Danone, Mercosur und die Lieferkette

Marktbeobachtungen von Hugo Gödde +++ Die Situation ist mehr als unübersichtlich. Mit der neuen EU- Kommission steht das Mercosur Handelsabkommen der EU mit Südamerika wieder auf der Tagesordnung. Die EU-Entwaldungsverordnung zum Schutz des Regenwalds tritt Ende 2024 in Kraft. Um diese Lieferkette zu gewährleisten, boykottiert der französische Milchkonzern Danone, Nr. 4 weltweit, jetzt Soja aus Brasilien. Was geht da ab?

Unternehmen müssen entwaldungsfreie Rohstoffe verwenden

Gerade will der designierte EU-Kommissar Hansen sich für die Neuaufnahme der Verhandlungen mit den Mercosur-Staaten (vor allem Brasilien, Argentinien, Uruguay) stark machen, stehen die Gespräche wieder unter Druck. Die Pariser Regierung spricht sich gegen ein Abkommen aus. Französische Bauern haben schon große Demonstrationen dagegen angekündigt. Dabei geht es um zollfreien Handel mit Industriewaren, aber auch mit Agrarprodukten. Strittig sind für die EU besonders der Export von Molkereiprodukten und der Import von Rindfleisch und Soja, wenn für die Produktion Regenwald abgeholzt wird. Zugleich tritt zum Jahresende die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) in Kraft, nach der die Unternehmen nachweisen müssen, dass sie keine Rohstoffe einsetzen, für die seit 2021 Flächen entwaldet worden sind. Diese Verordnung gilt u.a. für Kaffee, Kakao, Rinder, Soja und Holz sowie nur für große Unternehmen. Sie zwingt die „Marktteilnehmer und Händler“ zu großen „Sorgfaltspflichten“ und Nachweisen. Da sie als recht aufwendig und bürokratisch gelten (z.B. müssen die Grundstücke der erfassten Rohstoffe dokumentiert werden), erwägt die EU, den Start um ein Jahr zu verschieben. Dennoch haben sich vorsichtshalber bereits viele große Unternehmen auf den Weg gemacht, zumal auch erkleckliche Strafen drohen (mind. 4% des Jahresumsatzes). Damit geht diese Verordnung noch deutlich über das „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ hinaus, das nur ein bestmögliches Bemühen um Informationssammlung, Risikobewertung und Risikominimierung verlangt.

Die europäischen Mischfutterverbände sind aufgescheucht und protestieren heftigst gegen den bürokratischen Aufwand, der die Verbraucherpreise hochtreiben würde. Es seien zwar genügend entwaldungsfreie Waren global vorhanden, aber der Nachweis für den Import sei kompliziert.

Danone verzichtet auf Soja aus Brasilien – wirklich?

In dieser Situation verkündete nun der französische Milchkonzern Danone (Marken Alpro, Actimel, Fruchtzwerge, Dani u.a.), dass er kein Soja aus Brasilien mehr beziehen will, um damit der EUDR Genüge zu tun. Damit löste er eine Welle von Widerspruch in Brasilien aus. Danone bemüht sich, Nachhaltigkeitskriterien im Unternehmen umzusetzen und sich so von der „Skandalfirma“ Nestlé abzusetzen. „Wir haben wirklich ein sehr umfassendes Tracking-System, um sicherzustellen, dass wir nur nachhaltige Zutaten verwenden,“ erklärt Finanzvorstand Esser. Ob das in vollem Umfang stimmt, bezweifeln Kritiker. Man könne sich nicht vorstellen, dass alle Milchbauern von Danone auf Soja aus Brasilien verzichten würde. Die internationale NGO „Solidaridad Network“ mit Sitz in Utrecht hat errechnet, dass Danone 260.000 Tonnen Sojamehl als Futtermittel und 50.000 t Sojabohnen für Sojamilch benötigt. „Das Soja, das Danone direkt bezieht, ist nur für die Sojamilch bestimmt. Und das meiste davon kommt nicht aus Brasilien, sondern aus Europa, Kanada und China. Das Soja für Futtermittel wird nicht von Danone bezogen. Danone kauft die Milch von Milchbauern,“ wo immer die ihr Soja kaufen.

Als der brasilianische Verband aprosoja brazil jetzt mit schweren Gegengeschützen zurückschoss, relativierte Danone bereits sein Vorgehen. Der brasilianische Umweltminister verwies auf die Bemühungen der Lula- Regierung und nannte die EU-Verordnung „willkürlich, einseitig und diskriminierend.“ Etwa die Hälfte der bepflanzten Fläche müsse als Natur erhalten bleiben, d.h. als natürliche Regenerationsflächen. Man wolle einen fairen und nachhaltigen Übergang des Anbaus, fordert die Regierung in Brasilia. Schließlich habe man eine strenge Gesetzgebung zum Umweltschutz, an die sich die Unternehmen halten würden.

Große Futtermittelhändler, auch in Deutschland, haben sich freiwillig verpflichtet, keine Sojabohnen aus neu gerodeten Flächen im Amazonas- Regenwald zu beziehen. Auch deutsche Fleischverarbeiter verweisen auf die freiwilligen Auflagen für Schweinehalter und Futtermittelhersteller. Aber in der Cerrado-Savanne ist der Sojaanbau die Hauptursache der Abholzung. Und der Nachweis ist komplex und beruht nicht zuletzt auf Vertrauen. Aprosoja droht schon mal mit Boykott von Danone-Produkten in Brasilien.

Wer ist Danone?

Danone AG mit Sitz in Paris ist nach Lactalis, Dairy Farmers of America und Nestlé der viertgrößte Milchkonzern der Welt mit 20 Mrd. € Umsatz 2020 und 100.000 Mitarbeitern weltweit. Neben den Milchprodukten (50% Anteil) und der Sojamilchmarke Alpro gibt es noch die Geschäftsbereiche Wasser (Evian, Volvic), Babynahrung (Milupa) und medizinische Nahrung (nutricia, 30% des Umsatzes). Der deutsche Markt liegt nur an zehnter Stelle. Hier betreibt der Lebensmittelkonzern Werke an drei Standorten. Die Gruppe umfasst global mehr als 370 Unternehmen in 75 Ländern und gilt als börsennotierter Konzern mit einer Umsatzrendite von durchschnittlich 14%. Die US-Investmentfirma Blackrock ist mit ca. 6% der zweitgrößte Anteilseigner. Seit Jahren bemüht sich die Gruppe, sich einen nachhaltigen und umweltverträglichen Anstrich zu verpassen. Die Verfolgung sozialer und ökologischer Ziele sind Teil der Unternehmensverfassung mit Schwerpunkt auf soziale Projekte und Sportsponsoring. Aber Danone steht auch immer wieder im Zentrum von Kartellstrafen und Kritiken, z.B. von Foodwatch (falsche Werbeversprechen) oder der Umwelthilfe (Umweltverträglichkeit von Joghurtbechern).