Bäuerlicher Widerstand für einen solidarischen und auf Menschenrechten basierenden Welthandel

Anlässlich des Internationalen Tags des bäuerlichen Widerstandes am 17. April solidarisieren sich die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die Freundinnen und Freunde der brasilianischen Landlosenbewegung MST/ Amig@s do MST, das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika, FIAN Deutschland, das INKOTA-netzwerk, das Netzwerk Gerechter Welthandel und PowerShift, mit klein- und mittelständischen Bäuer*innen, Landarbeiter*innen und indigenen Gemeinschaften weltweit. Mit Traktor, Schildern und Bannern forderten sie bei einer Kundgebung vor dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Berlin eine Handelspolitik, die auf solidarischen Prinzipien, den Menschenrechten sowie dem Schutz der Umwelt und des Klimas basiert.

Die Verhandlungen zum EU-Mercosur-Abkommen nehmen aktuell wieder an Fahrt auf. Doch Freihandelsverträge wie das EU-Mercosur-Abkommen beruhen auf dem veralteten Wachstumsparadigma, welches Bäuer*innen weltweit in die industrielle Massenproduktion zwingt. Die in der UN-Erklärung (UNDROP) verankerten Rechte von Bäuer*innen auf Land, Saatgut und ein faires Einkommen werden in diesen Abkommen außen vor gelassen und stattdessen profitieren vor allem international agierende Agrarkonzerne. Das Bündnis fordert deshalb von der Bundesregierung einen sofortigen Ausstieg aus dem Freihandel und einen deutlichen Einsatz für die Rechte von Bäuer*innen in Deutschland, in Europa und international – und damit einen Stopp des EU-Mercosur-Handelsabkommens sowie weiterer Abkommen mit Chile und Mexiko.

Vinícius Mendes von Amig@s do MST konkretisiert: „Wir wollen, dass das EU-Mercosur-Abkommen gestoppt wird! Die heutige multiple globale Krise zeigt, dass ein ‚Weiter wie bisher‘ keine Option ist. Dieses Freihandelsabkommen fördert die weitere Zerstörung sensibler Ökosysteme in Südamerika durch die Ausweitung der Viehzucht und chemisch intensiven Monokulturen. Die Zunahme von Landkonflikten, Menschenrechtsverletzungen und sozialer Ungleichheit sind die vorhersehbaren Konsequenzen für die Mercosur-Länder. Bäuer*innen, Landarbeiter*innen, indigene Gemeinschaften und weitere ländliche Bevölkerungen sind davon besonders stark betroffen. Auch politisch ist dieses Abkommen absurd: Es stärkt mit der Soja- und Fleischindustrie gerade jene, die die glühendsten Befürworter*innen autoritärer und undemokratischer Systeme sind.“

Sowohl in der EU wie auch in den Mercosur-Ländern ist die Zivilgesellschaft bisher von den Verhandlungen über das geplante Abkommen ausgeschlossen worden. Dies gilt auch für eine geplante Zusatzvereinbarung, in der Umwelt- und Arbeitsstandards weiter ausgelegt werden sollen. Die durch einen Leak öffentlich gewordene Vereinbarung greift jedoch viel zu kurz, zumal die dort festgelegten Standards nicht effektiv durchgesetzt werden können.

Kaya Thomas, Landwirtin und im AbL-Bundesvorstand, führt aus: „In der UN-Bauernrechtserklärung ist unser Recht auf Mitwirkung in der Ausarbeitung von politischen Maßnahmen, von denen unser Leben betroffen sein könnte, festgeschrieben. Wenn dieses, wie beim geplanten Handelsabkommen, vernachlässigt wird, droht die Zerstörung weiterer bäuerlicher Existenzen – im globalen Süden wie auch hierzulande.
Die Zusatzvereinbarung zum EU-Mercosur-Abkommen ist Augenwischerei, da sie nicht sanktionsbewährt ist. Für eine tragfähige Zukunft muss internationaler Handel im 21. Jahrhundert dazu beitragen, soziale Gerechtigkeit und ökologisch widerstandsfähige Gesellschaften zu fördern, die auf den Grundsätzen der Solidarität, der Menschenrechte, der Agrarökologie und der Ernährungssouveränität basieren, statt diese zu untergraben.“

