In einem Brief an EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski hat Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir auf die Anmerkungen der Kommission zum deutschen Strategieplan für die Umsetzung der EU-Agrarreform reagiert. Mit Blick auf das Schreiben mahnen in ersten Stellungnahmen die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, BUND und NABU übereinstimmend insbesondere eine Anhebung der Prämienhöhen bei den Öko-Regelungen an.
In dem Brief an den EU-Agrarkommissar, den das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) auf seiner Homepage veröffentlicht hat, schreibt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir: „Insgesamt sehen wir uns durch die Anmerkungen der Europäischen Kommission bestärkt, mit dem deutschen GAP-Strategieplan weitere Schritte auf dem in Deutschland eingeschlagenen Weg einer Transformation hin zu einem nachhaltigen und resilienten Agrar- und Ernährungssystem und zur Schaffung attraktiver ländlicher Räume zu gehen.“
Der völkerrechtswidrige russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der gravierende Anstieg der Preise für Rohstoffe und Erzeugnisse stelle eine einschneidende Herausforderung auch für die Gemeinsame Agrarpolitik dar. Wichtig sei aus deutscher Sicht die Versorgungssicherheit, die Einkommenssituation der landwirtschaftlichen Betriebe, den Umwelt- und Klimaschutz sowie den Erhalt der Biodiversität zusammen zu denken und nicht eine Krise lösen zu wollen, indem eine andere Krise verschärft werde. „Vielmehr fordert uns diese schwierige Krisensituation dazu auf, den für die Landwirtschaft erforderlichen Transformationsprozess hin zu mehr Umwelt- und Klimaschutz, Biodiversität und Nachhaltigkeit noch zu beschleunigen“, so Özdemir. Es verstehe sich von selbst, dass bei begrenzten finanziellen Ressourcen nicht alle Herausforderungen im Bereich Landwirtschaft, Natur-, Umwelt- und Klimaschutz sowie ländliche Räume ausschließlich durch den deutschen GAP-Strategieplan bewältigt werden könnten, weshalb an dieser Stelle, wie auch an anderen in dem Brief, darauf verwiesen wird, dass „auch bundes- und länderspezifische Förderprogramme sowie nationales Ordnungsrecht sowie in Teilbereichen auch andere EU-Programme“ zu den spezifischen Zielen beitrügen.
„Die Einzelanmerkungen der Kommission zur inhaltlichen Ausgestaltung der Öko-Regelungen und der Standards für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands von Flächen (GLÖZ) werden wir im weiteren Verfahren prüfen und ggf. notwendige Änderungen vornehmen...Dabei ist zu berücksichtigen, dass neben den Instrumenten des GAP-Strategieplans weitere wichtige nationale bzw. regionale Instrumente zur Verfügung stehen, die denselben Zielen Rechnung tragen“, heißt es in dem Brief. Und abschließend: Wir werden weiterhin intensiv daran arbeiten, die Genehmigung im Herbst 2022 zu erreichen. Denn die Landwirtinnen und Landwirte brauchen so früh wie möglich Planungssicherheit für ihre Entscheidungen.“
AbL: GAP-Strategieplan anpassen, Prämien der Öko-Regelungen anheben
Die AbL unterstützt die Aussagen von Minister Özdemir, dass die Transformation der Landwirtschaft im Sinne des Green-Deals, der Farm to Fork- und der EU-Biodiversitätsstratgie vorangetrieben werden muss. Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) ist hierfür das zentrale politische Instrument. Die AbL weist gleichwohl auch darauf hin, dass die EU-Strategien explizit darauf abzielen, Bäuerinnen und Bauern, „die den Übergang zu nachhaltigen Verfahren bereits vollzogen haben, zu entlohnen, den anderen den Übergang zu ermöglichen sowie zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen“.
Für die kommende Anpassung des deutschen GAP-Strategieplans bedeutet dies in den Augen des niedersächsischen Landwirtes und AbL-Bundesvorsitzenden Martin Schulz: „Die Prämienhöhen der Öko-Regelungen müssen im Zuge der Anpassung des Strategieplans deutlich angehoben werden. Die aktuelle Marktlage wird ansonsten dazu führen, dass die Öko-Regelungen von den Betrieben nicht angenommen werden, da sich ihre sowieso schon geringe wirtschaftliche Relevanz in den letzten Monaten nochmals dramatisch verringert hat. Hinzu kommt, dass man in der Praxis nur schwer erklären kann, warum man z.B. für die Öko-Regelungen zur weiten Fruchtfolge in der 2. Säule bislang rund doppelt so viel an Prämie für dieselbe Maßnahme erhalten hat, wie jetzt in den Öko-Regelungen“.
Bezüglich der mittelfristigen Weiterentwicklung der GAP verweist die AbL auf die gegebene Möglichkeit der Ausgestaltung der Öko-Regelungen mit ökonomischer Anreizwirkung statt reiner Kompensationszahlung sowie die vorliegenden Honorierungssysteme, wie das AbL-Bonussystem und die Gemeinwohlprämie des Deutschen Verbands für Landschaftspflege (DVL).
