sehr hohen Getreidepreise auf den internationalen Märkten bereits zu Lebensmittelkrisen.

Angesichts dieser Situation bekräftigte die ECVC, dass die Aufgabe der Landwirte darin bestehe, gesunde und leicht zugängliche Lebensmittel für die Menschen zu produzieren. „In dieser Zeit der internationalen Krise müssen sich die Institutionen darauf konzentrieren, Mechanismen und Instrumente einzuführen, die dies im Rahmen der Agrarpolitik gewährleisten, unterstrich bei der Eröffnung ECVC-Vorstandsmitglied Morgan Ody.

"Europa hat die Kleinbauern zu oft im Stich gelassen. Von den 10 Millionen Landwirten in der Europäischen Union sind die allermeisten keine Agrarmanager mit Tausenden von Hektar, sondern Klein- oder Mittelbauern, die eine diversifizierte und regionale Landwirtschaft betreiben. Mehr als 70 % der Landwirte in der EU bewirtschaften weniger als 10 Hektar und haben keinen Zugang zu den GAP-Subventionen, weil sie zu klein sind. Unser Einkommen hängt stattdessen von den Agrarpreisen ab, zu denen wir unsere Produktion verkaufen. Deshalb fordern wir nicht mehr öffentliche Gelder, sondern die Regulierung und den Schutz der Agrarmärkte, um Preise zu erzielen, die die Produktionskosten decken und den Landwirten und landwirtschaftlichen Arbeitnehmern eine würdige Entlohnung sichern", so Ody.

Bei dem Treffen mit dem ECVC unterstrich auch EU-Kommissar Janusz Wojciechowski die Rolle der kleinbäuerlichen Landwirtschaft für die Ernährungssicherheit in Europa. "Es gibt in Europa und in der öffentlichen Meinung den Mythos, dass wir für die Produktivität große industrielle Betriebe brauchen. Das ist absolut nicht wahr, denn die Statistiken zeigen, dass nicht die Großbauern an der Spitze der Produktivität stehen, sondern dass kleine und mittlere Betriebe einen kleinen Prozentsatz der landwirtschaftlichen Fläche nutzen, um den Großteil der landwirtschaftlichen Produktion zu erzeugen", erklärt Wojciechowsk.

Nach Ansicht von Paula Gioia, für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft im ECVC-Vorstand, macht EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski damit deutlich, wie nah er klein- und mittelbäuerlichen Interessen steht. „Diese Chance müssen wir nutzen, denn wir haben schon oft Agrarkommissare erlebt, die im Sinne der Agrarindustrie agieren. ECVC möchte im engen Austausch mit dem Kommissar bleiben und den Richtungswechsel in der europäischen Agrarpolitik zusammen gestalten. Für ECVC ist eine Agrarpolitik wichtig, die Ernährungssouveränität in den Mittelpunkt stellt, die aus den Freihandelsabkommen aussteigt, die faire Preisen für die Landwirt*innen bringt, die bäuerliche Existenz und Praxis ermöglicht und in der nicht mit Lebensmittel spekuliert wird. Das sind wichtige Grundlage für den Frieden auf unserem Planeten“, so Gioia.

 

05.04.2022
Von: FebL/PM

EU-Kommissar Janusz Wojciechowski bei der Eröffnung des Büros der Europäischen Koordination Via Campesina (ECVC) am 31. März in Brüssel. Beim Durchschneiden des Bandes rechts vorne im Bild die AbL-Vertreterin im ECVC-Vorstand Paula Gioia. Fotos: ECVC