Von der Leyen verkündet faire Preise innerhalb planetarer Grenzen – jetzt müssen den Worten Taten folgen

Die Wiederwahl von Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin ist überwiegend begrüßt worden. Und es herrscht, trotz zum Teil unterschiedlicher Interessenlagen, Einigkeit: den „schönen Worten“ von ihr und den genannten ersten Schritten müssen jetzt Taten folgen. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) gratuliert zur Wahl und verweist dabei insbesondere auf die von ihr geäußerte proklamierte Einhaltung der planetaren Grenzen sowie die Notwendigkeit fairer Erzeugerpreise. Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, begrüßt die klare Positionierung der neuen Präsidentin für eine wettbewerbsfähige, nachhaltige und zukunftsfähige europäische Landwirtschaft und bekennt sich zu den Zielen des Green Deal. Auch der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) begrüßt die Wiederwahl und fordert von der Kommissionspräsidentin die Verhinderung jeglicher Aufweichung und Rückabwicklung des Green Deal sowie ein klares Bekenntnis zu den demokratischen Werten der EU und ein Aufrechterhalten der Brandmauer gegen rechts – „ausdrücklich und ohne Ausnahmen“. Auch für den wiedergewählten grünen EU-Abgeordneten Martin Häusling hören sich die von von der Leyen geäußerten Ziele zur Landwirtschaft gut an. Er hofft jedoch, dass diese dann auch umgesetzt werden.

Ihre „Prioritäten für Europa“ hatte von der Leyen vor der Wahl in einer Rede an die Abgeordneten des EU-Parlaments und in parallel veröffentlichten politischen Leitlinien für die Jahre 2024 bis 2029 dargestellt. Die Kommissionspräsidentin umriss ihre Zukunftsvision für das Europa von morgen in ihrer Rede so: „Eine Vorstellung von einem stärkeren Europa, das Wohlstand schafft, die Menschen schützt und die Demokratie verteidigt. Ein stärkeres Europa, das soziale Fairness fördert und die Menschen unterstützt. Ein stärkeres Europa, das das, was vereinbart wurde, auf verlässliche Art und Weise umsetzt. Und das mit Pragmatik, Technologieneutralität und Innovationsfreude an den Zielen des Europäischen Green Deal festhält.“ Beim europäischen Green Deal gehe es jetzt um die Umsetzung und um Investitionen vor Ort: „Aus diesem Grund werde ich in den ersten 100 Tagen einen neuen Clean Industrial Deal vorschlagen. Er wird Investitionen in Infrastruktur und Industrie kanalisieren, insbesondere für energieintensive Sektoren. Dies wird dazu beitragen, Leitmärkte zu schaffen, von sauberem Stahl bis hin zu sauberen Technologien.“ Klimaschutz und eine gesunde Wirtschaft unter einen Hut zu bringen sei nicht nur eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch der Generationengerechtigkeit.

Zur Zukunft der Landwirtschaft kündigte von der Leyen eine neue europäische Strategie für unsere Landwirtschaft und den Nahrungsmittelsektor an, um u.a. ein faires Einkommen für die Landwirtinnen und Landwirte zu sichern. „Niemand sollte gezwungen sein, gute Lebensmittel unter Produktionskosten zu verkaufen. Wir müssen die Position unserer Landwirtinnen und Landwirte in der Wertschöpfungskette der Ernährungswirtschaft stärken“, so von der Leyen. Und weiter erklärte sie: „Wer nachhaltig mit Natur und Artenvielfalt umgeht und dazu beiträgt, den CO2-Haushalt ins Lot zu bringen, der muss angemessen dafür entlohnt werden.“ Es gehe zusätzlich darum, die Landwirtschaft besser für die Auswirkungen der Erderwärmung zu rüsten. „Deshalb werde ich einen Plan für die Landwirtschaft vorlegen, um die nötige Anpassung an den Klimawandel zu bewältigen, und parallel eine Strategie zum nachhaltigen Umgang mit der kostbaren Ressource Wasser. Nicht nur unsere Ernährungssicherheit hängt davon ab, sondern auch unsere gesamte Wettbewerbsfähigkeit.“

