Ein Jahr ist es jetzt her, dass die Bauernproteste die Politik wachrüttelten. Plötzlich wollte man die Landwirtschaft nicht mehr links liegen lassen, wie es SPD-Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich sagte, und kündigte zum Sommer ein Agrarpaket an. Ferner sollte die Zukunftskommission Landwirtschaft ihre Arbeit wieder aufnehmen und das 2021 vorgelegte Papier konkretisieren. Wenn es geeinte Vorschläge gäbe, wollte man diese in Gesetze gießen. Seit vier Wochen gibt es jetzt einen geeinten Abschlussbericht der ZKL, aber die Ampelregierung, die diesen in Auftrag gegeben hat, ist nicht mehr im Amt. Die agrarpolitische Bilanz der Ampelregierung ist leider genauso enttäuschend wie die der Vorgängerregierungen. Wenn man von der Weideprämie, die 2026 kommen soll, und dem sehr abgespeckten Start des Umbaus der Schweinehaltung absieht, dann wurden nur Pflichtaufgaben erfüllt. Nicht mal die versprochene Kompensation für den Wegfall des Agrardiesels kam, stattdessen nur die Einführung der Gewinnglättung, die es aber ohnehin bis Ende 2022 gab.
Dabei sind wir als Bäuerinnen und Bauern weiterhin in unserem Alltag mit unzähligen Herausforderungen konfrontiert. Zum einen können wir auf vielen konventionell wie auch ökologisch wirtschaftenden Betrieben keine kostendeckenden geschweige denn gewinnbringenden Preise für unsere Erzeugnisse erzielen, um unsere Betriebe stabil für die Zukunft aufzustellen. Zum anderen ist es schwierig, uns und unseren Mitarbeiter:innen faire Löhne zu bezahlen. Das macht einen Arbeitsplatz in der Landwirtschaft auch für Existenzgründer:innen nicht attraktiv. Zudem gab es auch in diesem Jahr viele Betriebsaufgaben. Das schmerzt. Mit jedem Hof, der dicht macht, schreitet der Konzentrationsprozess voran. Die Landwirtschaft verliert somit zunehmend ihren Einfluss als aktiver Gestalter des ländlichen Raums. Durch Wegzug und Betriebsschließungen werden ländliche Räume als Lebens- und Wirtschaftsräume geschwächt und verlieren an Stabilität und Vielfalt, mit all den daraus resultierenden Konsequenzen.
Und dennoch können wir den Kopf jetzt nicht in den Sand stecken. Wir haben auch etwas auf der Habenseite, nämlich, dass wir als Branche in den letzten Jahren gearbeitet und Vorschläge zur nötigen Transformation der Landwirtschaft vorgelegt haben. Alle Konzepte haben aber einen Pferdefuß, sie kosten erstmal mehr Geld als die bisherige intensive Landwirtschaft. Bisher hat sich die Politik schwergetan, der Landwirtschaft mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Aber die Branche kann die notwendige Transformation nicht alleine stemmen. Wenn die abnehmende Hand nicht bereit ist, mehr für die Erzeugnisse zu zahlen, dann müssen die gesellschaftlichen Leistungen anders honoriert werden. Und der Markt ist für die meisten Bäuerinnen und Bauern kaum zu beeinflussen. Leider ist die Branche sich hier gar nicht einig, wie den Betrieben mehr Mitbestimmung bei den Preisverhandlungen mit der abnehmenden Hand gegeben werden kann, wie die Diskussion um den Artikel 148 gezeigt hat. Dabei ist unabhängig von gesellschaftlichen Leistungen unabdingbar, dass die Höfe ihre gestiegenen Kosten für sämtliche Betriebsmittel über bessere Preise ausgleichen können, weil es über Produktivitätssteigerungen nicht mehr geht. Auch in diesem Jahr wurde sichtbar: Das System ist ausgereizt, die Erträge gehen eher zurück und die Folgen des Klimawandels sind auf den Höfen spürbar und stellen die Betriebe vor große Herausforderungen. In der Tierhaltung sind die Grenzen der Produktivitätssteigerungen ebenfalls erreicht. Jedoch fehlt es weiterhin am politischen Willen, einen Paradigmenwechsel zu organisieren, weil billige Lebensmittel noch immer eine hohe Priorität haben. Ein Freihandelsabkommen, wie kürzlich von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen unterzeichnet, wird zukünftig den Handlungsspielraum von Bauern und Bäuerinnen in Europa und in den Mercosurstaaten einschränken und einen qualifizierten Welthandel, der Klimaschutz, Menschenrechte und Ernährungssouveränität berücksichtigt, extrem erschweren.
Tragen wir deshalb am 18. Januar gemeinsam unseren Unmut über die missglückte Agrarpolitik, aber auch unsere guten Lösungsansätze und unseren Transformationswillen gemeinsam auf die Straßen Berlins!
Wir Bäuerinnen und Bauern sind bereit, Verantwortung für eine ökologische, klimaangepasste, gentechnikfreie Nahrungsmittelerzeugung zu übernehmen, und fordern statt einer Transformationsblockade eine, klare, dauerhafte politische Unterstützung durch zuständige Entscheidungsträger:innen. Wir sehen uns in Berlin!