BayWa: Sanierungsplan zum Schuldenabbau und Schrumpfen beschlossen

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Finanzexperten sprachen von einem Schicksalstag im Sanierungsdrama der BayWa. Immerhin ist der strauchelnde Agrarriese jetzt einen Schritt aus der selbstverschuldeten Schieflage herausgekommen. Aktionäre und Gläubiger haben dem Sanierungsplan bei einem vom Gericht angeordneten Termin zugestimmt. Sonst hätten Gläubiger Ende Juni die Rückzahlung von Darlehen in Höhe von 1,41 Mrd. Euro verlangen können. Der Münchner Agrarkonzern wäre aller Voraussicht nach Bankrott gewesen. Immerhin braucht kein Finanzgläubiger vorerst auf Geld zu verzichten und auch die liefernden Bauern bekommen ihre Ware bezahlt.

Erleichterung und Aufatmen auf der Führungsebene

Die notwendige Drei-Viertel-Mehrheit der Gläubiger hat dem Restrukturierungsplan im äußerst seltenen Verfahren nach dem Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG) zugestimmt. Gegen die Verlängerung hatten sich einige widerspenstige Gläubiger gesperrt, die aber auf der Versammlung überstimmt wurden. Zudem wurde eine Kapitalerhöhung um bis zu 201 Mio. Euro gebilligt. Das Gros davon, nämlich 150 Mio. Euro, steuern die Haupteigner des Konzerns, die Bayerische Raiffeisen-Beteiligungs-AG (34% Konzernanteil) und die österreichische Raiffeisen Agrar Invest (28% Anteil) bei. Es hilft also die Raiffeisenfamilie. Man will aber auch Aktien frei anbieten. Ob sich viele Interessenten melden, bleibt offen. Immerhin ist der Aktienkurs seit einem Jahr um 64% gesunken und seit Jahresanfang um 35%. In den ersten neun Monaten 2024 verbuchte die BayWa einen Nettoverlust von knapp 641 Millionen Euro. Nun müssen alle Gläubiger bis Ende 2028 „die Füße stillhalten“. Bis dahin will man sich gesundschrumpfen.

Sanierung heißt Schuldenabbau und (Gesund-)Schrumpfen

Der Sanierungsplan enthält u.a. drei Elemente:
- Aussetzung von Zinszahlungen zur Liquiditätssicherung und neues Geld, um Kredite bedienen zu können;
- Verkauf von (defizitären) Konzernteilen und
- Personalabbau und Standortschließungen sowie Konsolidierung auf das (Agrar-)Kerngeschäft.

Der Konzern priorisiert kurzfristige Liquiditätssicherung über alles – selbst auf Kosten von Gläubigerinteressen, von denen sich nun einige erfolglos gewehrt haben. Dahinter verbirgt sich nur die Spitze des Eisbergs.

Der Ausverkauf von Unternehmensteilen hat schon begonnen. Ende März hat sich die BayWa von ihrer Beteiligung von 47,5 Prozent an der österreichischen Schwester RWA Raffeisen Ware Austria (RWA AG) getrennt. Das Anteilspaket geht für 176 Millionen Euro an die RWA-Genossenschaft, die zugleich der zweitgrößte Aktionär der BayWa ist. Es bleibt quasi in der Genossenschaftsfamilie, merken Analysten an. Die Erlöse fließen in Schuldentilgung und Liquiditätsstärkung. Zum Verkauf stehen auch der niederländische Getreide- und Soja-Händler Cefetra und der neuseeländische Obsterzeuger T&G Global (Turners & Growers).

Was wird aus der Energiesparte?

Entscheidend wird sein, wie der Verkauf der Wind- und Solarprojekt-Tochter BayWa r.e. abgeschlossen werden kann. Das Tochterunternehmen hat den größten Verlust „erwirtschaftet“ und trägt eine Hauptschuld am Abstieg des einstigen bayerischen „Sonnenkonzerns“. Man will sich bis 2027 Zeit lassen, weil das Geschäft zurzeit lahmt, heißt es aus der Zentrale. Mit dem Erlös soll ein Großteil der Schulden getilgt werden.

