Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Das Bangen um die BayWa geht weiter. Der bayerische Agrarriese war mal ein Unternehmen, das sich um Absatz und Vermittlung für die Landwirtschaft kümmerte, ist aber in den letzten Jahren weltweit auf eine wilde Einkaufstour gegangen und hat sich dabei komplett verkalkuliert. Bei über 5 Mrd. € Schulden muss der Konzern nun saniert werden, um eine Insolvenz zu verhindern. Seit Wochen wird mit den kreditgebenden Banken verhandelt – beobachtet vom gesamten Agrarhandel und von Landwirten, die um die Bezahlung ihrer Waren bangen und von Kleinanlegern, die um ihre Einlagen bei Wind- oder Solarparks fürchten.
Liquiditätsbeihilfen und Stillhalteabkommen
Nun gab es erst einmal ein vorsichtiges Aufatmen. Die Insolvenz könne wahrscheinlich abgewendet werden, informierte der Vorstand nach erster Sichtung eines vorläufigen Sanierungsgutachtens. Aber die Folgen sind erheblich. Zunächst haben Darlehen der beiden genossenschaftlichen Haupteigentümerbanken Bayerische Raiffeisen Beteiligung und österreichische Raiffeisen Agrar Invest und weitere Hilfen als Überbrückungskredite über 550 Mio. € „den Weg frei gemacht“ (altes Genossenschaftsmotto), um unmittelbaren Finanzierungsdruck zu mildern. Es ist Teil eines Stillhalteabkommens bis Ende des Jahres, bestehende Kredite nicht fällig zu stellen. Zudem sind noch einmal die Kredite um 500 Mio. € erweitert worden - aber alles unter dem Vorbehalt, dass eine Sanierung erfolgversprechend wird. Denn die kurzfristige Finanzspritze von 1 Mrd. Euro sichert zwar die Liquidität, sagt aber noch nichts über die Verbesserung der Rentabilität. Die Schuldenlast ist mit Kreditverschiebungen und Umschuldungen nicht geheilt.
Weiterhin werden Verluste geschrieben
Im Gegenteil wurde bekannt, dass das Ergebnis des ersten Halbjahres 2024 bereits vor Zinsen und Steuern (EBIT) wegen außerplanmäßiger Abschreibungen bei minus 220 Mio. € liegt. Berücksichtigt man noch die Zinszahlungen, gehe der Verlust Richtung 400 Mio. €, heißt es in Bankerkreisen. Gerade die hohen Zinsen sind ein wesentlicher Grund für den Abstieg des Vorzeigekonzerns und Lieblings der bayerischen Staatsregierung. Der Zukauf globaler Unternehmen in den Niederlanden (Getreidegroßhändler), Neuseeland (Obst), USA oder den arabischen Emiraten (Energie) sowie die schuldenfinanzierte globale Ausweitung des Geschäftsgebarens fiel dem erfolgsverwöhnten Vorstand und Aufsichtsrat auf die Füße, als sich die Zinsen drastisch erhöhten bzw. mehrere Märkte (Bau, regenerative Energien) gleichzeitig schwächelten. Im Geschäftsjahr 2023 betrug die Zinslast der Baywa insgesamt 342 Mio. €, was das Gesamtergebnis auf minus 100 Mio. € drückte.
Bei Regenerativen Energien verzockt
Die Hauptverluste der Baywa erbringt das Segment Regenerative Energien (BayWa r.e.). Sowohl das miserable operative Konzernergebnis als auch die Wertberichtigungen gehen größtenteils auf diese Sparte zurück. Bei einem Umsatz von 1,8 Mrd. Euro (Vorjahr: 3,0 Mrd. Euro) lag das EBIT im ersten Halbjahr bei minus 102 Mio. €. Mit 114 Mio. € Wertminderung entfiel der größte Teil auf die eigenen Wind- und Solarkraftanlagen zur Vermarktung des erzeugten Stroms u.a. in Süddeutschland, aber auch in Spanien und Kalifornien. Trotzdem will der Vorstand daran festhalten, hat einen eigenen Restrukturierungsmanager ernannt und ein eigenes Sanierungsgutachten beauftragt. Finanzexperten sprechen eher vom letzten größten Tropfen, der das Kreditfass zum Überlaufen brachte.
Die Abteilung Bau schreibt erneut rote Zahlen. Auch der internationale Agrarhandel und die Abteilung Agrar blieben deutlich hinter dem Vorjahr zurück. Immerhin konnte das Geschäft mit der Landwirtschaft (Handel mit Agrarerzeugnissen, Dünger, Pflanzenschutz) zwar niedrigere Erlöse erzielen, war aber mit 30 Mio.€ Gewinn neben der Techniksparte (Neu- und Gebrauchtmaschinen) noch erfolgreich.