In den Leitlinien liest sich das so: „Ich möchte weiterhin mit Landwirten, politischen Entscheidungsträgern, der Zivilgesellschaft, Interessenträgern und Bürgerinnen und Bürgern zusammenarbeiten, damit wir ein wettbewerbsfähiges und widerstandsfähiges Agrar- und Lebensmittelsystem aufbauen können. Aus diesem Grund habe ich einen strategischen Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft einberufen, der in Kürze seinen Bericht vorlegen wird. Aufbauend auf diesen Empfehlungen werde ich in den ersten 100 Tagen eine Vision für Landwirtschaft und Ernährung vorlegen, in der erwogen wird, wie die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit unseres Agrarsektors innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten sichergestellt werden können. In diesem Zusammenhang ist es wesentlich, dass die Landwirtinnen und Landwirte über ein gerechtes und ausreichendes Einkommen verfügen. Sie sollten nicht gezwungen sein, ihre Erzeugnisse systematisch unter den Produktionskosten zu verkaufen.“

AbL freut sich auf einen konstruktiven Austausch

Zur Einigung auf wichtige Schritte hin zu einem demokratischen und lebenswerten Europa gratuliert die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. der wiedergewählten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie den demokratischen Parteien und den wieder- und neugewählten Mitgliedern des EU-Parlaments. Die AbL freut sich auf einen konstruktiven Austausch zur Zukunft der bäuerlichen Betriebe und eines Ernährungssystems, welches die planetaren Grenzen einhält. Dazu erklärt Kirsten Wosnitza, AbL-Bäuerin aus Schleswig-Holstein: „Landwirtschaft und Ernährung bleibt ein Fokusthema für Europa. Frau Von der Leyen hat in ihren politischen Leitlinien für die neue Kommission deutlich betont, dass Bäuerinnen und Bauern für ihre öffentlichen Leistungen gerecht entlohnt werden müssen. Die Kommissionspräsidentin wies dabei überraschend deutlich auf die notwendige Einhaltung der planetaren Grenzen hin. Neben der Klimawandel bewegen wir uns jedoch mit der Biodiversitäts- sowie der Stickstoff- und Phosphorkrise bereits jetzt außerhalb dieser Grenzen. Daher muss spätestens in ihrer angekündigten ‚Vision für Landwirtschaft und Ernährung‘ präzisiert werden, wie die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in schnellen ambitionierten Schritten entsprechend sozial und ökologisch weiterentwickelt werden kann. Konkrete Empfehlungen dafür hat die Verbändeplattform zur GAP bereits vorgelegt.“ Und Ottmar Ilchmann, AbL-Sprecher für Agrarpolitik, ergänzt: „Wir sind froh, dass Frau von der Leyen fairen Erzeugerpreisen endlich die Bedeutung beimisst, die sie benötigen. Es ist ihr klar benanntes Ziel, dass keine Bäuerin und kein Bauer mehr unter Produktionskosten verkaufen muss. Dies kann sie gleich mit den Versprechungen im Nachgang der europaweiten Bauernproteste einlösen, die die Kommission zur Verbesserung der Position der Landwirte in der Wertschöpfungskette gemacht hat. Dafür brauchen wir jetzt eine ambitionierte Überarbeitung der Gemeinsamen Marktordnung, die ein zentraler Bestandteil der GAP ist, sowie der EU-Richtlinie für Unfaire Handelspraktiken. Faire Preise sind eine Grundvoraussetzung dafür, dass Landwirtschaft für junge Menschen attraktiv wird und die EU-Agrar-Gelder in vollem Umfang auf den notwendigen sozial-ökologischen Wandel unserer Ernährungssysteme ausgerichtet werden können.“

DBV bleibt konstruktiver Ansprechpartner

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, fordert die wiedergewählte Kommissionspräsidentin auf, der zukünftigen Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (DG AGRI) wieder mehr Gewicht zu verleihen: „Wir begrüßen die klare Positionierung für eine wettbewerbsfähige, nachhaltige und zukunftsfähige europäische Landwirtschaft. Dazu brauchen wir vor allem wieder eine starke DG AGRI. Als Verband bleiben wir weiterhin ein konstruktiver Ansprechpartner für die Kommission bei der Weiterentwicklung der europäischen Agrar- und Umweltpolitik.“