Jetzt wurde bekannt, dass die BayWa r.e. und ihre niederländische Tochtergesellschaft GroenLeven ihr größtes Batteriespeicherprojekt in Europa an das holländische Tanklagerunternehmen Vopak verkauft hat. Vopak übernimmt die weitere Entwicklung und den Anschluss an das Hochspannungsübertragungsnetz von TenneT. Batteriespeicher sind unverzichtbar für die Sicherung und Ausweitung der erneuerbaren Energien. Durch den Verkauf stärke man nach BayWa-Angaben seine Position am EU-Energiespeichermarkt - aber nicht durch Eigennutzung, sondern durch Verkauf, wie Kritiker anmerken. Über den Verkaufserlös will man sich nicht äußern.

Radikaler Sparkurs: Standorte schließen, Jobs weg

Das Ziel der Sanierung ist, die extrem hohe Verschuldung von über 5 Mrd. € abzubauen und beinhaltet zudem einen radikalen Schrumpfungsprozess. BayWa setzt dabei auf einen Mix aus Standortschließungen und Personalabbau.

Standortschließungen
Nach jüngsten Informationen sollen 26 der 400 BayWa-Filialen schließen, darunter sechs Baustoffmärkte und 20 Agrarmärkte. Ende April schloss u.a. der Baustoffhandel in Ehingen, in Neu-Ulm, Scheßlitz, Mittelneufnach und Obertraubling. Die Agrarsparte ist vorne dabei – etwa mit Schließungen in Kronach und Thiersheim. Als „Riesen-Katastrophe“ bezeichnet der Kronacher Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes Klaus Siegelin die Schließung des Standortes. „Wir haben im ganzen Landkreis nichts Vergleichbares“. 70% bis 80% arbeiten im Nebenerwerb. Wieweit sollen die fahren? „Jetzt kann man nicht mal mehr eine Mistgabel im Landkreis kaufen“, schimpft er. „Und jetzt wird die Misere auf dem Rücken der Landwirte in unserer eh schon strukturschwachen Region ausgetragen“, ergänzt die 3. Bürgermeisterin von Thiersheim.

Personalabbau
Ein signifikanter Stellenabbau soll bereits umgesetzt sein. Anfang Dezember hatte die BayWa bereits angekündigt, von den 8.000 Vollzeitstellen der Muttergesellschaft BayWa AG 1.300 streichen zu wollen, das entspricht 16 Prozent der Vollzeit-Arbeitsplätze des Konzerns in Deutschland. Die Gewerkschaft versucht noch mit Verhandlungen Stellen zu sichern. Weltweit beschäftigt die in 60 Ländern vertretene BayWa mehr als 23.000 Menschen. Auch die Auslandsbelegschaft wird wegen der angekündigten Verkäufe von Unternehmensteilen stark schrumpfen.

Starkes Signal?

Die BayWa-Eigentümer sehen in dem Sanierungsbeschluss ein starkes Signal an die Gläubiger und die Aktionäre. Der verlängerte Forderungsverzicht bringt vorübergehende Planbarkeit. Die Finanzgläubiger müssen nicht auf Geld verzichten und die Anteile der Aktionäre bleiben unberührt und werden nicht herabgesetzt.

Für den Marktbeobachter hat der Sanierungsbeschluss dem Konzern Zeit verschafft, um sich zu restrukturieren. Angesichts der Existenzbedrohung ein wichtiger Schritt. Aber die eigentliche Arbeit steht jetzt an, das Unternehmen wieder auf Spur zu bringen und das Ruder herumzureißen. Im Fokus steht die operationelle Transformation im Lichte des Schuldenabbaus. Darüber werden noch Jahre vergehen. Es bleibt ein Lehrstück, wie die Konzernführung aus Großmannssucht ein starkes, 100-Jahre altes Agrar-Unternehmen in kurzer Zeit fast in die Pleite treiben konnte. Übernimmt dafür eigentlich irgendjemand (Vorstand, Aufsichtsrat) die Verantwortung?