Sanierung wird Jahre dauern
Alle Augen sind auf das Sanierungsgutachten gerichtet. Das erklärt vorab, dass „die BayWa AG unter bestimmten Voraussetzungen saniert und mittelfristig ihre operative Wettbewerbs- und Renditefähigkeit wieder hergestellt werden kann“, wie der Konzern mitteilte. Unter bestimmten Voraussetzungen heißt, dass in wesentlichen Geschäftsbereichen eine führende Position gehalten werden müsse. Selbst dann dauert eine Sanierung Jahre, denn mit den üblichen Margen lässt sich der Schuldenberg kaum abtragen. Voraussetzung, so das vorläufige Sanierungsgutachten von Berger & Co., sei daher eine mehrjährige Restrukturierung. Wichtige Maßnahmen sind auf jeden Fall zahlreiche Einsparmaßnahmen und Veräußerungen von einzelnen Geschäftsbereichen. Welche „wesentlichen Anteile“ verkauft werden sollen, ist noch offen. Sicherlich stehen auch Entlassungen, Strategiewechsel (Regional, Binnenmarkt), Konzentrationen und nicht zuletzt personelle Konsequenzen auf dem Sanierungsprogramm. Der Vorstand ist optimistisch, aber die Börse hält sich bedeckt. Die BayWa-Aktie ist zwar seit dem Bekanntwerden der Finanzhilfen um 0,4 €/ Aktie gestiegen, aber seit Jahresanfang immer noch um 61% gesunken (Stand 14.10.24).
Vorstand erleichtert, aber nicht alle Schuldner
Der Vorstand sieht sich auf einem guten Weg und will das eigene Restrukturierungsprogramm wieder aufnehmen. Aber erst das endgültige Sanierungskonzept im Dezember wird zeigen, ob dieser Vorstand im „Kartenhaus BayWa“ noch das Heft des Handelns in der Hand hat. Immerhin haben mehr als 95 % aller Finanzgläubiger sich inzwischen bereit erklärt, die Sanierungsbemühungen durch ein Stillhalten zunächst bis Dezember 2024 zu stützen, um eine langjährige operative Sanierung zu ermöglichen. Aber 5% der 300 Finanzgläubiger hätten nicht zugestimmt. Die geplante Sanierung werde trotzdem gegen deren Widerstand brachial durchgesetzt - aus Gründen der Gleichbehandlung werde es (obwohl möglich) keine isolierten Rückzahlungen einzelner Finanzverbindlichkeiten geben, teilt BayWA-Chef Pöttinger mit.
Berater zocken die Zocker ab
Sicher ist jetzt wohl schon, dass wie immer bei kriselnden Unternehmen die Sanierer, Beratungsgesellschaften und Anwälte die neuen Abzocker sind. Laut „Merkur“ rechnet ein Insider vor, dass die Beratung der Gesellschaften Alixpartner bzw. Berger dem klammen Konzern etwa eine Million Euro kosten – pro Woche. Alixpartner lenke mit 10 bis 15 Mitarbeitern zurzeit das Unternehmen mit dem Generalbevollmächtigten Michael Baur, der als „harter Hund“ bekannt sei und dem Vorstand wenig Luft lasse. Roland Berger soll für das Gutachten acht Mio. € kassieren. Außerdem sollen in Verhandlungen um die Notkredite mehrere Anwaltskanzleien im Großeinsatz gewesen sein. „Die Beratungsgesellschaften fleddern jetzt den Kadaver“, beschwert sich ein Insider über die Honorare. Da die Sanierung dauern könne, bleiben sie wohl noch länger an Bord, so dass Finanzexperten davon ausgehen, dass allein die Sanierer dem Genossenschaftskonzern je nach Dauer 70 bis 100 Mio. Euro kosten werden. „Die BayWa wird nicht so viel Gewinn machen, um diese Kosten auszugleichen,“ wird der Experte zitiert. „Der Konzern wird weiterhin in roten Zahlen bleiben,“ ist seine Befürchtung. Aber eine Insolvenz wäre noch teurer gekommen.
Der Marktbeobachter fragt sich, ob der gegenwärtige Optimismus des Vorstands nur Show für die Börsengalerie ist. Noch geht es nur um Überbrückungshilfen, Stillhalteabkommen und Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs. Die Schulden steigen noch. Ob das operative Geschäft in absehbarer Zeit den Kreditberg abtragen kann, bleibt zweifelhaft. Sicher ist nur, dass für lange Zeit das Vertrauen in das urbayerische Unternehmen gestört ist und sich jeder überlegt, ob er weiterhin mit der BayWa zusammenarbeitet.
Dass sich nun auch die Berater-Geier darüber hermachen, ist nur folgerichtig Teil des Systems. Vielleicht verhindern sie eine mögliche Insolvenz, aber das Risiko bleibt.