Mit Blick auf die wichtigen Entscheidungen, die zur Zukunft des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) und der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) anstehen, sagte Rukwied: „Angesichts der vielfältigen Herausforderungen für unseren Sektor gilt es, in den kommenden Monaten ein deutlich höheres Agrarbudget abzusichern. Auch der Bürokratieabbau muss zwingend angegangen werden. Wir stehen nach wie vor zu den Zielen des Green Deal. Der Weg dorthin und die entsprechenden Maßnahmen müssen neu aufgesetzt werden. Es gilt auch gesetzgeberische Altlasten aus der letzten Legislaturperiode, wie beispielsweise die Entwaldungsverordnung oder die Bodenüberwachungsrichtlinie, abzuräumen“, so Präsident Rukwied.

DNR: Green Deal fortführen und Brandmauer aufrechterhalten

Der Deutsche Naturschutzring (DNR) begrüßt die Wiederwahl und sieht die Kommissionspräsidentin vor großen Herausforderungen. “Für ein demokratisches und zukunftsfähiges Europa muss sich Ursula von der Leyen in den kommenden Jahren weiterhin klar zu den demokratischen Werten der EU bekennen und die Brandmauer gegen rechts ausdrücklich und ohne Ausnahmen aufrechterhalten. Dazu gehört, jeglichen Initiativen zur Aufweichung oder gar Rückabwicklung des Green Deals klar entgegenzutreten. Die vorgestellten Prioritäten sind ein Schritt in die richtige Richtung”, sagt DNR-Geschäftsführer Florian Schöne.

Von der Leyen will sich in den nächsten fünf Jahren auf die Umsetzung und Finanzierung der Klimaneutralität konzentrieren. Sie verspricht mehr Gelder für einen gerechten Übergang zur Klimaneutralität, gleichzeitig bleibt aber die dringend notwendige Zusage zur Finanzierung der Natur-Wiederherstellungsverordnung aus. In ihren politischen Leitlinien verspricht von der Leyen außerdem einen Vorschlag für einen Clean Industrial Deal innerhalb der ersten 100 Tage ihres Mandats. „Eine nachhaltige EU-Industriestrategie bietet enorme Chancen, die Wertschöpfung und den Lebensstandard in Europa zu erhalten und einen internationalen Beitrag zu einer demokratischen und sozial gerechten Transformation zu leisten“, betont Schöne. Wie der Clean Industrial Deal aussehen sollte, zeigt ein Bündnis von Umweltorganisationen in einem aktuellen Forderungspapier.

Häusling hofft auf konstruktiven Dialogprozess

Martin Häusling, EU-Abgeordneter der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Landwirtschaftsausschuss sowie im Umwelt- und Gesundheitsausschuss erklärt mit Blick auf  die Bewerbungsrede von Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin: „Die Ziele zur Landwirtschaft, die Frau von der Leyen heute vor dem Parlament formuliert hat, hören sich gut an. Auch ich hoffe auf einen konstruktiven Dialogprozess, der dann auch umgesetzt wird und nicht wie in Deutschland, der Bauernverband weg ist, wenn es an die praktische Umsetzung geht.  Die Rechte der Bauern in der Lieferkette müssen gestärkt werden und die Bauern brauchen faire Preise. Eine Stärkung der Landwirtschaft ist dringend nötig!Ich stimme ihr zu, dass wir einen Plan zur Klimaanpassung brauchen und Bäuerinnen und Bauern müssen für ihre Umweltleistungen entlohnt werden. Wir werden Frau von der Leyen daran messen, ob sie das umsetzt.“

25.07.2024
Von: FebL/PM

Kommissionspräsidentin von der Leyen muss den Worten jetzt Taten folgen lassen. Foto: Europäische Kommission/ Vertretung in Deutschland