Am 5. und 6. Dezember findet eine – möglicherweise mit einem Abschluss auch die letzte - Verhandlungsrunde zum Freihandelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten in Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, statt. Im Vorfeld machen insbesondere landwirtschaftliche Organisationen in Stellungnahmen und offenen Briefen sowie bundesweit mit Mahnfeuern und Protesten ihre ablehnende Haltung noch einmal entschieden deutlich.
Kurz vor einem möglichen Abschluss der Verhandlungen zum EU-Mercosur-Handelsvertrag warnen 395 Organisationen der Zivilgesellschaft, soziale Bewegungen und wissenschaftliche Einrichtungen aus Lateinamerika und Europa noch einmal eindringlich vor dem Abkommen. Sie fordern den Stopp des Vertrags, weil er Menschen, Umwelt und demokratische Rechte Konzerninteressen unterordne.
Das Freihandelsabkommen würde den Export von Fleisch- und Futtermitteln aus Lateinamerika in die EU fördern. Um Platz für Rinderherden und Sojafelder zu schaffen, werden indigene Gemeinschaften vertrieben und wertvoller Regenwald zerstört. Die EU-Staaten wollen im Gegenzug mehr Pestizide und Autos mit Verbrennungsmotor nach Lateinamerika exportieren. Auch wird der Export von EU-Milchexporte in die Mercosur-Länder ausgedehnt, wenn das Abkommen ratifiziert wird.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft fordert gemeinsam mit den unterzeichnenden Organisationen die EU und die Mercosur-Staaten nachdrücklich dazu auf, ihre Verpflichtungen zum Schutz von Klima, Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit ernst zu nehmen und das EU-Mercosur-Abkommen abzulehnen. „Es ist Zeit für Handelsbeziehungen, die auf Solidarität, Demokratie, Transparenz, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit basieren“, heißt es in der Erklärung.
Martin Schulz, Schweinehalter im Wendland und Bundesvorsitzender der AbL kommentiert: „Die EU-Landwirtschaft wird nach dem EU-Mercosur Abkommen in der jetzigen Form, das keine gleichen Standards in der landwirtschaftlichen Produktion gewährleistet, einem unfairen Wettbewerb mit Fleischprodukten aus dem Mercosur ausgesetzt, da dort aufgrund geringerer Tierschutzstandards und schlechter Arbeitsbedingungen günstiger produziert werden kann. Der gesteigerte Preisdruck gefährdet die Existenz vor allem von uns Bäuerinnen und Bauern. Milcherzeuger:innen des Mercosur müssen mit einem höheren zollfreien Kontingent an subventionierten Milchprodukten der EU konkurrieren. Auch ist durch die Zunahme der Automobilproduktion, Intensivierung der Landwirtschaft und Chemieproduktion von einem weiteren Anstieg der Treibhausgasemissionen auszugehen. Studien und Rechtsgutachten zeigen, dass das Abkommen gegen europäische und internationale Klimaschutzziele verstößt. Die AbL lehnt das Abkommen in dieser Form ab. Stattdessen fordern wir den Qualifizierten Marktzugang als Grundlage jeglicher Handelsabkommen. Das heißt Import- und Exportströme müssen sozial und umweltgerecht qualifiziert werden. Nur dann profitieren wir Bäuerinnen und Bauern in Deutschland und EU-weit davon und auch unsere Berufskolleg:innen weltweit.“
Undemokratische Tricksereien, um das Abkommen durchzudrücken
Bereits seit 25 Jahren wird über das EU-Mercosur-Abkommen verhandelt. In den letzten Wochen hieß es immer wieder, der Vertrag stünde kurz vor dem Abschluss. Gleichzeitig häufen sich die Nachrichten, dass es aus großen EU-Staaten wie Frankreich, Italien und Polen noch erhebliche Bedenken gibt. Um kritische Stimmen aus den Mitgliedstaaten zu umgehen, plant die EU-Kommission, das Abkommen “aufzusplitten” und damit die nationalen Parlamente in ihrer Mitbestimmung zu umgehen. Der größte Teil des Abkommens würde dann auf EU-Ebene verabschiedet werden, nur über die “politischen” Inhalte, wie die rechtlich nicht bindende Zusatzerklärung zum Waldschutz, würde dann noch von den nationalen Parlamenten abgestimmt werden, so die AbL.
Ein NEIN zum Abkommen kommt auch von der europäischen Dachorganisation Copa-Cogeca, die ihre ablehnende Haltung auch dem neuen EU-Agrarkommissar Christophe Hansen (EVP), der an ihrer Präsidiumssitzung teilnahm, deutlich machte. Ein NEIN kommt ebenfalls aus den Reihen des Bauernverbands wie beispielsweise aktuell vom Bayerischen Bauernverband.
Zu bundesweiten Protesten hatte „Land schafft Verbindung“ (LsV) aufgerufen. Infolgedessen kam es an unterschiedlichen Orten in mancherorts auch unterschiedlichen Bündniskonstellationen, beispielsweise mit den Freien Bauern oder dem Bauernverband, zu Protesten. An einer Blockade der Europabrücke in Kehl nahmen auch Landwirte aus Frankreich teil.
In Dresden übergaben Vertreter von LsV, Sächsischer Landesbauernverband und Familienbetriebe Land und Forst Sachsen und Thüringen im Anschluss an eine Demonstration mit Traktoren einen Protestbrief gegen das geplante Freihandelsabkommen an den Regionalentwicklungsminister Thomas Schmidt (CDU). "Wir sagen ganz klar: Wenn Mercosur, dann richtig", sagte Marc Bernhard, Sprecher von Land schafft Verbindung Sachsen. Es könne nicht sein, dass importierte Produkte den einheimischen Standort unterwandern, sowohl im sozialen als auch im ökologischen Bereich.
Anfang der Woche wurde seitens der EU-Kommission bekanntgegeben, dass die EU-Kommissionsräsidentin Ursula von der Leyen nicht nach Urugauy reisen werde. Politischen Boebachtern zufolge, weil wichtige EU-Mitgliedsstaaten gegen das Abkommen sind: Frankreich, Polen, Österreich und die Niederlande. Und darüber wolle sich die Kommissionschefin nicht hinwegsetzen. Sollte zudem Italien, das ebenfalls Bedenken hat, auch NEIN sagen, fehle für die Vereinbarung ohnehin die notwendige qualifizierte Mehrheit unter den EU-Ländern.