Verzockt – BayWa mit Milliardenschulden ein Sanierungsfall

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Die Krise des größten deutschen Agrar- und Baustoffhändlers BayWA AG, München (24.000 Mitarbeiter) hat sich in den letzten Wochen dramatisch verschärft. Mit dem Auftrag eines Sanierungsgutachten soll die sehr angespannte Finanzlage überprüft werden, wie der Vorstand am 12. Juli bekannt gab. Der hochverschuldete Konzern steht unter dem Druck der Banken und Kapitalgeber, die einen schlüssigen Sanierungsplan verlangen. Nur mit einem positiven Gutachten könnte die BayWa eine Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit abwenden und belegen, dass der Konzern überhaupt sanierungsfähig ist. Die Aktiengesellschaft gehört (Stand 2022) zu 34% der Bayerischen Raiffeisen-Beteiligungs-Aktiengesellschaft (zu Volks- und Raiffeisenbanken Bayerns), zu 27,5% der Raiffeisen Agrar Invest AG und befindet sich zu 38% im Streubesitz, an dem auch Landwirte beteiligt sind. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz fürchtet um die Kleinanleger aus der Landwirtschaft. „Nicht selten ist die BayWa–Aktie ein wichtiger Teil der Altersvorsorge“ und bietet Beratungshilfe an.

Sehr hoher Verschuldungsgrad

Die riesige Fremdkapitalbelastung, die man zu Zeiten niedriger Zinsen forciert hatte, erweist sich nun als Pferdefuß. 86% des Gesamtkapitals der BayWa von 12,5 Mrd. € sind Fremdkapital. Die Eigenkapitalquote liegt bei 13,7%. Fast 11 Mrd. € stehen auf der Seite der Verbindlichkeiten, die für den rasanten globalen Expansions- und Übernahmekurs des langjährigen Vorstandsvorsitzenden Klaus Lutz (2008-2023) aufgehäuft wurden. Besonders in den Segmenten Wärmeenergie, Erneuerbare und Bau wurde das Wachstum in den Zeiten der niedrigen oder Nullzinsen mit Schulden finanziert. Mit dem Anstieg der Zinsen drücken nun die Belastungen gewaltig. Das rief die Geldgeber auf den Plan. „Die steigenden Zinsen haben das Unternehmen auf dem falschen Fuß erwischt,“ berichten Börsenkenner laut AGRA Europe. Die Unternehmensführung bleibt optimistisch und kündigt „Restrukturierungen“ an. Man verfolge weiterhin seinen „Konsolidierungskurs“. Mit diesem Zauberwort wird wohl der Verkauf von Unternehmensteilen zur Bilanzaufbesserung umschrieben. Das Geschäft mit Digitalanwendungen in der Landwirtschaft wurde bereits letztes Jahr aufgegeben und an den Landmaschinenhersteller AGCO verkauft, nachdem man 10,8 Mio. € Verluste gemacht hatte - bei einem Umsatz von 10,4 Mio.€(!). „Portfolio-Optimierungen“ nennt man das im Management-Jargon. Besonders betroffen ist der Bereich der Solarenergie, wo man sich ganz offensichtlich verzockt hat.

Kurssturz setzt sich fort

Die Börse reagierte sofort. Der Aktienkurs stürzte am Freitag um 21% auf 17,4 € ab und ging auch Anfang der Woche weiter zurück. Damit hat sich der Wert der BayWa-Aktie seit Jahresbeginn fast halbiert. Marktexperten rechnen damit, dass allein die Einleitung einer Sanierungsbegutachtung teuer wird. Verkaufsverhandlungen wie für die verlustreiche Energiefirma Solar Trade werden schwieriger, Zulieferer bestehen auf Vorkasse und die Kreditkonditionen werden steigen. Der Aktienkurs hänge weniger vom operativen Geschäft als vom Sanierungsprozess ab und der Wert der Aktie beeindrucke die Kreditgeber.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht eine Mitschuld beim „Kartenhaus BayWa“ in der Führungsspitze. Der einst gefeierte Vorstandsvorsitzende Lutz habe den Konzern „aufgepumpt“ und die Expansion kreditfinanziert. Nach einem Führungsstreit hat dann Anfang 2024 sein langjähriger Weggefährte und Ziehbruder Marcus Pöllinger übernommen, der den Kurs mitgetragen hat. Der Aufsichtsrat, dem auch Bauernpräsident Rukwied und die CSU-Europaabgeordnete und Strauß-Tochter Monika Hohlmeier angehören, haben „dem Treiben tatenlos zugesehen“, so die FAZ. Aber Pöllinger habe jetzt zu liefern, sonst sei er ein Vorstand auf Zeit, wie es im BayWa-Umfeld heißt.