BUND: GAP-Strategieplan nachbessern – Öko-Regelungen besser ausstatten
Eine Überarbeitung des nationalen Strategieplnes fordert der BUND. Dessen Vorsitzender Olaf Bandt kommentiert: "Der Strategieplan zur Umsetzung der EU-Agrarpolitik in Deutschland hat offenkundige Schwächen. Das hat die EU-Kommission dem Bundeslandwirtschaftsministerium in ihrem blauen Brief vor drei Wochen deutlich gemacht. Gerade im Umwelt- und Klimaschutz sowie beim Ökolandbau fordert die EU-Kommission Nachbesserungen. Auch der fehlende Schutz der Moore wird von ihr scharf kritisiert.“
Der BUND fordert die Bundesregierung daher auf, den GAP-Strategieplan zu überarbeiten. „Gerade die neuen Öko-Regelungen sind so zu gestalten, dass sich viele Betriebe beteiligen werden. Ihr Einsatz für eine klimafreundliche und umweltschonende Landwirtschaft muss belohnt werden. Doch die geplanten Prämienhöhen sind leider zu niedrig. Sie sollten vom Thünen-Institut angesichts der aktuellen Marktlage neu berechnet werden. Darüber hinaus ist den Hinweisen der EU-Kommission, wie die von allen Betrieben einzuhaltenden Grundanforderungen nachzubessern sind, schnellstmöglich zu folgen“, so Bandt.
Dabei müsse nicht alles noch in diesem Jahr passieren. „Der Strategieplan kann jährlich angepasst und nachgebessert werden. Die Bundesregierung sollte das nutzen, um ein mögliches Ende der Basisprämie im Jahr 2028 schrittweise einleiten. Dafür ist das Budget der Öko-Regelungen kontinuierlich zu erhöhen, erklärt der BUND-Vorsitzende abschließend.
NABU: Systemwandel nicht aufschieben, Nationalen Strategieplan nachbessern - auch unter Zeitdruck
Der Brief der Kommission kritisierte nach Ansicht des NABU den von Deutschland eingereichten Nationalen Strategieplan (NSP) der Gemeinsamen Agrarpolitik massiv und forderte Nachbesserungen im Sinne des Klima- und Naturschutzes. Im Antwortschreiben des BMEL werde ersichtlich, dass Deutschland die Kritik zwar annimmt. Gleichzeitig werde jedoch auch auf den hohen Zeitdruck verwiesen. Der Plan soll bis Herbst genehmigt sein, um der Landwirtschaft diese wichtige Planungsgrundlage rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.
Dazu erklärt NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: “Die von der Kommission geforderten Nachbesserungen und Anpassungen sind trotz des Zeitdrucks jetzt richtig und wichtig. Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass das System der Gemeinsamen Agrarpolitik grundlegend verändert werden muss. Seit Jahrzehnten wird eine natur- und umweltschädliche Form der Landwirtschaft mit hohen Steuergeldern subventioniert. Die pauschalen Flächenprämien müssen abgeschafft und in ein System einer fairen, gemeinwohlorientierten Honorierung von Landwirtinnen und Landwirten für öffentliche Leistungen umgewandelt werden – damit unsere natürlichen Lebensgrundlagen auch für die Zukunft erhalten bleiben. Es gilt, landwirtschaftliche Betriebe dabei zu unterstützen werden, ihre Betriebe fit für die Zukunft zu machen.“
Dazu braucht es nach Ansicht des NABU neben ökologisch wirksamen Maßnahmen auch eine ausreichende Finanzierung. Die EU-Kommission zweifelt in ihren Anmerkungen zum deutschen Strategieplan an, dass ausreichend finanzielle Mittel für Umwelt-, Natur- und Klimaschutzbelange zur Verfügung gestellt werden.
NABU-Agrarexpertin Laura Henningson: “Im Bereich Finanzierung sollten vor allem die Ökoregelungen besser ausgestattet werden, um dieses neue Instrument der grünen Architektur der GAP auch ein Erfolg werden zu lassen. Neben der Neuberechnung der Prämien - angepasst an die neue Marktlage - muss das Budget der Ökoregelungen insgesamt auf mindestens 25 Prozent vergrößert werden.”
Ein zentraler Kritikpunkt aus Brüssel war das nicht Vorhandensein der EU-Green-Deal-Ziele im NSP. Laut BMEL wird, so der NABU, diese Kritik ernst genommen und es soll geprüft werden, ob die Ziele nicht noch quantifizierbar seien. „Für den Erhalt der Artenvielfalt werden mindestens zehn Prozent Flächen wie Brachen und Hecken benötigt, die als Lebens-, Nahrungs- und Rückzugsraum für Insekten und Vögel zur Verfügung stehen. Diese zehn Prozent müssen im NSP verankert werden. Um auch noch Klima, Wasser und den Boden zu schützen, müssen im Bereich Pestizide und Düngemittel ebenfalls ehrgeizige Reduktionsziele die Transformation der Landwirtschaft stützen“, heißt es beim NABU.