FIAN: Agrarreformen dringend notwendig

Anlässlich des Internationalen Tags der Landlosen am 17. April weist FIAN Deutschland auf die hohe Landkonzentration in Lateinamerika hin. Angesichts der Schwierigkeiten indigener und bäuerlicher Gemeinden beim Zugang zu Land macht die Menschenrechtsorganisation auf die dringende Notwendigkeit von Agrarreformen aufmerksam. Diese sollten auch Priorität der deutschen Lateinamerikapolitik sein.

Lateinamerika ist der Kontinent mit der größten Ungleichheit bei der Landverteilung. Etwa ein Prozent der größten landwirtschaftlichen Betriebe beanspruchen mehr als die Hälfte der produktiven Fläche. Gleichzeitig liegen weniger als 13 Prozent des Agrarlands in den Händen kleinbäuerlicher Strukturen – obwohl diese knapp 80 % aller Betriebe des Kontinents ausmachen. Die ungleiche Verteilung von Land hat einen historischen Ursprung, der weit bis in die Zeit europäischer Kolonialisierung zurückreicht. Eine Vielzahl lang andauernder bewaffneter Konflikte und Militärputsche ist eng mit der Landfrage verknüpft.

„Die unsoziale Landkonzentration ist das Ergebnis eines Wirtschaftsmodells, das auf der unregulierten Ausbeutung natürlicher Ressourcen beruht. Ob beim Bergbau, Projekten zur Energiegewinnung oder dem Anbau exportorientierter Monokulturen – immer wieder müssen wir feststellen, wie Geschäftsinteressen über die Menschenrechte gestellt werden. Zu den Profiteur*innen gehören auch deutsche Unternehmen, die billige Agrar- und Industrierohstoffe aus Lateinamerika beziehen", so Marian Henn, Lateinamerikareferent von FIAN.

„Land ist keine Ware, sondern ein wesentlicher Faktor für die Verwirklichung vieler Menschenrechte. Trotzdem richtet sich die Agrarpolitik häufig an den Interessen von Großgrundbesitz und Agro-Business aus. Umfassende Landreformen zugunsten von kleinbäuerlichen, indigenden und afrodeszenten Gemeinden sind unerlässlich. Dabei müssen auch geschlechterbasierte Ungleichheiten berücksichtigt werden. Dies sollte im Zentrum der Lateinamerika-Politik der Bundesregierung stehen – und nicht das unselige MERCOSUR-Abkommen, welches die Macht der Agroindustrie weiter zementiert", fordert Henn.

Mehrere internationale Menschenrechtsinstrumente verweisen auf den engen Zusammenhang des Landzugangs mit substanziellen Menschenrechten. So betrifft der Zugang zu Land unter anderem das Recht auf Nahrung, auf angemessenen Wohnraum, auf Nichtdiskriminierung, kulturelle Identität und Teilhabe an öffentlichen Angelegenheiten.

Der Internationale Tag des bäuerlichen Widerstands wird seit 27 Jahren jedes Jahr am 17. April begangen. Der Gedenktag geht auf ein Massaker im Jahr 1996 im brasilianischen Eldorado dos Carajás zurück, bei dem 19 Aktivist*innen der Bewegung der Landlosen (MST) von der Polizei ermordet wurden. Die internationale Bewegung La Via Campesina, in der mehr als 200 Millionen bäuerliche Erzeuger*innen, Landarbeiter*innen, Landlosen und indigene Gemeinschaften organisiert sind, ruft in dieser Woche weltweit zu Aktionen und Demonstrationen auf.

19.04.2023
Von: FebL/PM

Vinícius Mendes von Amig@s do MST und Kaya Thomas von der AbL auf der Aktion vor dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Berlin. Fotos: AbL