Analysten sehen jetzt die Gläubigerbanken am Zug. Der Auftrag an einen Gutachter (Roland Berger?) gleiche dem Eingeständnis, so die Börsenzeitung, dass der Vorstand mit seinem Latein am Ende sei. Als Gläubiger gelten laut Süddeutscher Zeitung die genossenschaftliche DZ Bank, die Landesbank Baden-Württemberg und die Unicredit, die einen 2 Mrd. € Kredit hält, der im September 2025 fällig wird.

Vom Erfolg zum Sanierungsfall

Noch im Geschäftsbericht 2022 veröffentlichte das Unternehmen in einer „goldgeränderten Bilanz“ (FAZ) Bestmarken bei Umsatz und Ergebnis. Der Umsatz wuchs auf 27,1 Mrd. € nach 19,8 Mrd. im Vorjahr und das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) verdoppelte der Konzern aus dem SDAX auf über 500 Mio. €.

2023 war dann das erste Verlustjahr. Bei einem Umsatz von 23,9 Mrd. € wurde ein Jahresfehlbetrag von 93,4 Mio. € erwirtschaftet. Allein 340 Mio. € Minus wurden mit erhöhten Zinsen erklärt. Das sei vor allem auf die Strategie von Lutz zurückzuführen, das Agrarhandelsunternehmen zu einem Mischkonzern auszubauen, schreibt das Handelsblatt. „Der Manager expandierte auf Kredit quasi rund um den Globus und baute vor allem das Geschäft mit erneuerbaren Energien als zweites Standbein des Konzerns auf.“ Aber die Preise für Solarmodule fielen um die Hälfte. Auch im Agrarhandel war man weltweit tätig. Die Bayern wurden Mehrheitseigner des großen Apfelanbauers Turners and Growers aus Neuseeland, der weltweit Plantagen betreibt und den der Klimawandel inzwischen übel mitgespielt hat. Eine Übernahme, die wohl der Sanierung zum Opfer fällt.

Auch 2024 rote Zahlen

Im ersten Quartal 2024 ging der Umsatz weiter zurück und der Nettoverlust stieg an. Nun ziehen die Banken die Bremse. Deutschlands größtes Agrarhandelsunternehmen („Grüne AG“) verdiente seit Jahrzehnten sein Geld hauptsächlich mit der Belieferung der Bauern mit Saatgut, Dünger und Landmaschinen. Mittlerweile betreibt sie Baumaßnahmen und Projektierung von Ökostromkraftwerken als großes Geschäftsfeld. Mit dem Zuschlag für das Deutschlandnetz in Bayern will man in das Geschäft mit E-Ladestationen einsteigen. Doch vieles läuft derzeit schwach. Der Umsatz brach im ersten Quartal 2024 um ca. 40% ein und ließ ein Minus von 65 Mio. € zurück. Verantwortlich sei u.a. eine schlechte Nachfrage (?) und ein Preisverfall bei Solarmodulen, wo man sich mit hohen Lagerkapazitäten verspekulierte. Im Agrargeschäft wurden noch schwarze Zahlen geschrieben.

Im Juni hatte Pöllinger auf der Hauptversammlung noch seine Strategie 2030 vorgestellt unter dem Motto: investieren, optimieren und verkaufen. Als Wachstumsfelder hatte er den internationalen Getreidehandel und die erneuerbaren Energien ausgemacht.

Inzwischen fragen sich Marktbeobachter, ob er überhaupt noch das Heft des Handelns in der Hand hat oder nicht längst die Kreditgeber und Börsenhändler übernommen haben und den Ton angeben.