BayWa: Schlimmer geht immer

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Die schwer angeschlagene Baywa AG meldet für die ersten neun Monate des Jahres einen Nettoverlust von 641 Mio. €. Die Aktien verloren seit Jahresbeginn 72% an Wert und fielen auf den tiefsten Stand seit 2003. Der Aktienwert rauschte von 40 auf 8 € hinab. An der Börse ist der Konzern gerade mal noch 300 Mio. € wert – die Hälfte des Jahresverlustes. Laut der Geschäftszahlen, die die BayWa AG in der letzten Woche bekannt gab, lag das Konzernergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) nach Berücksichtigung der Wertminderungen Ende September bei minus 299,8 Mio. € - und die hohen Zinsen belasten noch zusätzlich.

Bei Erneuerbaren Energien verzockt

Ursächlich für den operativen Ergebniseinbruch waren vor allem riskante und kreditgesteuerte Investitionen im Segment Regenerative Energien. Bei einem Umsatz von 2,9 Mrd. € (Vorjahr: 4,3 Mrd. €) rutschte das EBIT im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf minus 164,8 Mio. €. Nach Berücksichtigung der Wertminderungen lag das Ergebnis im Segment bei minus 336,3 Mio. €.

Als Grund nannte das Unternehmen den Preisverfall bei Solarmodulen, der zu hohen Abschreibungen bei den Vorräten und Preisabschlägen im Abverkauf führte. Die Verkäufe im Projektgeschäft zogen zwar an, blieben jedoch hinter den Erwartungen zurück. Kritiker erneuerten den Vorwurf, dass man zu sorglos und ohne Absicherung der Risiken in den Markt eingestiegen sei. Man habe das große Geld machen wollen und sich dabei völlig übernommen. Dennoch ist die Konzernführung überzeugt, dass „das Sorgenkind“ eine gute Wettbewerbsposition habe – so erste Erkenntnisse eines Sanierungsgutachtens, das nach wiederholter Verzögerung nun im Dezember veröffentlicht werden soll und auf das alle Hoffnungen gerichtet sind, die Insolvenz abzuwenden. Der Konzernteil Baywa r.e. ist die größte Sparte mit einem Umsatz von 6 Mrd.€ im Vorjahr.

Aber auch in fast allen anderen Unternehmensteilen wirken sich die schwierigen Marktbedingungen aus. Das Segment Bau schreibt rot. Die Bereiche Agrar, Technik und Energieverkauf blieben zwar hinter den Erwartungen zurück, sind aber nicht desaströs. Entscheiden werden die hohen Schulden und die Probleme bei den regenerativen Energien, wie es weitergeht.

Gesetzesverstöße? – BaFin schaltet sich ein

Die existenzielle Krise ist nicht überraschend nun auch ein Fall für die Finanzaufseher. Schließlich fragt sich alle Welt, wie es in kurzer Zeit zu diesem tiefen Sturz eines einst erfolgsverwöhnten Konzerns kommen konnte. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat eine Prüfung des Konzernabschlusses 2023 angeordnet, weil ihr „konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Baywa AG gegen Rechnungslegungsvorschriften verstoßen hat“. Die Darstellung der Finanzlage und der Risiken aus der Finanzierung des Konzerns seien möglicherweise (bewusst?) fehlerhaft. Die Finanzlage und die Risiken der Finanzierung müssten eingehend dargestellt werden einschließlich des Liquiditätsrisikos für pünktliche Zahlungsverpflichtungen. Darauf haben in den letzten Monaten auch schon renommierte Ökonomen hingewiesen und ihr Unverständnis über die Unternehmensführung und die Kontrolle durch den Aufsichtsrat ausgedrückt.

Gehen oder gegangen werden – das Personalkarussell dreht sich

Wie immer in solchen turbulenten Zeiten, in der natürlich nach Schuldigen gesucht wird, dreht sich das Personalkarussell schneller. Nach dem Abgang des „Sonnenkönigs“ Lutz, unter dem der Mischkonzern in diese katastrophale Lage manövriert wurde, erst als Vorstandschef, dann als Aufsichtsratschef und den Trennungen vom „neuen“ Vorstandsvorsitzenden Pöllinger und Finanzvorstand Andreas Helber wurde der Manager des Beratungsunternehmens AlixPartners, Michael Baur als neuer Retter inthronisiert, der für ein hohes Honorar das Sanierungsgutachten verantwortet und die Finanzierung organisieren soll. Bereits knapp eine Milliarde haben die Eigentümerbanken und andere kurzfristig zur Verfügung gestellt, um die Liquidität zu erhalten und sich Zeit zu kaufen. Nun hat auch noch Wolfgang Altmüller, einer von zwei stellvertretenden Aufsichtsratschefs und Vertreter des größten BayWa-Aktionärs im Aufsichtsrat, seinen Rücktritt erklärt. Altmüller ist Aufsichtsratschef des größten Baywa-Aktionärs, der Bayerischen Raiffeisen-Beteiligungs-AG (BRB, 34% Anteil) und im Hauptberuf Vorstandschef der Rosenheimer „meine Volksbank Raiffeisenbank eG“, einer der größten bayerischen Genossenschaftsbanken. Altmüller gehörte dem Aufsichtsrat seit zehn Jahren an und war noch bis 2028 gewählt.

Der Marktbeobachter ist sich inzwischen nicht mehr sicher, ob die BayWa trotz aller Unterstützung durch Genossenschaftsbanken „noch die Kurve bekommt“. Auch eine drohende Pleite oder eine drastische Rückführung von Geschäftsaktivitäten ist nicht ausgeschlossen. So oder so wird eine Sanierung Jahre dauern, viele Arbeitsplätze kosten und die Struktur im ländlichen Raum weiter ausdünnen. Auch die Kleinanleger, die in den letzten Jahren in Wind- und Solarparks investiert haben, machen sich weiterhin Sorgen um ihre Einlagen. „Hochmut kommt vor dem Fall“ sagt eine alte Volksweisheit. Aber ob man die Verantwortlichen „drankriegt“, die bisher kein Unrechtsbewusstsein zeigen, erscheint nicht sehr wahrscheinlich. Im Sinne der Betroffenen und der Struktur des Agrarhandels bleibt trotzdem zu hoffen, dass die Sanierung gelingt und die „kleinen Leute“ nicht die Rechnung zahlen.