Die schädlichen Auswirkungen von Pestiziden sind vielfältig: Verlust von Biodiversität, Beeinträchtigung der Bestäubungsleistung, Belastung von Wasser und Luft, Schädigung der Bodenfruchtbarkeit, Gefahren für die menschliche Gesundheit. Hinzu kommen die ökonomischen Einbußen in der ökologischen Landwirtschaft durch Pestizidverunreinigungen, die durch Abdrift und Ferntransport entstehen. Im globalen Süden hat der Einsatz von Pestiziden besonders drastische Konsequenzen für Umwelt und Landarbeiter*innen. Trotz all dieser Schädigungen steigt der Pestizideinsatz weltweit an.
Menge und Risiken von Pestiziden deutlich zu hoch
Seit 1990 hat sich der Einsatz von Pestiziden weltweit verdoppelt. Mehr als vier Millionen Tonnen jährlich werden in der Umwelt ausgebracht. Pestizide sind ein lukratives Geschäft: Geschätzt wird weltweit ein Umsatz von etwa 48 Milliarden Euro. Das Geschäft teilen sich wenige Konzerne, darunter Bayer, BASF und Syngenta. Was Brüssel verbietet, kommt anderswo zum Einsatz. Die EU-Staaten haben 2018 den Export von 81.615 Tonnen Pestiziden bewilligt, die in Europa keine Zulassung haben. Allein deutsche Pestizidhersteller haben 2018 über 10.000 Tonnen hochgefährliche Pestizide exportiert. Nichtregierungsorganisationen in ganz Europa setzen sich schon lange für ein Verbot dieser Exporte ein.
Die Gesamtmenge an Herbiziden, Insektiziden und Fungiziden, die in Deutschland verkauft wird, bleibt seit Jahren annähernd konstant, wenngleich Pestizide immer intensiver wirken. Seit den 1990er-Jahren liegt der Inlandsabsatz in Deutschland bei circa 30.000 Tonnen reinem Wirkstoff.
Die Pläne der ehemaligen Bundesregierung, das Risiko von Pestiziden für die Biodiversität zu senken, waren wenig erfolgreich. Bereits 2007 wurde in Deutschland mit der Biodiversitätsstrategie das Ziel gesetzt, bis 2015 den Eintrag von Pestiziden in Böden und Gewässer zu reduzieren. Gelungen ist dies nicht. Auch der „Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP) – ein Prozess auf Grundlage der EU-Pestizidrahmen-Richtlinie – verlief ohne konkrete Ziele und rechtlichen Rahmen. Die zivilgesellschaftlichen Akteure sind deshalb längst ausgestiegen.
Auf den Verlust der Biodiversität und das damit einhergehende Insektensterben reagierte die Politik bisher zu zögerlich. Im Sommer 2021 wurde zwar im Rahmen des Insektenschutzpaketes das Bundesnaturschutzgesetz novelliert. Das Gesetz soll in Zukunft den Einsatz von Herbiziden und bienengefährlichen Insektiziden in bestimmten Schutzgebieten verbieten. Doch der Beitrag zur Reduktion ist gering, denn es betrifft nur einen geringen Anteil der landwirtschaftlichen Flächen. Diese Änderungen sind lediglich ein kleiner Schritt in Richtung Pestizidreduktion. Um den Verlust an Biodiversität aufzuhalten, wird er nicht ausreichen. Dazu müsste auf deutlich mehr Flächen der Pestizideinsatz beendet werden.
Ambitioniertes Pestizidreduktionsprogramm gefordert
Um das Artensterben zu stoppen und die sozial-ökologische Transformation in der Landwirtschaft voranzubringen, braucht es ambitionierte Ziele für die Pestizidreduktion und konkrete, geeignete Maßnahmen dafür sowie einen straffen Zeitplan. Mit der Biodiversitätsstrategie und der Farm-to-Fork-Strategie formuliert die EU-Kommission klare Ziele, zu denen sich auch die Bundesregierung bekennen sollte: Die Menge der eingesetzten Pestizide und die Nutzung von besonders toxischen Pestiziden müssen bis 2030 halbiert werden.
Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern ein Verbot der besonders gefährlichen Pestizide und langfristig einen Ausstieg aus der Nutzung chemisch-synthetischer Pestizide. Schon jetzt könnte ein Teil der eigesetzten Pestizide ohne nennenswerte Ertragseinbußen reduziert werden, wie beispielsweise eine Studie aus Frankreich zeigt. Finanzielle Anreize und unabhängige landwirtschaftliche Beratung sind wesentliche Bedingungen dafür. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sind das Bekenntnis zur Pestizidreduktion und einige Ansätze zur Umsetzung zu lesen. Jetzt müssen konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Zentrale Instrumente zur erfolgreichen Pestizidreduktion aus Sicht des BUND sind zum Beispiel:
1. Senkung des Verbrauchs und der Toxizität durch eine Pestizidabgabe
Mit einer Pestizidabgabe würden finanzielle Anreize für die Minimierung geschaffen. Die Abgabe orientiert sich an den Risiken der Pestizide: je toxischer, desto höher. Auswertungen aus Dänemark zeigen, dass durch eine solche Abgabe der Pestizideinsatz deutlich gesenkt wird. In dieser Form implementiert, verringert die Pestizidabgabe nicht nur die Gesamtmenge an Pestiziden, sondern auch die Risiken für die Biodiversität. Bei einer Abgabe im Gegensatz zu einer Steuer könnten die Einnahmen auf die landwirtschaftlichen Betriebe umgelegt werden, um den Mehraufwand zu entlohnen.
2. Verbot einzelner Stoffgruppen
Neben einer Pestizidabgabe müssen auch komplette Verbote für besonders schädliche Pestizide wie z. B. Stoffe aus der Gruppe der bienenschädlichen Neonikotinoide oder andere Breitbandinsektizide oder Totalherbizide durchgesetzt werden. Ein erster Schritt ist getan: Die neue Ampelregierung hat sich im Koalitionsvertrag bereits gegen die Wiederzulassung von Glyphosat ausgesprochen. Im Dezember 2022 werden die europäischen Agrarminister*innen über die Zulassung abstimmen.
3. Neuausrichtung der Öko-Regelungen im Rahmen der GAP
Auch die Neuausrichtung der Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) sollte zur Pestizidreduktion genutzt werden. Mit den Öko-Regelungen (Eco-Schemes) sollen umweltverträgliche Maßnahmen in die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen integriert werden. Eine davon ist der Verzicht auf Pestizide. Eine andere ist die mindestens viergliedrige Fruchtfolge, mit der sich Pestizide einsparen lassen würden, weil Schädlinge und Beikräuter sich weniger ausbreiten würden. Zur Umsetzung dieser Maßnahmen müssen den Landwirt*innen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.
4. Förderung des Ökolandbaus
Ein weiterer wichtiger Hebel zur Reduktion liegt in der Förderung des Ökolandbaus. Die neue Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, den ökologischen Landbau bis 2030 auf 30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche auszudehnen. Während Verbraucher*innen immer mehr zu Bioprodukten greifen, hinkt die Produktion in Deutschland hinterher. So kamen 2017/18 schätzungsweise 20 Prozent des Biogetreides, 36 Prozent der Biotrinkmilch und 28 Prozent des Bioschweinefleisches aus dem Ausland.
Mit diesen und weiteren Instrumenten könnte es der Bundesregierung gelingen, eine Umkehr beim Pestizideinsatz in der Landwirtschaft einzuleiten. Gute Ansätze sind im Koalitionsvertrag verankert, jetzt müssen diese Absichten auch umgesetzt werden. Zugleich müssen die Maßnahmen eingebettet sein in eine Gesamtstrategie zur Transformation der Landwirtschaft zu agrarökologischen Landnutzungsformen. Nur so können langfristig Höfe, Biodiversität und Klima geschützt werden.