ECVC: Die Vision der Europäischen Kommission von Carbon Farming ist unzureichend, um die Ziele des Green Deal zu erreichen

Carbon Farming ist aktuell in aller Munde. Dabei geht es um landwirtschaftliche Maßnahmen, welche Kohlenstoff langfristig in Böden speichern sollen, und so zum Klimaschutz beitragen. Diese Klimaschutzleistungen sollen sich auch finanziell für die Bäuerinnen und Bauern leisten. Dazu soll ein Kohlenstoffmarkt etabliert werden, auf dem die Bäuerinnen und Bauern das von ihnen gespeicherte C in Form von Zertifikaten verkaufen können. Unternehmen können die Zertifkate kaufen, und so ihre eigenen Emissionen kompensieren. In Form von Humuszertifikaten geschieht das auch in Deutschland immer mehr. Auf Grund des steigenden Interesses aus dem Privatsektor, will die EU-Kommission einen Rechtsrahmen für die Zertifikate etablieren. Anfang Dezember veröffentlichte sie eine Mitteilung (Communication on Sustainable Carbon Cycles, SCC) darüber, wie sie sich den Kohlenstoffmarkt vorstellt. Am 7. und 8. Februar 2022 stand das Thema Carbon Farming auch ganz oben auf der Agenda des informellen Treffens der europäischen Agrarminister:innen unter französischer Ratspräsidentschaft in Strasburg. Anlässlich dieses Treffens lud die European Coordination of La Via Campesina (ECVC), die europäische Dachorganisation der bäuerlichen Verbände, zu einer online Pressekonferenz ein. In einer ECVC-Mitteilung heißt es dazu: „ECVC besteht darauf, dass die in der Mitteilung der EU über nachhaltige Kohlenstoffkreisläufe (Sustainable Carbon Cycles, SCC) aufgezeigte Richtung fehlgeleitet und unzureichend ist, um die Ziele des Green Deal erfolgreich zu erreichen. Im Rahmen des informellen Treffens des Agrarminister:innen-Rates am 7. und 8. Februar in Straßburg fordert der ECVC die EU-Institutionen erneut auf, die Logik hinter der Carbon Farming-Initiative zu überdenken und einen kohärenten Übergang zur Agrarökologie auf der Grundlage kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe sicherzustellen. Auf der Pressekonferenz von ECVC am 7. Februar sprachen Bäuerinnen und Bauern aus Frankreich, Spanien, Rumänien und Deutschland und drückten ihre Bedenken bezüglich der SCC-Mitteilung äußerten. ECVC ist besonders besorgt über den vorgeschlagenen Zertifizierungsmechanismus, der bereits von der wissenschaftlichen Gemeinschaft angefochten wird, sowie über den derzeitigen Fokus auf Kohlenstoffgutschriften und den Kohlenstoffmarkt. Carbon Farming, wie es in der Mitteilung dargestellt wird, basiert auf isolierten und nicht integrierten agrarökologischen Praktiken oder unbewiesenen Scheinlösungen, die auf Technologie und Genom-Editierung basieren. Der von den Institutionen vorgeschlagene Ansatz ist bestenfalls naiv und schlimmstenfalls das Ergebnis der Macht und des Einflusses privater Akteure und ihres Wunsches, die Verschmutzung fortzusetzen und die Landwirte zur Kompensation ihrer Emissionen zu benutzen. Die EU gibt 30 % ihres Haushalts für die GAP aus, um sicherzustellen, dass die Landwirte in der Lage sind, die europäische Bevölkerung zu ernähren. In der SCC-Mitteilung heißt es jedoch, dass die GAP langfristig keine nachhaltigere Landwirtschaft unterstützen kann. Daher besteht die Lösung der Europäischen Kommission darin, sich an private Investoren zu wenden, um Umweltmaßnahmen und Ökosystemleistungen zu finanzieren, anstatt daran zu arbeiten, das nicht nachhaltige System in seinem Kern zu ändern. Damit wird jedoch noch mehr Macht in die Hände von Großunternehmen gelegt, die immer wieder bewiesen haben, dass sie mehr an der Steigerung ihrer Gewinne als am Wohlergehen der Bürger interessiert sind. Dies wird weitere unerwartete Folgen für den Klimawandel und die biologische Vielfalt haben, den Landwirten den Zugang zu Land erschweren und den ländlichen Gemeinden mehr sozialen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schaden zufügen. Diese Subventionen für kohlenstoffbasierte Praktiken stellen kein stabiles Einkommen für die Landwirte dar, insbesondere wenn sie aus dem Privatsektor stammen. Im Gegenteil, sie machen es den Landwirten noch schwerer, Preise zu erzielen, die die Produktionskosten decken. Letztlich führt dies zu mehr Korruption und Machtkonzentration, die die Ursache vieler Klima- und Agrarprobleme sind. Stattdessen müssen wir einen Übergang zu besseren Praktiken für das Klima sicherstellen und den Übergang zu agrarökologischen Systemen vollziehen, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit und lokale, gesunde Lebensmittel für die Gesellschaft garantieren. Dies setzt voraus, dass den Landwirten faire Preise garantiert werden, und muss durch eine stärkere wirtschaftliche Unterstützung in der öffentlichen Politik, ehrgeizige nationale Strategiepläne, Marktregulierung und eine Abkehr von einer Handelspolitik erreicht werden, die Landwirten und Bürgern sowohl in der EU als auch im Rest der Welt schadet. ECVC setzt sich für die Bekämpfung des Klimawandels ein und unterstützt die Ziele des Green Deal voll und ganz. Dennoch ist er der Ansicht, dass die Unterstützung und Einbeziehung von Kleinbauern ein entscheidender Faktor in diesem Kampf sein wird und fordert die EU-Institutionen auf, dasselbe Engagement zu zeigen, indem sie echte Änderungen in der öffentlichen Politik vornehmen.“
08.02.2022
Von: xb

Die EU-Kommission setzt nach Ansicht des ECVC beim Carbon Farming auf Scheinlösungen, die auf Technologie und Genom-Editierung basieren. Bildquelle: EU-Parlament